Wie dreist doch zuweilen Etikettenschwindel betrieben wird, um eine möglichst breite Masse an Horrorfans anzulocken. Ein großspuriges „Saw trifft Schweigen der Lämmer“ sollte jedoch weder Folterfreunde, noch solchen von psychologischen Thrillern in die Irre führen, denn auch wenn Hauptdarsteller Robert Picardo im Originalton ein wenig wie Anthony Hopkins klingt, lohnt sich der Streifen allenfalls aufgrund der interessanten Auflösung.
Kinderbuchautor Wade (Robert Picardo) führt ein isoliertes Dasein im großräumigen Haus seiner Eltern. Soeben hat Verlegerin und Nachbarin Gale mit Freude sein neues Manuskript durchgesehen, doch bei allen Annäherungsversuchen ahnt sie nicht, dass Wade Menschen entführt und sie in seinem Haus foltert, um deren Gedankenkontrolle zu übernehmen.
Doch es scheint, als würde Wade selbst die Kontrolle über Wahrheit und Illusion verlieren…
„Die wenigsten wissen das, aber ich bin böse“ ist Wades erster Satz, bei dem er seinen Blick direkt in die Kamera richtet. Zugleich ist er begleitender Erzähler, philosophiert über Aspekte wie Schmerz, Lügen, Scheinwelten als Schutzfunktion und vor allem über die Macht der Gedanken.
Ein kleiner Flashback ziemlich zu Beginn untermauert, dass ihn bestimmte Ereignisse traumatisiert haben müssen, vielleicht mehr, als der Tod seiner Schwester durch einen Freund und das plötzliche Verschwinden seines Vaters auf dem Jahrmarkt.
Dennoch erfährt man eine Weile nichts über Wades Beweggründe und auch nicht, warum er sich speziell diese Opfer ausgesucht hat.
Blutige Szenen sollte man jedoch nicht erwarten, selbst in der ungeschnittenen Fassung kommt man nicht über Nägel im Fuß (aus einiger Distanz) und zwei Strangulationen hinaus, während die FSK übereifrig zulangte und sogar bedeutende Dialoge entfernt hat.
Jene dominieren über weite Teile die ruhige Erzählweise, die sich voll auf den komplexen Charakter der Hauptfigur stützt. Eine Weile funktioniert das ganz ordentlich, doch auf Dauer kann die Geschichte kaum neue Facetten aufweisen und man fragt sich, wer dieser alte Knacker Jeremies ist, der offenbar die volle Kontrolle über Wade hat und augenscheinlich auch real existiert, da er von einer dritten Person wahrgenommen wird.
Mangelnde Bewegung und ausbleibende Konfrontationen führen schließlich vor allem im Mittelteil zu einigen Längen, auch wenn manche Visionen, Gedankenspiele und Halluzinationen durchaus inszenatorisches Geschick aufweisen, - Wade hat seinen Gedanken irgendwann nichts Neues mehr hinzuzufügen und auch die Rolle des Opfers Darren ist vorzeitig geklärt.
Lediglich die Funktion von Gail bleibt bis fast zum Schluss spannend.
Der nicht gänzlich unerwartete Twist ist es am Ende, der die Sache noch einmal unterhaltsam und aus neuer Sichtweise gestaltet. Erst da erhält man ein vollständiges Profil vom ambivalenten Wade, wobei der Abgang dann doch ein wenig an „Schweigen der Lämmer“ angelehnt ist und sogar ein wenig Lust auf eine Fortsetzung macht.
Schade, dass die Erzählung mit einigen Durchhängern zu kämpfen hat, die Gewalteinlagen nicht sonderlich derb ausfallen und sich wirklich spannende Szenen in Grenzen halten.
Denn Robert Picardo trägt Hauptfigur Wade problemlos alleine und liefert eine hervorragende und intensive Performance ab, während handwerklich, und vor allem bezüglich eines Debüts, kaum Makel auszumachen sind.
Der Streifen ist per se nicht schlecht, doch der Funke will, trotz der gelungenen Auflösung, zu keiner Zeit überspringen und ist von daher nur bedingt Leuten zu empfehlen, welche Psychothriller der etwas gemächlichen und leicht surreal gestalteten Erzählweise vorziehen.
5,5 von 10