Snuff trifft Trash
Wenn man gerne Horrorfilme guckt, stösst man irgendwann an seine Grenzen. Oder eher an die des Genres. Von „Braindead“ oder „Tanz der Teufel“ über „Martyrs“ oder „Inside“ bis „A Serbian Film“ oder „Human Centipede“ läuft einem da einiges über den Weg und die Leber, was schockiert, beeindruckt und Spuren hinterlässt, aus was für Gründen auch immer. Irgendwann meint man sie alle gesehen zu haben, manche mag man, manche nicht. Doch sucht man etwas tiefer, findet man dann doch immer wieder ein paar dreckige Geheimperlen aus der zweiten bis vierzehnten Reihe, die immer wieder genannt werden, wenn es um die „bösesten, härtesten und verstörendsten Filme aller Zeiten“ geht. Ein solcher immer mal wieder zwischengeworfener Titel ist „Megan Is Missing“ über eine entführte Teenagerin und die „Gefahren des Internets“. Gegensätzlich zu diesen „nachhaltig verstörten“ Stimmen hört man über diesen Found Footage-Fiesling aber mindestens genauso häufig Sachen wie „schlechtester Film überhaupt“ oder „einfach nur peinlich und hässlich“. Was stimmt denn nun?
Beides, würde ich mal frech behaupten. Die Darsteller kann man kaum als gut bezeichnen, selbst in ihren besten Momenten, der Look kann (wenn auch beabsichtigt) wahrscheinlich Augenkrebs verursachen, die Dialoge sind lächerlich und die gesamte erste Hälfte der 80 Minuten ist schwer auszuhalten und nur generische, maue, zähe Exposition. Zum Teil ist das echt übel. Doch was dann kommt, drehte das Ding und meinen Magen gleich mit, wird seinem Ruf doch noch gerecht. Da gibt es ein paar Bilder und Sequenzen, die wahres Alptraumfutter sind. Von einer ausgedehnten Vergewaltigung in Echtzeit über zwei ekelhafte Standfotos bis zu einem unvergesslichen Blick in eine Plastiktonne. Das ist dann wieder die Sorte übel, für die man eigentlich gekommen war und die man nicht allzu oft sieht. Solche Sachen lassen nicht gut schlafen und bleiben bei einem, überstrahlen die vorangegangen groben Schwächen, Fehler und Tadel völlig. Da bleibt einem die Spucke weg, da macht man leiser, weil man Angst hat, die Nachbarn könnten was Falsches denken. Die Art von Erlebnis, nach der man auch um 2 Uhr nachts am liebsten noch eine Komödie gucken würde, um seinen Kopf und seine Gedanken wieder etwas frei zu bekommen. Wirklich realistisch würde ich all das nicht bezeichnen, irgendwo zwischen „Blair Witch Project“, „Searching“ und „The Seasoning House“, aber es macht seine Aussage und Warnung überdeutlich klar. Und Filme dürfen bzw. müssen manchmal über die Strenge schlagen. Ob die heutige Jugend wirklich derart leichtgläubig und doof ist, sei mal dahingestellt. Ein Schlag in die Magengrube und ein Ausflug in die dunkleren Regionen unserer alles andere als harmlosen Gesellschaft und des menschlichen Verstandes ist es aber allemal. Diesem wird auch fast alles überlassen, was das Ganze noch intensiver und persönlicher macht. Unsympathische Figuren und fragwürdiges Verhalten wird da irgendwie zur Nebensache, B-Note. „Megan Is Missing“ ist alles andere als perfekt, aber verdammt effektiv, nachdenklich stimmend und mit einer tiefschwarzen Seele.
Fazit: einerseits dilettantisch, überzogen, lahm, unschön, fast schon zum Fremdschämen. Andererseits heftig, verstörend, krank, pervers, warnend und schockierend. Schwere Sache. Übles Ding. In mehrerlei Hinsicht. Die erste Hälfte ist richtig schlecht. Die zweite Hälfte dreht einem dann aber lang anhaltend den Magen um. Hat mich mitgenommen, ich will nicht lügen. Wäre er doch nur cleverer inszeniert und besser gespielt... Dennoch: ein (polarisierender) Schocker. Ein Internet Nasty für die Generation Skype.