Die Fortsetzung der "Geschichte der O" von Pauline Reage ist eine kurze Erzählung, die in ihren eigen Worten, ein "Abstieg" ist. O wird zu einer Hure erniedrigt, ein Carl möchte sie im übrigen auf eine Weltreise, beginnend in Afrika, mitnehmen. Von daher wäre es nicht völlig absurd, O in ein Hongkonger Bordell zu bringen, und ihre Abenteuer dort frei zu erfinden, und dennoch im Geist der "Rückkehr nach Roissy" zu verbleiben (obwohl Roissy im Film nicht vorkommt). Nur, daß in dieser "Verfilmung" durch den sicher sehr talentierten, wenn auch etwas monomanischen Regisseur Terayama, sowohl die O als auch Sir Stephen irgendetwas Charakterliches mit den Romanfiguren - oder gar den Charakteren der Jackin-Verfilmung - gemein haben. Es genügt zu sagen, daß Sir Stephen von Klaus Kinski gegeben wird, und damit ist klar, daß er kein kühler Engländer, sondern ein neurotischer Perversling oder Halbpychopath in der Kinsi-Tradition von Jack the Ripper, Marquis de Sade oder Aguirre, ist. Seine O, die so gut wie nie lächelt, ist ein trauriges Mädchen, das zwar alles über sich ergehen läßt, aber nie jene innere Stärke - erwachsen aus ihrer Hingabe - erkennen läßt, die die wirkliche O - und auch die der Jackin-Verfilmung - so anziehend werden läßt.
Vergißt man jeden Bezug zur "Geschichte der O", so kann man einen wunderbar surrealistischen Film entdecken, der die Atmosphäre des morbiden und des rebellischen Hongkongs durch optische Schmankerl wie Farbfilter, Collagen, und ähnliches zu erzielen vermag. Der chinesische Aufstand gegen die Engländer spielt eine fast ebenso zentrale Rolle in diesem Film wie die Bordellszenen, die allemehr auf die Erfüllung der Phantasien der Kundschaften ausgelegt sind als auf die Sinneslust. Wiederkehrende Motive sind die der Erniedrigung, sowohl der masochistischen Kunden wie der Huren. Ein zentrales Motiv ist der Hund, der immer wieder auftaucht (real, als Photographie, ausgestopft, Menschen, die Hunde imitieren), entgegengesetzt ist der Vogel (Papagei, der eingefangen werden muß, Tauben, eine Liebesmaschine in Taubenform..), der wohl die Freiheit und die Gefangenschaft des Käfigvogels darstellt. Ist es in Terayamas Beitrag zu den "Collections privée" die Melodie eines Einschlafliedes aus Kindertagen, der der Protagonist nachjagt, so ist es hier das Spielen eines im Wasser untergegangenen Klavier, das immer wieder angesprochen wird, bis das Klavier schießlich nach dem Mord und Selbstmord einer (ehemaligen oder eingebildeten) Schauspielerin im Bordell aus dem Wasser auftaucht. Die Sexszenen sind nicht zahlreich aber sehr explizit. Wo in anderen Filmen Softcore echte Penetrationen vortäuschen soll, scheint es hier umgekehrt zu sein. Niemand kann mir erzählen, daß Kinski in seiner ersten Sexszene die Japanerin (zu den Seltsamkeiten des Films gehört, daß die Chinesen von japanischen Schauspielern gespielt werden) nicht wirklich genommen hat, auch wenn die Szene auf Softcore geschnitten ist. Und O nimmt einen Schwanz sichtbar in den Mund. Aber das ist letztlich nebensächlich, auch wenn es seltsam authentisch ist, in einem Film, der bewußt eine artifizielle traumähnliche Atmosphäre erzeugt. Dazu tragen übrigens auch in die Szenen montierte Standphotos bei. Die Schwäche, wie in den anderen Filmen Terayamas, ist auf Seiten der Story, die sich im Wesentlichen auf die Liebesgeschichte zwischen einem Jungen des Nachbarhauses, der O zunächst durchs Fenster beobachtet, und der Bordellgefangenen reduziert. Der Junge schließt sich der chinesischen Rebellion, die schließlich das Kasino von Sir Stephen plündert und ihn damit ruiniert, nur an um Geld zu verdienen um O zu kaufen. Der Rest ist Atmosphäre, und die eingestreuten Kindheitsgeschichten der Huren, die ihre spätere Tätigkeit vorwegnehmen oder vorausbestimmen. Die melancholische Grundstimmung, in der wenig passiert und man darauf achten muß, wie scheinbar zufällige Details sich zu Nebengeschichten zusammenfügen, mag Zusehern als langweilig erscheinen. Jedenfalls sind sie für einen Kinski-Film ungewöhnlich (obwohl sich auch Werner Herzog-Filme ziemlich ziehen können...)