Review

Zwei amerikanische Studentinnen touren quer durch Europa. Beim Stopp in Deutschland verfahren sich die beiden auf dem Weg zur Party und haben auf einer verlassenen Waldstrasse eine Reifenpanne. Die beiden stoßen auf ein abgelegenes Haus, in dem der wohl genialste, aber auch bizarrste Chirurg, den Deutschland zu bieten hat, wohnt. Er hegt den abstrusen Plan, aus verschiedenen Körpern eine Art menschlichen Tausendfüßler zusammenzunähen. Und die ersten Opfer hat er dafür schon gefunden…


Wieder einmal bekommt man es mit einem Film zu tun, der die zwiespältigsten Gefühle in einem selbst auslöst, bietet das Werk von Tom Six doch eine Grundidee, die von vielen Leuten als innovativ-von anderen lediglich als absolut krank und abartig angesehen wird. Die Wahrheit liegt sicherlich irgendwo in der Mitte und so kommt es in vorliegendem Fall ganz extrem auf die jeweilige Sichtweise des Zuschauers an, um diesen Film einigermaßen objektiv zu bewerten. Man könnte sich die Sache auch relativ einfach machen und die Hauptfigur Dr. Heiter als eine Art modernen Frankenstein ansehen, jedoch erscheint das hier vorgenommene Experiment so dermaßen abwegig und pervers, das man den guten alten Dr. Frankenstein damit richtiggehend beleidigen würde. Schon die Grundidee der Geschichte hier einen menschlichen Tausendfüssler zu erschaffen, erzeugt bei einem ein Gefühl von Ekel und Abscheu und genau daraus bezieht das Geschehen dann auch seine ganz eigene Faszination. Im Gegensatz zum 2011 erschienenen Nachfolger "The Human Centipede 2" hält man sich hier nämlich im Bezug auf visuelle Härte recht vornehm zurück und präsentiert lediglich einige wenige etwas blutigere Einstellungen. Stattdessen legt Tom Six das Hauptaugenmerk auf die psychische Wirkung seines Szenarios, die einem dann auch durchgehend äußerst stark unter die Haut geht.

So wird beispielsweise die notwendige Operation nur ansatzweise ins Bild gerückt und man bekommt erst das Endprodukt serviert. Damit entsteht dann jedoch ein so immenser Härtegrad im Kopf des Betrachters, der jede explizite Gewaltdarstellung um ein Vielfaches übertrifft. Der Versuch, sich in die makabere Situation der Opfer hinein zu versetzen gelingt fast spielend, so das man sich selbst in die Opferrolle begibt, was die Intensität des Gesehenen noch zusätzlich unterstützt und ein extremes Gefühl der Beklemmung auslöst. Die schier unerträglichen Schmerzen der Protagonisten vermeint man am eigenen Körper zu spüren und die aussichtslose Lage hämmert sich wie in Stein gemeißelt in das eigene Hirn. Hinzu kommt die Darstellung eines Dieter Laser, der die Rolle des psychophatischen Chirurgen auf eine Art und Weise interpretiert, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Der aufkommende Wahnsinn offenbart sich dabei in Mimik-und Gestik, insbesondere der fanatische Gesichtsausdruck des Mannes sorgt für eine ganzzeitig vorhandene Gänsehaut und lässt die Ereignisse äußerst hart-und brutal erscheinen. Die Abartigkeit des Experimentes braucht überhaupt keine Unterstützung durch visuelle Härte, die Vorstellungskraft des Zuschauers ist nämlich vollkommen ausreichend, um hier den absoluten Horror zu entfachen, der mit der Wucht eines Dampfhammers auf einen einprügelt.

Es ist im Prinzip vollkommen egal wie man zu diesem Film steht, Tom Six ist es auf jeden Fall erstklassig gelungen ein Szenario zu schaffen, das einen in eine Strudel der Abartigkeit und Perversion hineinzieht, aus dem man sich unmöglich befreien kann. Obwohl man vom Geschehen angewidert ist, kann man seinen Blick nicht vom heimischen Bildschirm lösen und erliegt der grausamen Faszination einer Geschichte, die einen sehr nachhaltigen Eindruck im Gedächtnis hinterlässt. Dabei ist es vor allem der tiefe Einblick in die dunklen Abgründe einer menschlichen Seele, der einem am meisten zu schaffen macht. Die hoffnungslose Situation der Opfer tut ihr Übriges, um hier Ekel und Abscheu aufkommen zu lassen, die Ungläubigkeit über das Gesehene verwandelt sich dabei immer mehr in eine Art Schockzustand, aus dem es bis zum bitteren Ende kein Entkommen gibt. Phasenweise fühlt man sich wie paralysiert und kann im Prinzip keinen klaren Gedanken fassen, zu stark wird man in den Sog der Ereignisse hineingezogen und kämpft gegen den aufkommenden Ekel an, der durch die eigene Vorstellungskraft immer wieder aufkommt.

"The Human Centipede" gehört meiner Meinung nach zu den Filmen, die man nur schwerlich als gut oder schlecht einstufen kann. Einerseits ist man wirklich von der Geschichte angewidert und stellt sich immer wieder die Frage, wie krank doch das Gehirn des Regisseurs sein muss, um überhaupt auf eine so abartige Idee zu kommen, andererseits geht vom Geschehen eine so eigenartige Faszination aus, das man den Blick unmöglich abwenden kann. Ganz bewusst wurde hier auf übermäßige visuelle Härte verzichtet und auf die psychische Wirkung gesetzt, die sich wie ein freigesetzter Virus immer tiefer im Kopf des Betrachters festsetzt. Die dabei entstehenden Gefühle sind extrem intensiv und man ist hin-und her gerissen zwischen Schockzustand, Ekel und Abscheu. Ob man sich dieses Werk unbedingt mehrmals anschauen muss wage ich zu bezweifeln, einen Blick ist die Geschichte jedoch auf jeden Fall wert.


Fazit:


Immer wieder gibt es Horrorfilme, die über das Normale hinausgehen und "The Human Centipede" zählt in meinen Augen ganz eindeutig dazu. Der hier dargestellte Horror offenbart sich insbesondere im Kopf des Betrachters und braucht keine großartigen SFX, um seine volle Wirkung zu erzielen. Wer darauf erpicht ist, sollte sich unbedingt den zweiten teil anschauen, der in dieser Beziehung weitaus mehr zu bieten hat. Hier jedoch wird hauptsächlich äußerst intensives Kopf-Kino geboten, das einen gut 90 Minuten lang so intensiv bearbeitet, das man eine geraume Zeit braucht, um das Gesehene erst einmal sacken zu lassen, bevor man wieder zur Normalität übergehen kann.


7/10<!-- google_ad_section_end -->

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