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Geisterstunde einmal anders könnte man sagen, möchte man das japanische Erotikdrama Im Reich der Leidenschaft in einem Sätzchen charakterisieren.

Man schreibt das Ende des 19. Jahrhunderts, als die Bäuerin Seki (Kazuko Yoshiyuki) hinter dem Rücken ihres Mannes, dem Rikschafahrer Gisaburo (Takahiro Tamura), eine Affäre mit dem Ex-Soldaten Toyoji (Tatsuya Fuji) anfängt. Toyoji will Seki bald schon ganz für sich alleine haben, worauf die beiden beschließen, Gisaburo zu töten. Doch auch nachdem sie seine Leiche im örtlichen Brunnen verschwinden lassen, können sie ihre Liebe zueinander nicht öffentlich zeigen. Die Dorfbewohner glauben nämlich, dass Gisaburo wegen seiner Arbeit nach Tokio gegangen ist. So verstreichen die Jahre und die Liebesbeziehung zwischen Seki und Toyoji bleibt geheim, was die beiden innerlich zerfrisst. Als Seki dann auch noch Gisaburos Geist erscheint, wird sie fast krank vor Angst. Gerüchte machen im Dorf die Runde, Gisaburo sei ermordet worden. Inspektor Hotta (Takuzo Kawatani) will der Sache auf den Grund gehen.

Der oft etwas angestaubt wirkende Film Im Reich der Leidenschaft hat erfreulicherweise einige gute Ideen zu bieten und beschränkt sich trotz des irreführenden Titels vor allem auf den psychischen Twist, den die Hauptdarsteller auszutragen haben. Die leidenschaftliche Affäre von Seki und Toyoji ist bald schon nicht mehr das, was sie war, und schließlich zieht sich Toyoji sogar von Seki zurück, nur um am Ende—nicht ganz nachvollziehbar in ihrer vertrackten Situation—wieder zu ihr zurückzufinden. Mit ihrer Entscheidung, den im Weg stehenden Mann zu töten, katapultieren sie sich selbst schon bald in eine auswegslose Lage.

Anstößige Szenen gibt es dabei aber keine. Obwohl die Darsteller (vor allem in der ersten Hälfte des Films) ständig miteinander schlafen, sieht man außer einem gelegentlich hervorblitzenden Brüstchen nichts. Trotzdem hat es Regisseur Nagisa Oshima mit seiner Inszenierung geschafft, die Szenen voyeuristisch auszukleiden und leidenschaftlicher/erotischer aussehen zu lassen als sie wirklich sind. Dies steht im krassen Gegensatz zur sonst eher biederen Inszenierung, die teilweise recht angestaubt wirkt. Durch diese Inszenierung bleibt auch die Spannung mitunter ziemlich auf der Strecke, so dass der Film stellenweise recht zäh wird.

Wie schon erwähnt ist das Innenleben der Figuren, die allesamt nicht sonderlich sympathisch geraten sind, das Beste am Film. Einige wenige Kameraeinstellungen sorgen für interessante Bilder und die Auftritte des Geistes bieten einige phantastische Elemente, auch wenn es sich dabei nur um einen blass geschminkten Menschen handelt, der—traditionsgemäß—auch als solcher behandelt wird.

Das Finale wird dann rasch von einer Erzählstimme zusammengefasst, während zur optischen Unterstützung ein paar stumme Szenen ablaufen. Das sieht fast so aus, als hätte man gegen Ende keine Lust mehr gehabt, den Film im insgesamt behäbigen, aber ausführlichen Erzählstil zu Ende zu bringen, und schmälert dann noch einmal leicht den bereits angeschlagenen Filmgenuss.

Im Reich der Leidenschaft ist kein richtiger Erotikfilm, auch wenn es der plumpe Titel vermuten ließe. Vielmehr ist es ein Kriminaldrama mit einer kleinen linearen Handlung, dem gefühlten Touch Anspruch und einigen phantastischen Elementen. Für konservative Menschen vielleicht doch in der ein oder anderen Szene zu provokativ, schafft es der Film dank altmodischer Ausführungsweise nicht immer zu fesseln oder zu unterhalten. Für die damalige Zeit in Japan war der Film sicherlich gewagt, heute lockt man damit kaum noch jemanden hinter dem Ofen hervor.

Im Reich der Leidenschaft bleibt also auf leicht altersschwachen Beinen stehendes Mittelmaß, das insgesamt unterhält, aber eben nicht zeitlos ist.

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