„Ich bin ein großer Freund von Legenden, aber ich glaube nicht an Flüche!“
Das vorletzte Werk im Leben des italienischen Regisseurs Camillo Mastrocinque („Vorbestraft!“) wurde das noch komplett in Schwarzweiß gedrehte Gothic-Gruseldrama „Ein Engel für den Teufel“ aus dem Jahre 1966, das die Hauptrollen mit Barbara Steele („Die Stunde, wenn Dracula kommt“) und Anthony Steffen („Die blutigen Spiele der Reichen“) besetzen konnte.
Italien, gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Restaurator Roberto Merigi (Anthony Steffen) wird in ein Dorf gerufen, um eine Statue zu restaurieren, die man kurz zuvor aus dem See gefischt hat. Die Statue zeigt eine Vorfahrin der Montebrunos, die noch immer die Villa in der Nähe des Sees bewohnen. Um die Statue rankt sich eine ebenso gruselige wie tragische Geschichte: Die Cousine der abgebildeten Montebruno war seinerzeit in den Bildhauer verliebt, welcher sie jedoch abwies. Voller Wut und Trauer verfluchte sie die örtlichen Männer und stürzte die Statue in den See, wobei sie unabsichtlich selbst den nassen Tod fand. Aus diesem Grund betrachten die abergläubischen Dorfbewohner den Fund mit Argwohn und Angst. Kurz nach seiner Ankunft lernt Merigi die Montebruno-Nachfahrin und -Erbin Harriet (Barbara Steele) kennen, die gerade aus England eingetroffen ist und der Statue zum Verwechseln ähnlich sieht. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen, denn er verliebt sich in sie – während eine unheimliche Mordserie über das Dorf hereinbricht und Harriet eine gespaltene Persönlichkeit zu entwickeln scheint. Sie treibt einen Mann nach dem anderen in den Wahnsinn, indem sie auf dominante Weise Spielchen mit ihnen treibt und sich zeitweise selbst Belinda nennt. Steht sie unter dem Eindruck von Belindas Geist? Wurde der Fluch grausame Realität?
In bemüht klassischem Schwarzweiß-Gothic-Look entfaltet Mastrocinque die Handlung erzählerisch etwas dröge und unnötig sperrig, lässt Barbara Steele jedoch als manipulatives Weibsbild brillieren. Ihre (angedeuteten) sexuellen Handlungen sprengen dabei manch moralischen Rahmen und überschreiten bisweilen gar die Grenze zum Sadomasochismus – als habe Mastrocinque den Genre-Rahmen gewählt, um mehr oder weniger versteckt sexuelle Grenzen auszuloten und Geschlechterklischees zu torpedieren, so kurz, bevor die sexuelle Revolution ihren Weg auch in die Lichtspielhäuser fand. Dieses interessante Spiel mit den Befindlichkeiten des Publikums ist gleichzeitig die Krux des Films, denn angesichts dessen, was nur kurze Zeit später in den schönsten Farben möglich wurde und vom Zelluloid flimmerte, wirkt „Ein Engel für den Teufel“ doch reichlich altbacken und wie ein Relikt aus vergangener Zeit.
Das ist es natürlich auch und sollte gerade bei in vergangenen Jahrhunderten angesiedeltem Gothic-Grusel kein Problem darstellen, doch verlässt sich Mastrocinque indes sehr auf die Steele, ihre ausdrucksreiche Erscheinung und auf verschämte Weise auf ihren Erotik-Faktor, so dass kaum Raum für andere Stilelemente bleibt. Billige Effekthascherei mit einem künstlich wirkenden Gewitter, das mit verdammt hoher Blitzfrequenz immer wieder aufzieht, aber niemanden zu beeindrucken scheint, jedenfalls bewirkt eher das Gegenteil des gewünschten Ergebnisses. Anthony Steffen einmal als Schönling, dem die Damenwelt scheinbar zu Füßen liegt, zu erleben, ist hingegen eine willkommene Abwechslung.
Die betont langsame Erzählweise mit ihrem Rätselraten um den tatsächlichen Zustand Harriets und die Identität des Mörders steht im Kontrast zur hohen Geschwindigkeit, mit der das Rätsel am Ende gelöst wird, was dem Film dramaturgisch nicht sonderlich gut tut und ihn zudem ein gutes Stück weit vom Gothic-Grusel abrücken und in Richtung Giallo tendieren lässt. Rechne ich Stärken und Schwächen des Films gegeneinander auf, komme ich auf glatten Durchschnitt und glaube, dass „Ein Engel für den Teufel“ ein durchaus ambitionierter Film war, an dem der Zahn der Zeit kräftig genagt hat. Barbara-Steele-Fans allerdings dürfte Mastrocinques Film große Freude bereiten!