Review

Während Unmengen von Kritikern und Filmfans das Phänomen „Twilight“ nur belächelten, da bescherten die Fans unerwartet hohe Umsätze – klar, dass man sich in Windeseile ans Versequeln der Meyers-Romane machte.
Mit noch schnellerem Takt als im Falle Harry Potter wurde die Sequelmaschine angeworfen, nach Catherine Hardwicke durfte sich nun Chris Weitz auf dem Regiestuhl versuchen. Im Zuge der Verbesserungsideen flogen die meisten recht pathetischen Voice-Overs über Bord, was dem Film gut tut, dafür kleistert Weitz den Film gerade im ersten Drittel mit ähnlich pathetischer Klaviermusik zu, was „New Moon“ dann weniger gut tut. Hauptfigur Bella Swan (Kristen Stewart) träumt, dass sie ins Oma-Alter kommt, während Vampir-Boyfriend Edward Cullen (Robert Pattinson) jung und knackig bleibt, heissa, das ist Beziehungsstress vorprogrammiert.
Blöd, dass sich Bella bei der Feier ihres Geburtstag im Kreis der Vampirfamilie Cullen in den Finger schneidet und dann fast selbst statt Torte von Edwards Bruder verknurpst wird; kurz darauf hauen die Cullens ab, angeblich weil man das Nichtaltern der jüngsten Tochter langsam bemerkt. Das gibt die volle Downerdröhnung Bellas, glücklicherweise ohne Voice-Over, dafür aber mit Schreiattacken mit in der Nacht, die Papa Charlie (Billy Burke) nur ratlos lassen. Es wäre Zeit für Mitgefühl, doch irgendwie kann „New Moon“ dies nicht für seine Hauptfigur erwecken: Oft wirkt Bella wie ein verzogenes Kind, das erst seinen Willen nicht kriegt (also zum Vampir gemacht zu werden) und später bockt, weil Edward weg ist, und dabei jede Menge dumme Sachen anstellt.

Doch da kommt irgendwann Bellas Jugendfreund Jacob Black (Taylor Lautner) an, man freundet sich wieder mehr, vorher war Edward ja das Problem, und kommt sich näher. Doch da gibt es noch Probleme: Rachlüstige Vampire sind hinter Bella her, Jacob ist ein Werwolf, sie kann Edward nicht vergessen…
Man mag angesichts derartiger Prämissen direkt den Schmonzettenalarm ausrufen und ja, wieder sind die Dialoge alles andere als originell, wieder wird andauernd bedeutungsschwanger ins Leere geguckt, aber das ist nicht das große Problem von „New Moon“. Nein, bei noch größerer Handlungsarmut im Vergleich zum ersten Teil fragt man sich wie dieses Nichts an Geschichte, das mit der Geschwindigkeit einer gehbehinderten Schildkröte vorwärtskriecht, noch ein paar Minütchen länger als der Vorläufer dauern kann. Zumal alle besonders ausgewalzten Plotstränge ins Leere laufen: Es ist von vornherein klar, dass Jacob nie eine ernsthafte Chance bei Bella hat, trotzdem wird ihrem Verhältnis zueinander unendlich viel Zeit gewidmet, während man alle temporeicheren oder interessanteren Subplots ruckzuck abwürgt: Gerade zu lächerlich easy wird man mit den verbliebenen Bösvampiren aus Teil eins fertig (tot oder aufgespart für Teil drei), die Hintergründe des Werwolfclans und der Vampir-Werwolf-Feindschaft werden kurz angerissen, aber mit Vertiefung ist nix. Und wenn es eine Nebenfigur erwischt, dann wird das achtlos fortgewischt – was sind schon tote ältere Männer als Tragödie, wenn man hier den Herzschmerz deluxe bekommt?

Also wird wieder emsig geschmachtet und gelitten, im letzten Drittel wieder ein Minikonflikt arrangiert, den die Hauptfiguren aber lächerlich schnell lösen und noch dazu kloppt „New Moon“ reichlich bemühte Vergleiche zwischen Romeo & Julia und Edward & Bella raus – Tiefstapeln war wohl nicht so ganz Stephanie Meyers’ Ding. Mit Subtilität ist wenig, zumal der Mormonenhintergrund von Meyers’ Puritanerschreibe mittlerweile hinreichend bekannt. Sonderlich subtil geht ihre Enthaltsamkeitspredigt dabei nicht zu Werke: Bella ist sauer, weil Edward seine Beißerchen nicht in ihren Hals stecken will, der aber glaubt dadurch ihre Seele zu beflecken (oho), beim Verarbeiten der Trennung gibt sich Bella dem Adrenalinrausch beim Mitfahren mit einem wildfremden Biker hin (ui hui) und am Ende kommt dann der Kompromiss: Gebissen wird erst nach der Hochzeit. Prost Mahlzeit!
Der Soundtrack ist wieder zielgruppengerecht ausgesucht, aber einen Ticken schwächer als beim Vorgänger, und zwischendrin packt man noch ganz gewitzt die Keule gegen all jene Action- und Horrorfans aus, die über „Twilight“ lästerten: Zweimal geht man ins Kino, einmal in einem Zombiefilm, dessen angebliche Subtexte Jessica (Anna Kendrick) nachher niedermacht, später in einen Actionschinken, der ja so brutal und so stupide ist. Holla, wie gewitzt. Obendrauf gibt es Effekte, die absolut unzeitgemäß sind, gerade den CGI-Werwölfen sieht man ihre Herkunft aus dem Rechenknecht überdeutlich an. Aber das mag mancher Zuschauerin wohl egal sein, wenn die Werwolfjungs wie eine halbnackte Boyband durch den Wald und den Film rasen (was kaum jemanden im Ort wundert, selbst im Herbst nicht) und die Hosen bei der Verwandlung davonfliegen als wäre man beim Chippendales-Auftritt (wirklich zu sehen gibt es natürlich nix in Mormomen-County). Man fragt sich oft, wie ernst Komödienspezialist Chris Weitz so manche Szene meint (sehr ironisch sicher der Kameraschwenk, der die trauernde Bella drei Monate lang in gleicher Pose vorm Fenster sitzend zeigt), aber was nun Ironie und was Idotie ist, das ist hier nicht so leicht auszumachen.
Im Zuge des Credos von mehr Jacob und mehr Herzschmerz müssen die Nebendarsteller noch weiter zurückstecken, was gerade bei so Lichtblicken wie dem phantastischen Billy Burke und der wunderbaren Anna Kendrick unschön auffällt. Von den Hauptdarstellern liefert mal wieder nur Kristen Stewart eine tolle Performance abliefert – Robert Pattinson und Taylor Lautner wetteifern um die hölzernste Darbietung, bei ihren gemeinsamen Szenen im Wald werden sie quasi von jedem Baum an die Wand gespielt. Bei den Szenen vom Vampirkonzil legt der Film darstellerisch dann zu: Chefvampir Michael Sheen ist zwar gewandet als wäre er vom nächsten Tuntenball abgehauen, spielt aber beeindruckend, während die mittlerweile enorm wandlungsfähige Dakota Fanning sich erfolgreich weg vom Image als ehemaliger Kinderstar mausert.

Das war wohl nix mit Anlauf Nr. 2 der „Twilight“-Saga: Gleichsam inhaltslos und bedeutungsschwanger, mit qualitativ höchst unterschiedlichen Darstellerleistungen und steifer Holzhammerromantik. Mancherorts wird ja die (nicht unbedingt deutlich zu erkennende) Ironie gelobt, aber mal ehrlich: „New Moon“ soll ja keine Parodie auf sein Ausgangsmaterial sein, insofern wäre die Chose auch bei fehlendem Ernst klar gescheitert.

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