Sandra Bullock spielt eine wohlhabende, sozial engagierte Upper-Class-Lady, die einen jungen, ungebildeten Schwarzen aus ärmlichen Verhältnissen, gespielt von Quinton Aaron, bei sich aufnimmt. Der schweigsame Riese, der erst kürzlich an einer christlichen Schule aufgenommen wurde, entpuppt sich als viel versprechendes Footballtalent, braucht aber bessere Schulnoten, um ein Football-Stipendium an einem College zu bekommen.
Während sie in diversen Action-Produktionen wie "Speed" oder "Demolition Man" im Grunde meist lediglich eine ganz nette Begleiterscheinung verkörpern durfte und vor allem durch Rollen in Komödien wie "Miss Undercover" oder "Während du schliefst" bekannt wurde, waren Sandra Bullock nur selten viel versprechende Rollen in ambitionierten Projekten wie "L.A. Crash" vergönnt, was wohl die Hauptursache dafür ist, dass sie die Rolle der wohlhabenden Frau mit großem Herzen in "Blind Side" übernommen hat. Aber "Blind Side", das auf einem Tatsachen-Roman von Michael Lewis basiert, ist mehr als nur ein Sandra-Bullock-Vehikel, sondern ein gutes, sehenswertes Drama.
Und dies ist im Wesentlichen den Darstellern zu verdanken, die authentische Gefühle vermitteln und den Film so zu keinem Zeitpunkt in Kitsch abgleiten lassen, obwohl die Gefahr durchaus teilweise besteht. Besonders stark ist dabei Sandra Bullock, die durchaus zu Recht mit dem Oscar prämiert wurde. Sie spielt die Wohlstandsdame über weite Strecken sehr taff und seelisch robust, etwa, wenn sie den Trainer der Football-Mannschaft in seine Schranken verweist, wobei sie immer wieder einige sehr amüsante Momente auf ihrem Konto verbucht, zeigt sich aber umso verwundbarer und emotionaler in den Szenen, in denen ihre Figur an sich zu zweifeln beginnt. Die emotionalen Ausbrüche sind gut dosiert, sodass sie stets zu zünden vermögen, wenn sie eingestreut werden, jedoch in keiner Weise den Eindruck überproportionierter Gefühlsregungen aufkommen lassen. Neben Bullock nimmt sich Quinton Aaron, der seine Mimik auf ein Minimum reduziert, zurück, spielt den schweigsamen Jungen aus ärmlichen Verhältnissen so jedoch ausgezeichnet, da er perfekt mit der überragenden Bullock harmoniert. Wenn er aus seinem Schutzpanzer ausbricht, sind die Gefühlsregungen, die dann gezeigt werden, außerdem umso wirkungsvoller. Der restliche Cast weiß zu überzeugen, wobei besonders Kathy Bates mit einer gewohnt starken Vorstellung auffällt und Tim McGraw in seiner Rolle sehr sympathisch besetzt ist.
Aber es sind nicht nur die hervorragenden Darsteller, die "The Blind Side" auszeichnen, es ist auch die gelungene Machart von Regisseur John Lee Hancock, der zuletzt das Kriegsdrama "Alamo" inszenierte. Ohne seinen Film in allzu belanglosen Kitsch abdriften zu lassen, erzählt er seine Geschichte mit einem absolut unaufgeregten, ruhigen Erzählstil, nimmt sich immer wieder Zeit, um die Entwicklung der Integration des schwarzen Riesen aus ärmlichen Verhältnissen darzustellen, ohne dabei Leerlauf zu erzeugen. So ist "The Blind Side" ein regelrecht wohltuendes Feel-Good-Movie, das nach und nach eine immer mitreißendere Atmosphäre erzeugt und damit gelungen unterhält. Dabei werden immer wieder ein paar amüsante Momente eingestreut, die das Geschehen jedoch nicht minder ernst und dramatisch wirken lassen, sondern vielmehr für eine gewisse Abwechslung und Auflockerung sorgen, was im Übrigen auch für die etwas spärlich dosierten Sport-Szenen gilt.
Nun ist "The Blind Side" aber auch kein Meisterwerk geworden, da vor allem auf inhaltlicher Ebene zu wenig geboten wird. Zwar gewinnen die Charaktere durchaus an Profil, aber ansonsten hält das Skript wenig Innovationen bereit. So ist die Mischung aus Sportler-Drama und High-School-Film recht kalkulierbar, da die Handlungsbahnen der jeweiligen Genres dann doch recht selten verlassen werden, woran der Film jedoch nicht weiter krankt, da er durchaus mitzureißen vermag, aber eines leichten, faden Beigeschmacks kann sich das Geschehen so dennoch nicht erwehren. Darüber hinaus läuft die Geschichte, besonders die schnelle, arg herzliche Begrüßung und Integration in der Familie, auffallend glatt ab, was den Film im Endeffekt ein wenig sympathischer, aber auch etwas unwirklich wirken lässt.
Derweil werden von Hancock, der auch das Drehbuch verfasst hat, noch ein paar kleine Einblicke auf die soziale Realität in Memphis gewagt. Dabei beschränkt sich Hancock zwar im Wesentlichen darauf, dass er die Bilder und das Alltagsleben aus der Wohlstandsfamilie und dem Ghetto kontrastiert, was man "The Blind Side" allerdings durchaus als Pluspunkt anrechnen kann. So sind die Bilder der ärmlichen Verhältnisse, in denen der kommende Footballstar groß geworden ist, durchaus einprägsam und sind dessen Charakterkonstruktion dienlich. Tiefere Einblicke, die "The Blind Side" dann doch noch den Status "Meisterwerk" hätten einbringen können, riskiert Hancock dabei jedoch nicht.
Fazit:
"The Blind Side" krankt sicherlich ein wenig an seiner Kalkulierbarkeit und fügt sich über weite Strecken den Konventionen des Genres, überzeugt aber letztlich als mitreißendes Feel-Good-Movie. Ohne peinliche Anflüge von unnötigem Kitsch fesselt das Drama mit seinem ruhigen, emotionalen Erzählstil, einem Hauch von Humor und nicht zuletzt aufgrund der hervorragenden Darstellerleistungen. "The Blind Side" ist damit ein rundum empfehlenswerter, bekömmlicher Film.
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