Peep peep peep, alle hamn sich lieb
Und die Moral von der Geschicht’ ist, dass sowohl Weiße und Schwarze als auch Republikaner und Demokraten sich versöhnen können, dass gute Christen ihren Mitmenschen helfen sollten und dass die Welt etwas grooviger wäre, wenn doch nur jede Tussi aus der Oberschicht einem Ghetto-Jungen in ihrem Herrensitz Obdach gewähren und ihren Reichtum mit ihm teilen würde. Im Übrigen ist Sport supidupi und Kinder sollten auf ihre Eltern hören, was die Auswahl von Universität und Studienfach angeht, denn Familientradition ist die Wurzel allen Guten. Oder so. Und aus einem miesen Sportler macht man übrigens einen guten Sportler, indem man ihm schnell einen Schalter im Kopf umlegt und seinen Beschützerinstinkt für das Team weckt.
Nirgendwo wird im Kino mehr gelogen als in Filmen, die “based on a true story” plakatieren: Mag “Blind Side” auch im Kern wahr sein, wird er in einem sichtlich formelhaften Korsett präsentiert, ist selbstgefällig und simplifizierend erzählt, hat sozialschnulzige Züge und er geriert sich als teils sentimentales teils humoristisches Wohlfühl-Filmchen darüber, dass es toll ist, wenn sich alle lieb haben. Nicht, dass ich es nicht gut fände, wenn alle lieb zu einander wären.
Auch die formale Gestaltung ist so wie es sich gehört: Glattgeleckte, schöne Immobilienprospekt-artige Bilder von Villen, schnittigen Autos, makellos angelegten Grünflächen auf Campussen. Und selbst im Ghetto hat offenbar Meister Propper vorbeigeschaut, dennoch hält der Film sich da nicht gerne lange auf, um dem Zuschauer ja nicht zu viele soziale Missstände zuzumuten und schneidet immer schnell zurück zum Villen-Viertel. Ebenfalls möchte man sich im letzten Drittel nicht zu lange mit einer Abhandlung über mögliche Motive für Hilfe aufhalten. Kurz darf Sandra Bullocks Figur (sonst nie um nen flotten Oneliner verlegen) selbstkritisch reflektieren, ob ihre Hilfe für den unterprivilegierten Big Mike uneigennützig oder egoistisch motiviert gewesen ist, aber dann haben sich wieder alle schnell lieb pünktlich zum Happy End.
Viel Spaß hatte ich auch mit der hübschen blonden Lehrerin mit dem gutmütigen Blick und kuschliger Ausstrahlung, die das versteckte Potential des Big Mike als einzige erkennt und den Jungen nicht nur fördert (herrlich, wie ein Schüler mit Lerndefiziten seine Leistung ohne großen Kampf, ohne Frust und größere Rückschläge optimieren kann -- hat denn keiner der Filmemacher in seiner Studienzeit je einem verhaltensauffälligen Kind Nachhilfe gegeben?), sondern auch im Lehrerzimmer vor dem versammelten Kollegium in Schutz nimmt. Dass der Frau per CGI kein Heiligenschein um den Kopf gemalt wurde, ist jammerschade.
Oder, um den Film auf den Punkt zu bringen: Kolossal gutes Oscar-Material.