Eine Schnittmontage steht am Anfang. Sie soll zeigen, was Bob, der Spion, in seinem Leben schon alles gemacht hat. Und was für wagemutige Augenblicke sind das: er springt über Häfen und klammert sich an Netze, er kämpft im kurzen Bademantel, er schaltet zwei bösen Buben gleichzeitig die Lichter aus und er übt sich auf dem Cross-Motorrad als zweiter Evil Knievel.
In Wirklichkeit sehen wir nicht Bob at work, sondern einige der besten Stunts, die Jackie Chan in seiner Filmkarriere abgeliefert hat. Gelblich-rötliche Farbfilter suggerieren, dass all das Gespringe, Gekicke und Geturne beisammen gehört. Im Grunde wusste man es schon immer, aber jetzt hat es eine faktische Basis: Jackie Chan spielte in all seinen Filmen immer die gleiche Figur: Jackie.
Das doppelbödige Spiel mit der Filmographie des Hauptdarstellers ist immerhin schon mal deutlich mehr, als man von einem Film namens "Spy Daddy" hatte erwarten können. Warum sich Jackie Chan nun auch den Kinder-Virus gefangen hat, von dem die Eddie Murphys und The Rocks dieser Welt schon längst befallen sind, möchte man wütend den Himmel befragen; wieso dem Drei-Räuber-und-ein-Baby-Konstrukt aus der Heimat ("Rob-B-Hood") nun unbedingt noch eine amerikanisierte Drei-Kiddies-und-ein-Babysitter-Variante nachgeschoben werden musste.
Selbstredend ist "Spy Daddy" die befürchtete Familienindustrie-Standardgrütze durch und durch. Kein Gag ist hier schmutziger als die Andeutung der kannibalistischen Handlung eines Hausschweins (es frisst Frühstücksspeck), mitunter ist das Treiben sogar so bitterlich bieder, inklusive des als chinesischer Klischeeemigrant mit Hornbrille und Rautenpulli herausgeputzten Tarn-Jackies, dass man den Beteiligten zurufen möchte, sie sollen gefälligst mal einen auf "Fear & Loathing in Las Vegas" machen.
An dieser Stelle kommt auch die Handlung ins Schwanken: Bob (Chan) gilt bei den Kindern als Langweiler und auch seine Freundin Gillian (Amber Valletta) scheint das zu registrieren, heißt es aber willkommen, weil sie von ihrem Ex-Freund belogen und betrogen wurde. Im Dialog mit den Kindern kann man beinah heraushören, dass sie Bob zwar mag, aber gar nicht liebt, obwohl in dieser Szene das Gegenteil vermittelt werden soll; die fehlende Chemie zwischen den Beiden, und es ist ein Basisproblem, dass Chan Liebesbeziehungen grundsätzlich nicht glaubwürdig spielen kann, verstärkt den Eindruck natürlich nur noch.
Hinzu kommt, dass das Spion-Alter-Ego des vermeintlich langweiligen Bob auch nicht viel weniger langweilig herüberkommt – er kann halt Kung Fu, hat coole Geheimwaffen und weiß über Spionage-Technologien Bescheid, davon abgesehen ist es aber der gute alte Bob.
Bedenkt man jedoch, dass es sich um eine harmlose Familienkomödie für zwischendurch handelt, so reizt Brian Levants Arbeit durchaus manche seiner geringfügigen Möglichkeiten aus. Denn immerhin, wenigstens zwei der drei Kinder sind immer wieder gut für erfrischende Einzelmomente. Will Shadley erinnert in seiner ebenso forschen wie plumpen Art sehr an die Auftritte von Angus T. Jones in "Two And A Half Men", während Alina Foley, die Bob genau wie ihre ältere Schwester (Madeline Carroll) schon mal gerne einen "Cyborg" nennt, effektiv das knuddelige Wonneproppen verkörpert, das auch dazu in der Lage ist, einen Zwei-Meter-Mann außer Gefecht zu setzen – im Cyborg-Kostüm wohlgemerkt, denn es ist ja Halloween.
Seine einsamen Comedy-Momente hat das in der Breite eher standardisierte Vergnügen also durchaus. Actiontechnisch wiederum ist man freilich längst an einem Punkt angelangt, an dem nicht mehr geklotzt, sondern allenfalls noch akzentuiert wird. Chan spart seine Kräfte inzwischen auf und mehr als nötig macht er nicht mehr. Allenfalls im Finale werden leichte Erinnerungen an Filme wie "Mr. Nice Guy" wach, wenn BMX-Bikes in verlassenen Lagerhallen als Waffe missbraucht werden. Allerdings wirkt jede Bewegung müde, beinahe so, als würde sie von einem Zivi geführt werden (in Wirklichkeit ist es Wirework, das zunehmend unter die Arme greift). Wenn sich Chan mal zur Akrobatik aufrafft, könnte das Ergebnis bei Hardcore-Fans mitunter zum gebrochenen Herzen führen. Was die Hardcore-Fans hier fühlen, ist aber absolut zweitrangig, denn dies ist ein Film für Kinder und deren Eltern, und beide Parteien werden sich sowohl mit dem Humor als auch mit der Action sehr gut arrangieren können, auch wenn seitens der Eltern anschließend kein Bedürfnis bestehen wird, für den "pädagogisch wertvoll"-Button zu votieren.
Ist Bob, der Langweiler, also wirklich der Mann, der einst die Kunst des Drunken Boxings zelebrierte? Der die Bronx aufmischte? Der als Police Detective, Abenteurer und Rennfahrer Karriere machte? Wenn er es ist, dann ist sein Leben mit einem Schlag deutlich langweiliger geworden. Alte Bekannte von ihm werden zetern, heulen, schreien ob der Entwürdigung eines Meisters seines Faches. Aber bleiben wir auf dem Teppich: "Spy Daddy" ist nicht der Untergang des Abendlandes, es ist "nur" die Stillung einer kuriosen, aber scheinbar vorhandenen Nachfrage in den USA. Solange parallel noch Filme wie "Stadt der Gewalt" gedreht werden, kein Grund zur Panik. Kritisch wird es erst, wenn plötzlich die Notwendigkeit besteht, "Spy Daddy" zur Trilogie zu machen…