Review

Von einer Unterführung...29.10.2010

Britisches Kino gefällt mir gut, und ich bin immer gerne bereit, einem Film von der Insel eine Chance zu geben, zumal dann, wenn er noch einen guten und in Würde gealterten Darsteller mit an Bord hat. Sir Michael Caine ist ein solcher, der Mann ist sich nicht zu schade, in vielerlei Filmen als Nebenfigur mitzutun, doch hier darf er die zentrale Rolle übernehmen...quasi in einem Aufstand alter Männer, denn um genau diesen geht es hier. London als Ort der Handlung wird uns als sehr ungemütliches Pflaster gezeigt, die Polizei hat schon längst resigniert, Jugendbanden und Drogenhändler das Zepter übernommen - und das, obwohl doch eigentlich die lückenlose Überwachung auf der Insel schon prima funktioniert. Sei also dahingestellt, ob das Bild der Realität entspricht - wohnen möchte man jedenfalls in Harrys Viertel nicht.

Harry ist Rentner, besucht täglich seine im Koma liegende Frau im Krankenhaus, spielt danach eine Runde Schach im Pub mit seinem alten Freund Len, trinkt ein Pint, geht heim. Tagein, tagaus. Die Tochter ist bereits gestorben, doch nun trifft es auch die Frau. Harry kommt zu spät, weil er einen Umweg nehmen muß, lungern doch in der Unterführung auf seinem Weg ins Hospital die Jugendlichen herum. Als dann auch noch Len, der verängstigt die Initiative ergreift und die Jugendbande mit einem Bajonett bedrohend vertreiben will, durch seine eigene Waffe gemordet wird, ist das Maß für Harry voll.

Und da haben wir ihn, den legendären Anlaß für Rache, Morde und Vergeltung...

Der erste Ganove stirbt noch eher en passant, aber dann geht es munter weiter, denn Harry hat eine Vergangenheit als hochdekorierter Militär. Und während Harry Rache an der Jugendbande nimmt, eskalieren die Ereignisse zwischen Polizei und Jugendlichen, was zu einem dramatischen Showdown mit allerhand Beteiligten in Harrys Stammpub führt. Harry wird dabei zu keiner Zeit als eiskalter, fitter Killer dargestellt, sondern als der alte Mann, der er tatsächlich ist, mit all den körperlichen Schwächen, die mit dem Alter einhergehen, dafür indes mit zielsicherer Hand. Aber Harry hat nichts zu verlieren, denn ihm ist alles genommen worden, was sein eh schon tristes Leben lebenswert macht. Es ist sehr erfreulich zu sehen, wie viel Zeit sich der Film mit der Alltagsportraitierung Harrys nimmt, wie wenig er sich um vordergründige Actionszenen schert, sich dafür aber immer wieder dicht an allen Beteiligten hält, natürlich nicht ganz ohne Klischees.

Merkwürdig indes sind die Computerblutwolken, die ich bei jeder Gelegenheit anprangern muß, so auch hier, denn Härte sieht mit Blutpäckchen einfach besser aus. Michael Caine indes ist prima, die gesamte Geschichte eine gute Kondensation aus vielen aktuellen Problemthemen, ruhig und sicher inszeniert, und daher darf man dem Erstingswerk der Regie auch eine gute Note geben - in der Tradition des Mannes, der rot sieht, sind es hier 8/10.

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