Review

Ohne sich großartig mit Ruhm zu bekleckern, inszenierte Mario Caiano („Der letzte Zug nach Durango“, „Der Mann mit der Kugelpeitsche“) diesen recht frühen Vertreter des Italowesterns und ignorierte dabei noch einige grundlegende Prinzipien des Genres, die Maestro Sergio Leone fast zur selben Zeit definierte. Der Grundstein für den Erfolg war also bereits gelegt, so richtig auf blühte das Genre allerdings erst etwas später.
Als beständiger, aber leider allenfalls durchschnittlicher und in seiner Umsetzung stets einfallsloser Handwerker bekannt geworden, vermochten Caianos Arbeiten nie in der breiten Masse ähnlich gestrickter Einheitsware aufzufallen, gehörten aber auch nie zum absoluten Bodensatz des Genres.

„Eine Bahre für den Sheriff“ erweist sich als eine für den Fan europäischer Western noch relativ zwiespältige Angelegenheit, weil er sich zu großen Teilen noch zu sehr an die amerikanischen Pendants anbiedert, im späteren Verlauf dann aber doch noch zu einem geradlinigen Revenge-Streifen entwickelt. Einige unwillkommene Verwässerungen, wie die ziemlich albernen Ausfälle ( der alte Slim...) des hier gänzlich überflüssigen Humors, der der Geschichte genauso wenig gut tut wie die allen erdenklichen Klischees entsprechenden Frauenzimmern, stören die Erfolgsformel genauso wie diverse wirklich extrem kitschige Dialoge und der viel zu pompös-aufgeblasene Score Francesco De Masis („Die Satansbrut des Colonel Blake“, „Django und Sartana – Wie blutige Geier“), der erst in späteren Italowestern lernte deutlich subtiler und rassiger zu komponieren. Wenigstens einen Großteil der weiblichen Besetzung tilgt man noch überraschend rabiat aus der Handlung, wenn auch erst zum Schluss.Dem männlichen Chauvinismus wird also bereits Genüge getan.

Der Aufbau trägt dagegen schon deutlich die markanten Züge der bald darauf gern genutzten Prämisse. Mit Shenandoah (erster Italowestern-Auftritt: Antonio De Teffè, „Django und die Bande der Bluthunde“, „Spiel dein Spiel und töte, Joe“) betritt der standesgemäß mysteriöse Fremde den Saloon von Richmond, um sich sogleich maulschellenverteilend Respekt zu verschaffen. Warum? Er will sich der Bande des berüchtigten Banditen Lupe Rojo (Armando Calvo, „Es geht um deinen Kopf, Amigo!“) anschließen, verfolgt dabei allerdings persönliche Motive und interessiert sich weniger für die doch recht umfangreiche Beute, die Rojos Bande regelmäßig einsackt. Worum es ihm geht? Rache! Was sonst?

Die erste Hälfte des Films zeigt sich von einer redseligen und leider nicht besonders aufregend inszenierten Seite, in deren Verlauf sich Shenandoah Rojo und seinen Männern nach einem Banküberfall aufdrängt, auf die Probe gestellt und schließlich aufgenommen wird. Caiano inszeniert diese Parts eher bieder, erzählt mit wenig Drive und kann selbst den actionreichen und spannenderen Passagen keinerlei Highlights abringen. Die Schauspieler geben sich Mühe, erliegen bisweilen aber der Geschwätzigkeit des allzu redseligen Drehbuchs.
Antonio De Teffè, unrasiert und wortkarg, fällt dabei übrigens positiv auf, sucht noch etwas nach seinem eigenen Stil, ähnelt jedoch besonders in der zweiten Hälfte dank seiner malträtierten Visage wirklich sehr Clint Eastwood, dem bekanntlich ähnliches Schicksal in „Für eine Handvoll Dollar“ widerfuhr. Dezente Parallelen sind zu entdecken, „Eine Bahre für den Sheriff“ entpuppt sich aber keinesfalls als simples Plagiat.
Recht genüsslich gibt Eduardo Fajardo („Es geht um deinen Kopf, Amigo“, „Mercenario – Der Gefürchtete“) dazu in einer Nebenrolle den auffallend sadistischen, brutalen Kotzbrocken Russell Murdock, dem später noch mehr Bedeutung zukommen soll. Der Rest vom Fest fällt weniger auf.

In der zweiten Hälfte verbessert sich der Italowestern hingegen merklich. Der Plot wird interessanter und hält ein paar Überraschungen bereit, aber auch Shenandoah muss aktiver werden, um seinen alten Bekannten, den Farmer Wilson (George Rigaud, „Ein Halleluja für Spiro Santo“), vor einem Angriff der Banditen zu warnen, und bewegt sich dabei auf Messers Schneide, weil er ständig Gefahr läuft enttarnt zu werden. Seine neuen Kollegen sind ihm gegenüber ohnehin misstrauisch.
Groß angelegte Schießereien häufen sich, sind allerdings weiterhin wenig prickelnd umgesetzt. Für Shenandoah wird die Luft aber schließlich so dünn, dass „Eine Bahre für den Sheriff“ alle Vorbehalte fallen und im letzten Drittel dem Racheplot freien Lauf lässt. Die bereits übel zugerichtete Hauptfigur legt bei erstbester Gelegenheit auch gleich los, um seinen Rachedurst zu stillen. Der hastige Showdown beeilt sich ziemlich ungeschickt die etwas markanteren Banditen möglichst fix um die Ecke zu bringen und selbst das finale Duell gereicht nicht zum spannungsgeladenen Hochgefühl, zeigt aber wie Shenandoah fast schon genießerisch die letzte Rechnung begleicht.
Als herrlich symbolisch erweist sich danach seine abschließende Geste, die Entledigung seines Sheriff-Sterns in der Pferdetränke, bevor er wieder allein von dannen reitet.

Dem gesamten Film haftet die allerdings die nicht unbedingt schlechte, aber so schrecklich durchschnittliche Regie Caianos an, der sich offensichtlich nicht als experimentierfreudiger Kreativkopf verstand und seine Geschichte ruhig um ein bis zwei Nebencharaktere dezimieren hätte können, ohne dass sie für die Story ein Verlust gewesen wären. Seine Bilder sollten entsprechend des Themas deutlich düsterer und schäbiger, die Dialoge zynischer und die Atmosphäre gedrückter sein. Alles Elemente, die sich erst in den Folgejahren vollends ausbildeten.
Auch die Stimmung des Films vermag trotz einiger Nachtszenen das Publikum nicht zu erreichen. So sind insbesondere die Szenen nach der Enttarnung Shenandoahs zwar von einer großen Portion körperlicher Gewalt, weniger aber von Spannung bezüglich des Schicksals der Hauptfigur geprägt. Man hat nie das unwohle Gefühl, dass für Shenandoah nun Ende im Gelände sein könnte..


Fazit:
„Eine Bahre für den Sheriff“ gehört zu den besseren Italowestern Mario Caianos, obwohl hier viele Momente noch sehr „amerikanisch“ wirken. In der zweiten Hälfte besinnt sich der Film seiner europäischen Wurzeln und mutiert zu einem zutiefst klassischen Revenge-Streifen in dessen Verlauf Antonio De Teffè nicht mehr an Gefangenen interessiert ist und zumindest in einem Fall ganz genüsslich richtet.
Für die nicht einmal 90 Minuten hat das Szenario insgesamt leider etwas zu wenig Substanz zu bieten und schleppt sich ganz schön mühselig. Vor allem die ziemlich enttäuschende und gestreckt wirkende erste Hälfte enttäuscht durch die Abwesenheit jeglicher Highlights. Immerhin bekommt Caiano die Kurve und für Antonio De Teffè war es der Auftakt zu vielen Italowestern, in denen er sich unsterblich machte. Eine richtige Ikone wurde er leider nie, aber dafür hat er wohl auch in zuviel Mist mitgespielt.

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