Abseits des Versuchs seines knifflig-komplexen Plots sich in Sachen ausgetretener Plotpfade ein wenig vom Genreeinerlei zu lösen, bleibt „Chamaco“ dann leider doch ohne eigene Akzente im stark vertretenen Mittelmaß des Italowesterns hängen, wozu sicherlich auch der hier als Hauptfigur angedachte Chamaco-Darsteller Antonio De Teffè („Django und Sartana, die tödlichen zwei“, „Ein Fressen für Django“) seinen nicht unwesentlichen Teil beiträgt. Ohnehin aus der zweiten Reihe stammend und als Franco Nero – Kopie noch meist eine brauchbare Figur machend, agiert er hier nun völlig austauschbar.
Vor dem Hintergrund der mexikanischen Revolution verfängt „Chamaco“ den Zuschauer in ein wahres Geflecht einmal mehr nicht grundsätzlich ehrlicher Figuren, die, um den Erfolg der eigenen Ziele bedacht, lügen, hintergehen und unaufrichtig sind.
Weil aus den amerikanischen Armeebeständen Massen an Gewehren verschwinden, die dann von halbseidenen Waffenhändlern an die mexikanischen Revolutionäre verschachert werden, hat das U.S. – Militär Bedenken, dass es als Mittäter verdächtig werden könnte und schickt deswegen Captain Morrison (De Teffè), ausgestattet mit der Tarnidentität des berüchtigten, im Gefängnis sitzenden Revolverschützen Chamaco, an den Krisenherd, damit er das illegale Treiben ein für alle mal unterbindet.
Dieser Undercover-Aspekt ist zunächst einmal interessant, wird aber schon bald zusehend aufgeweicht. Weder die sich anbahnende Romanze zwischen Chamaco und der hübschen Mercedes Hernandez (Luisa Baratto, „Scarletto - Schloß des Blutes“, „Die Satansbrut des Colonel Blake“), die als Nichte des Revolutionsführers El Santo (Howard Nelson Rubien) dem Fremden bei seiner Ankunft sogleich vertraut und damit entscheidend zum Erfolg seiner Infiltration beiträgt und auch nicht Santos misstrauische Hand Vilar (Paraderolle für Fernando Sancho, „Django der Bastard“, „Sartana - Bete um Deinen Tod“), der gern sein eigenes Süppchen kocht und Chamaco als bereits früh als Spion auszumachen glaubt, kann so recht den Zuschauer für sich gewinnen.
Das Gegenteil gilt dementsprechend leider auch für das mexikanischen Militär, das darauf bedacht ist, die Revoluzzer im Zaum zu halten und sei es mit Massenexekutionen, nicht.
Im Sammelsurium der beteiligten Parteien sucht man vergebens nach einer Bezugsperson für die man sich gern entscheiden würde. Dabei haben genreverwandte Stoffe solche Probleme eigentlich selten, obwohl die Grenze zwischen Gut und Böse sich dort auch kaum noch erkennen lässt.
„Chamaco“ kämpft zunehmend mit seiner Überladenheit ohne mal einen Schwerpunkt zu bilden und den Zuschauer sich orientieren zu lassen. Bis hin zu den nur sekundär auftretenden Waffenhändlern, vertritt sich hier einiges die Beine, doch auch weil kaum kurzweilige Actionpassagen von Regisseur Leopoldo Savona („Von allen Hunden des Krieges gehetzt“, „Spiel dein Spiel und töte, Joe“) zumindest vorübergehend für Abwechslung sorgen, bleibt der Unterhaltungsgrad eher mau.
Währenddessen wechseln unerklärlich die Motivationen, was vor allem bei Vilar, der nicht weiß was er will, mal aufbegehrt und beleidigt abzieht, sich dann wieder eingliedern will, nur um wieder von vorn ohne rechten Entschluss durch den Film zu wanken, auffällt.
Dabei wäre es sicherlich auch von Vorteil für Morrison gewesen, wenn man das mexikanische Militär über seine Mission informiert hätte, oder noch besser sich mit ihnen abgesprochen hätte, womit man sich einige Leichenberge letztlich ersparen hätte können.
Auch wenn der bisweilen treibende, gute Score von Berto Pisano („Patrick lebt!“, „Zombie III - Die Rückkehr der Zombies“) der lahmen Fotografie sichtlich gut tut und man als Zuschauer zumindest ansatzweise herumknobelt, ob und wie Morrison seine Mission noch in Frage stellt, ihn die eigenen Gefühle leiten werden oder die regelmäßig im Raum stehende und dann tatsächlich anstehende Enttarnung dem eigentlich transparenten Szenario noch unbekannte Seiten abgewinnen kann, stellt sich kerniges Italowestern-Vergnügen nie ein.
Zumindest lässt es Savona dann zum Abschluss noch gewaltig knallen, wenn im Kampf um die Waffen die Gatlings ausgepackt werden und sich Revoluzzer mit Dynamit zu Kamikazeaktionen hinreißen lassen, woraus dann umherfliegende Strohpuppen resultieren.
Gestorben wird effektiv auf beiden Seiten und schmerzlichen Verlust gibt es oben drauf. Das Finale kann nicht für den sich ständig verzettelnden und auch viel zu viele Figuren bedienenden Rest des Films entschädigen, entlässt den Zuschauer aber zumindest ohne größere Verärgerung zurück.
„Chamaco“ hat also eine Vielzahl von Defiziten, wobei natürlich hauptsächlich sein herausstechendes Merkmal der fehlende Charakter ist, denn in der Gesamtbetrachtung springt das Mittelmaß einem doch von allen Seiten entgegen. Weder der nun wirklich nicht interessante Plot, noch die gerade mal soliden Darsteller und auch die bis zum Ende eigene Akzente vermissen lassende Inszenierung zieht hier Augenbrauen nach oben.
Fazit:
In vollem Umfang etabliert sich „Chamaco“ als uninteressanter, streckenweise sogar langweiliger Italowestern, dessen versuchte Komplexität sich an einer Vielzahl von Figuren aufreibt, deren Handeln sich ein ums andere mal nicht ganz nachvollziehen lässt. Ohne Sympathie und Antipathie verteilen zu können, sitzt der Zuschauer ausgesperrt außen vor und beobachtet halb gelangweilt das muntere Treiben. Sicherlich kein Ausfall, jedoch ohne Argumente, die ein erneutes Anschauen rechtfertigen.