Review

Kang-jae (Min-sik Choi) ist ein hoffnungsloser und herruntergekommener Kleinganove, der gerade aus der Haft entlassen wurde. Für seinen Boss bedroht und vermöbelt er Leute - allgemein ist er ein ziemlicher Kotzbrocken, der nicht viel von Menschlichkeit und Nächstenliebe hält. Ganz anders ist da Failan (Cecilia Cheung), eine ruhige und liebenswerte Person, die aus China nach Korea kam, um hier zu ihren einzigen Verwandten zu ziehen. Als sie ankommt, muss sie allerdings erfahren, dass diese längst nach Kanada ausgewandert sind. Alleine steht Failan nun mit zerstörten Träumen da und kann nicht zurück nach China. Um ein Aufenthaltsvisum zu bekommen, mit dem sie in Korea bleiben und arbeiten kann, entschließt sie sich zu einer illegalen Ehe mit einem Unbekannten, den sie von einer Agentur zugewiesen bekommt. Ihr Ehemann wird Kang-jae, denn der hat das Entgeld, das er dafür einkassiert, auch bitter nötig. Er selbst kümmert sich nicht um seine neue Frau und will sie nicht einmal sehen. Kurze Zeit später findet Failan Arbeit in einem weit entfernten Dorf und lebt glücklich, doch voller Sehnsucht nach ihrem Ehemann, den sie nur von einem Photo kennt. Ein Jahr später stirbt sie qualvoll an Tuberkulose. Als Kang-jae die Nachricht erhält und sich um die Vergangenheit von Failan kümmert, um die Behörden hinter's Licht zu führen, verliebt er sich in seine tote Frau.
"Failan" ist primär eine herzzerreißende Liebesgeschichte und ein ernstes Drama, ohne Verschleierung der Wahrheit oder Rücksicht auf Verluste, in dem auch gleichzeitig noch der Missstand und die Unmenschlichkeit der Gesellschaft angeprangert werden. Dennoch fängt der Film alles andere als gefühlvoll oder dramatisch an. In den ersten dreißig Minuten verschwendet der Streifen vielmehr seine Laufzeit mit der Geschichte von Kang-jae, der mindestens zehnmal pro Satz das Wort fuck in den Mund nimmt und leidenschaftlich gerne Leute verprügelt. Das anfänglich falsche Bild, das so über den Film entsteht, sollte man nicht auf sich wirken lassen und im Laufe des Werkes auch wieder vergessen. Denn was danach folgt, ist eine der traurigsten und gefühlvollsten Reisen der Filmgeschichte. Es ist faszinierend, welche Stärke und welche Gefühle Regisseur Song Hae-sung um eine Story schafft, die von zwei Menschen handelt, die sich nie getroffen haben, aber sich unsterblich lieben. Die Nachricht von Failans Tod trifft nicht nur Schein-Ehemann Kang-jae wie ein Schlag, auch der Zuschauer versinkt in tiefste Trauer. Wenn Kang-jae sich auf die Reise zu Failans Beerdigung macht und sich dabei langsam in sie verliebt, erzählt der Regisseur zwischendrin mit Hilfe von Rückblenden die Geschichte der bereits toten Protagonistin. Wie sehr sie krank ist, wie sehr sie unter der Schwerstarbeit und ihrer Sehnsucht nach ihrem Mann leidet und wie traurig die Existenz eines so sympathischen Menschen zu Ende geht. Ein emotionaler Höhepunkt jagt dabei den nächsten und in jeder dritten Szene verspürt man die Lust einfach nur drauf los zu weinen. Wunderschön dargestellt ist die Wandlung Kang-jaes zum fühlenden Menschen, und wie er dabei sein ganzes Leben an ein Foto und einen Brief von einer Person hängt, die er vorher noch nie gesehen hat. Er selbst und auch der Zuschauer weiß, dass es eine Liebe ist, die zum Scheitern verurteilt ist, eine Liebe die nicht sein kann... und dennoch will man nie aufhören, daran zu glauben. Bis zum vernichtenden und ernüchternden Ende hofft man, dass der Film alle Logik über Bord wirft und Failan einfach zurück in die Arme Kang-jaes kommen läßt. Die Stärke der Liebe, und sei sie noch so aussichtslos oder unverständlich, ist beeindruckend dargestellt. Wenn dann die Sehnsüchte, Träume und Hoffnungen der Charaktere zerspringen, tut das nur noch mehr weh. Man kann ihnen nicht für das Handeln gegen die Vernunft böse sein - man leidet eher mit, wenn sich die Figuren an jeden kleinen Hoffnungsschimmer klammern. Immer wieder müssen sie Ungerechtigkeiten von Außen einstecken. Kang-jae erhält kein Verständnis für seine Gefühle und Failans Krankheit wird solange von ihrem Umfeld ignoriert, bis sie stirbt - ohne vorher ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt zu bekommen: Kang-jae einmal im Arm zu halten. Ob das Ende des Films einen Sieg der Gerechtigkeit darstellt, muss jeder für sich selbst entscheiden.
"Failan" kann nicht nur dank seiner wunderschönen und überaus traurigen Geschichte überzeugend, die übrigens komplett ohne Banalitäten und Klischees auskommt, sondern auch wegen seiner sympathischen und tiefsinnigen Charaktere. Eigentlich ist es so gut wie unmöglich, die Figur der Failan nicht ins Herz zu schließen...ganz einfach weil sie so überaus gut ist und von fast jedem trotzdem schlecht behandelt wird. Auch Kang-jae wird nach seiner Wandlung zu einem Menschen, den man scheinbar alles verzeihen kann, und mit dem man so mittrauert, dass es ungesund ist und es wirklich weh tut. Der Zuschauer wird auf eine emotionale Zerreißprobe gestellt, die nicht jeder bestehen dürfte. Besonders Darstellerin Cecilia Cheung hinterläßt einen solch enormen Eindruck, dass man sie ein ganzes Leben lang nur noch als Failan identifizieren möchte.
Unterstützt wird all dies durch einen angebrachten und sehr emotionalen Soundtrack, ein fabelhaftes Regiewerk, eine gute Szenenmontage und Editing, und wunderschöne Aufnahmen. Der Film schafft es glücklicherweise, technisch genauso zu überzeugen, wie er es inhaltlich tut. Die ästhetische und ruhige Atmosphäre, die aus teilweise großartigen Kameraeinstellungen und Fahrten resultiert, unterstützt das positive Gesamtbild und verstärkt den Eindruck auf das Publikum.
So führt also fast kein Weg am Tränenvergießen vorbei, weshalb "Failan" sich ohne Bescheidenheit ganz großes koreanisches Gefühlskino nennen darf. Ein ehrlicher und emotionaler Tearjeaker, der lange in Erinnerung bleibt und unglaublich bewegt. Sieht man vom etwas schwachen Anfang ab, erlebt man hier einen der schönsten Filme der letzten Jahre. Nach Ansehen stellt sich die Frage, ob die ganze Anonymität und Gefühlskälte der heutigen Welt nicht doch ihren Preis hat, und wieviel ein Menschenleben überhaupt noch wert ist. Ein Meisterwerk, das man sehen muss...aber vorher unbedingt Taschentücher bereitlegen!

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