Max Kidd spielt einen jungen, talentierten Zweitligabasketballer, der seine Eltern bereits vor Jahren verloren hat und daher in der Obhut seines großen Bruders, gespielt von Misel Maticevic, aufgewachsen ist. Während sein Bruder, der einst selbst kurz davor war, den Sprung in den Profibasketball zu schaffen, von ihm erwartet, dass er als Basketballer Karriere macht, träumt der frisch gebackene Abiturient, dem Sozialviertel von Hagen durch ein Auslandsstudium in den USA zu entkommen.
Die Zuschauer sind aufgewühlt und lautstark, die Halle ist ausverkauft, die Cheerleader treiben die Menge immer weiter an, die Trainer sind nervös, die Spieler wie entfesselt. Die Chance zum entscheidenden Wurf, Vinz nutzt sie nicht und findet sich selbst am nächsten Tag in der Zeitung als tragischer Held wieder und dass auch noch im Saisonendspurt, der mit dem Aufstieg des Teams in die erste Liga vollendet werden könnte. Wer nun meint, wir befänden uns in Cleveland, Detroit oder in Phoenix, ist weit gefehlt, wir sind in Deutschland, genauer in Hagen. Aber allein die, wenn man bedenkt, dass es sich um die zweite deutsche Basketballliga handelt (Der Club Phoenix Hagen hat eine Halle mit über 3.000 Plätzen, aber einen Zuschauerschnitt von gerade einmal 1780 Zuschauern pro Spiel), eigentlich vollkommen überzogene Kulisse während des ersten Spiels, macht bereits deutlich, wo die Anleihen von "Hangtime" liegen.
Denn auch Vince will den Amerikanischen Traum für sich verwirklichen. Er will raus aus dem engen Ghetto von Hagen, er will es in den Vereinigten Staaten zu etwas bringen. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob man eine weitere Verfilmung des Amerikanischen Traums (und dann auch noch aus Deutschland) wirklich gebraucht hätte. Und hätte man sich der Materie mit ambitionierten Versuchen, etwas Innovatives, Eigenes zu schaffen, genähert, könnte man diese Frage durchaus mit "Ja" beantworten, aber "Hangtime" steht im Grunde zu keinem Zeitpunkt auf eigenen Beinen, zu deutlich bleibt das Geschehen in den altbekannten Handlungsbahnen des Genres, zu stark fällt die Orientierung an amerikanischen Vorbildern aus.
Der Traum der Selbstverwirklichung, vom Studium in den USA steht für Vinz ganz klar im Vordergrund, dem steht jedoch die Loyalität zu Bruder gegenüber, immerhin hat dieser seine eigene, viel versprechende Karriere aufgegeben, um nach dem Tod der Eltern für ihn sorgen zu können und erwartet nun, dass sein kleiner Bruder seinen Traum lebt. Die Hauptfigur ist dabei jedoch bei Weitem nicht so ambivalent gestrickt, wie man es angesichts der Materie durchaus hätte erwarten können, man schustert lediglich ein paar altgediente Klischees zusammen und auch der große Bruder, der Selbstverwirklichung durch seinen kleinen Bruder anstrebt, gewinnt nur bedingt an Profil, er gerät nämlich überaus einseitig. Dass der Bruder/Bruder-Konflikt damit ebenfalls nicht allzu gelungen konstruiert ist, ergibt sich praktisch von selbst.
Und auch das Drumherum hebt sich nicht von der grauen Masse ab. Vinz` beste Freunde sind im Grunde wandelnde Klischees, besonders der Charakter Ali, der bis auf die Tatsache, dass er ein Inder ist, einen, nach wirklich allen gängigen Vorurteilen gestrickten Deutsch-Türken abgibt, macht dies überdeutlich. Dabei nerven auch die Versuche, durch die krampfhafte Verwendung von Jugendsprache möglichst realitätsnah zu wirken, genauso, wie die ebenso kalkulierbare Liebesbeziehung, die urplötzlich im Nichts versandet. Wäre noch zu erwähnen, dass auch die Milieustudie, sofern man sie denn so nennen mag, vom hagener Sozialviertel ebenfalls reichlich vorurteilsbehaftet und relativ unlaubwürdig ausfällt.
Und so scheitert "Hangtime" dann auch schon beim Skript, das wirklich überhaupt keine Überraschungen zu bieten hat. Regisseur Wolfgang Groos, der zuvor lediglich durch TV-Serien in Erscheinung getreten war, rettet aber noch, was zu retten ist. Das Erzähltempo ist flüssig und so funktioniert "Hangtime" zumindest bedingt als Unterhaltungsdrama, zumal zumindest ein paar ganz nette Gags eingebaut werden, die dem Film andererseits mitunter den letzten Hauch einer gewissen Ernsthaftigkeit nehmen und ein wenig ins Clowneske abdriften lassen. Außerdem sind die wenigen Sport-Szenen rasant und dynamisch geschnitten, womit sie durchaus sehenswert geraten, aber ein paar gelungene Szenen machen, genauso, wie die versiert gewählte musikalische Untermalung des Geschehens, noch keinen guten Film.
Max Kidd spielt die Hauptrolle durchaus solide, wirkt aber immer, wenn größere, intensivere Gefühlsregungen gefragt sind, etwas hölzern und in seiner Mimik maskenhaft und nimmt dem Film damit im Endeffekt die allerletzte Chance einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Misel Maticevic wirkt daneben in der Rolle des großen Bruders wesentlich souveräner und leistet sich keinerlei Fehler und auch die übrigen Nebendarsteller wissen weitestgehend zu überzeugen, wobei vor allem Mirjam Weichselbraun mit ihrer charmanten, sympathischen Art besonders hervorsticht.
Fazit:
Überdeutlich an seinen Vorbildern orientiert, stapelt "Hangtime" über die volle Laufzeit Stereotypen und Klischees am laufenden Band und so fesselt der Kampf um Selbstverwirklichung und den amerikanischen Traum im Grunde zu keinem Zeitpunkt. Die gelungene Regie und der weitestgehend ordentliche Cast können den Film daher im Endeffekt auch nicht mehr davor bewahren, tief im grauen Mittelmaß zu versinken, da das Projekt wirklich nie so richtig auf eigenen Beinen steht. Mäßige Unterhaltung, mehr ist hier nicht drin.
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