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"2012" beginnt mit einem Blick aus dem All auf die Erde, die nur als winziger Punkt in der Ferne zu erkennen ist, während starke Sonneneruptionen im Vordergrund das Bild erhellen - als würden Aliens die Erde aus großer Entfernung beschießen. Doch Ausserirdische kommen in "2012" genauso wenig vor, wie die Folgen der Umweltverschmutzung in "Day after tomorrow" - diesmal ist die Sonne nach 64 Millionen Jahren einfach mal an der Reihe oder wie sagt der Dinosaurier in Charlie Frosts (Woody Harrelson) Trickfilm so anschaulich "schon wieder!"

Natürlich gibt es auch hier die bekannten Stereotypen aus Emmerichs Katastrophen-Panoptikum - die Wissenschaftler, die frühzeitig die schrecklichen Entwicklungen voraussehen, die arroganten Führungskräfte, die zuerst davon nichts wissen wollen, und der amerikanische Präsident, der letztlich die richtigen Entscheidungen trifft. Doch Emmerich hält sich mit diesen Abläufen in "2012" nicht lange auf, lässt Adrian Helmsley (Chiwetel Ejiofor), den verantwortlichen Geologen, kurz von Stabschef Carl Anheuser (Oliver Platt) sprachlich abwatschen, bevor dieser sofort die Gefahr erkennt und sie zusammen zum Präsidenten (Danny Glover) laufen, der ohne zu zweifeln gleich die G8-Mitgieder informiert. Bis 2012 sind es nur noch drei Jahre und es gilt die menschliche Rasse zu retten. Die genauen Planungen erläutert Emmerich dabei nicht, lässt aber kleinere Informationen durchsickern, wie etwa den Erwerb von Plätzen für eine Milliarde Euro pro Person oder den Anschein geheimnisvoller Tätigkeiten im Himalaya-Gebirge.

Nach dieser Eingangssequenz wechselt die Handlung unmittelbar ins Jahr 2012 und bereitet damit den Nährboden für die große Katastrophe. Allerdings nicht, ohne zuvor noch die Hauptperson vorzustellen, die sich durch die irren Ereignisse schlagen muss. Diesmal darf John Cusack als Jackson Curtis den Menschen mimen, der zusammen mit seiner Patchwork-Familie (seine Frau Kate (Amanda Peet) ist von ihm geschieden und wohnt mit ihren Kindern Noah und Lilly bei ihrem neuen Freund Gordon (Thomas McCarthy)) das individuelle Opfer abgibt, während Milliarden Tote anonym im Chaos untergehen.

Deutlich ist daran wieder zu erkennen, dass die Charakterisierung seiner Protagonisten nicht zu Emmerichs Stärken gehört. Jackson ist eine Art heruntergekommener Lebenskünstler, der seine Familie zu kurz kommen liess, weshalb ihn seine Frau verliess, sein Sohn nicht achtet und seine kleine Tochter ihn trotzdem liebt. Das im weiteren Geschehen diese familienpolitischen Fehlentwicklungen wieder korrigiert werden, ist schon ausgemachte Sache, aber erst einmal begegnet Jackson während seines Zelturlaubs im Yellowstone-Park der entscheidenden Figur des Films - Charlie Frost, einem langhaarigen Spinner, der nicht nur die gesamte Situation durchschaut, sondern auch weiß, was die Regierung plant. Harrelson macht in dieser Rolle genau das, was auch der Betrachter von "2012" tun sollte - er freut sich wie ein kleines Kind auf die kommende Katastrophe.

Denn während Jackson sich im Yellowstone-Park noch darüber wundert, warum der See zu einem Tümpel mit kochendem Wasser geworden ist, nimmt Emmerich in dessen kalifornischer Heimat langsam die Zivilisation auseinander und beginnt folgerichtig in einem großen Supermarkt. Als Jackson, nachdem er seine Kinder wieder bei ihrer Mutter abgeliefert hatte, in seinem Job als Chauffeur einen russischen Milliardär (Zlatko Buric) nebst aufgepeppter Blondine und zwei dicklichen Söhnen zum Flughafen fährt, durchschaut er die Gefahr, ordert schnell eine kleine Propellermaschine und holt seine Familie, samt neuem Freund ab, um sie zu retten.

Ab diesem Zeitpunkt ist erst einmal Party -Time in "2012". Geschickt vernichtet Emmerich die Erde von verschiedenen Gesichtspunkten aus - mal steht der Präsident plus Anhang im Mittelpunkt, dann zwei ältere Musiker auf einem großen Kreuzschiff oder ein buddhistischer Priester im Himalaya. Es geht dabei einzig um die unterschiedlichen Vernichtungsarten, bei denen diverse Nebenfiguren mit einem leicht tränenden Auge abtreten dürfen. Hauptstrang bleibt immer die Curtis - Familie, die auf teilweise aberwitziger Art immer in letzter Sekunde dem Tod entrinnt, während alles um sie herum - optisch hervorragend umgesetzt - zusammen bricht. Ihr Ziel ist das selbe wie der Politiker, der Prominenten oder der Schwerreichen - irgendwo in China, wie sie dank Charlie Frost erfahren haben.

Das Ganze läuft nicht ohne Humor ab, wenn z.B. der italienische Staatschef, der als Berlusconi-Imitat nicht an der Rettung der Regierungschefs teilnehmen, sondern mit dem Pabst in Rom beten will, von der umkippenden Kuppel des Petersdoms begraben wird. Aber letztlich bleibt Emmerich seiner konfliktfreien Erzählweise treu, um nicht in den zwischenmenschlichen Beziehungen ein wesentlich realer vorstellbares Chaos anzurichten. Dabei bietet seine Story dafür genügend Potential, denn das die Auswahl der Überlebenden vom Geldbeutel und der Meinung einzelner Politiker bestimmt wird, hätte zu einer kontroversen, aggressiven Situation führen müssen, bedenkt man, dass zudem jeder Mitwisser überwacht und gegebenenfalls ermordet wurde, wenn er etwas ausplaudern wollte.

Stattdessen opfert Emmerich nur die üblichen Verdächtigen und beschwört am Ende so sehr die Solidarität der Menschen untereinander, dass man fast dabei vergessen könnte, dass es sich bei den zu diesem Zeitpunkt noch Anwesenden, fast ausschließlich um reiche oder prominente Personen handelt - die "normalen Bürger" kannten dieses Ziel gar nicht. Auch wenn der Wunsch verständlich ist, noch ein Funken Hoffnung im allgemeinen Chaos entstehen zu lassen, so schadet Emmerich seinem Film damit letztendlich. Es ist nicht nur der erzkonservative Gestus der hier heraufbeschworenen Zukunftsstrukturen, sondern der Verlust des Spielerischen, der lange Zeit den Film bestimmt (5,5/10).

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