Filmkritik SAW VI (US-unrated Fassung)
DIE UNENDLICHE GESCHICHTE geht weiter, mittlerweile in die - natürlich nicht letzte - 6. Runde. Der höchstgradig pathologische Pseudo-Weltverbesserer - im wahrsten Sinne des Wortes krank im Kopf - weilt zwar schon lange (mehrere Filme) nicht mehr unter den Lebenden, doch sein(e) Scherge(n) bzw. Bru(e)der im Geiste führ(t)e(n) sein Werk mit Force und Fortune unaufhaltsam fort.
Die Namen der Produktionsfirmen passen dabei wie die Faust aufs Auge: ''Twisted (pervers, verdreht) Pictures'' und ''A Bigger Boat'' - das symbolische Boot, in dem die durch Selbstjustiz (hin)gerichteten Opfermassen blutig aus dem Leben scheiden, wird wahrlich von Film zu Film größer.
Die in der OFDB weit verbreitete Meinung vieler User, die von „Aufschwung" oder gar „bestem Teil der Serie" schwärmen, teile ich mit keiner einzigen Silbe. Der Fallen-Film ist zur Film-Falle geworden, wobei die Salami-Taktik des Studios in finanzieller Hinsicht perfekt aufzugehen scheint: In jedem Film wird ein weiterer Aspekt beleuchtet, erhellt, preisgegeben, präzisiert oder aufgedeckt. Zudem werden neue Charaktere eingeführt, alte aufgepeppt oder vermeintliche Randfiguren krampfhaft in den Mittelpunkt gezerrt, was sich mittlerweile an Absurdität und Verworrenheit gegenseitig übertrumpft. Der blutrünstige, todestreibende Trend setzt sich dahingehend fort, dass bei den - nennen wir es mal Prüfungen - meistens mindestens mehr als die Hälfte der Auserwählten aus dem Leben scheiden. Der Prozentsatz kann geringfügig nach oben oder unten variieren. Fairness und Sportsgeist - falls jemals vorhanden im Franchise - verabschieden sich spätestens, wenn ein stattlich beleibter Mann gegen eine unterdurchschnittlich genährte junge Frau zum Fleischabschneiden -Turnier antritt.
Der unverhöhlbare Sadismus, der sich im aktuellen Machwerk unverkennbar breit macht, zeigt sich an den markerschütternden Todeskämpfen und Überlebensflehen, die größtmöglichst und - mittendrin statt nur dabei - ekelerregendst zelebriert werden.
Doch das Skalpell ist stumpf, die Säge abgewetzt. Die Fallen verlieren ihren Reiz. Mittlerweile wiederholen sich sogar die tödlichen Werkzeuge - für viele der Hauptgrund des „Filmvergnügens" - wahrhaftig ein Armutszeugnis. Erhängt, erschlagen oder mit der Schrotflinte erschossen zu werden, stellt für Gorehounds und Spläddahkiddies heuer wirklich keine Überraschung mehr dar. Lediglich der Thorax - Quetscher und der kombinierte Messer - Säure - Mord bieten ein bisschen Abwechslung.
Die ewig gleichen Verliese, Industriehallen, Mauerkomplexe und Gitterkäfige öden einfach nur noch an, könnten genauso gut aus irgendeinem anderen SAW - Teil stammen.
Der Jigsaw-Killer ist mittlerweile auch so bekannt bei den Opfern, dass bereits ein Wiedererkennungs-Effekt stattfindet (oder war das schon in SAW V? Dann müsste es im 6. Teil erst recht passieren).
Dass die inzwischen auf eine mittlere Kleinstadt angewachsene Opfer-Population, die mehrere Quadratkilometer fassenden Industriekomplexe und die Fabrikhallen füllenden Gerätschaften, die bisher von Jigsaw und Konsorten vereinnahmt wurden, nicht zur Zurückverfolgung und Ergreifung reichen, grenzt veritabel an Wirklichkeitsverlust.
Leider halten sich auch Dramaturgie wie Innovation des neuesten SAW-Abklatsches in Grenzen, da von vorneherein klar ist, dass die Hauptperson zumindest bis zum Ende des Timers überleben muss - sonst wäre der Film sofort sinnlos. Der Reiz liegt dann doch eher in der Schicksals-Schlinge, die sich um den Hals des geschleimten Gesichtsspecks, der offenbar Mimik - Unterricht und Ernährungs - Coaching bei Herrn Steven Seagal - Spitzname Hamsterbacke - genommen hat, zieht.
Die restlichen Figuren füllen nur die Mörder - Zeit aus und dienen bestenfalls als Beiwerk oder kurz - fristendes Kanonenfutter.
Die von vielen zwanghaft - neurotisch hineininterpretierte Sozialkritik - oder zumindest des amerikanischen Gesundheits - und / oder Versicherungssystems - kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.
Durch die unverhältnismäßige, unbarmherzige und übermäßige Brutalität, sadistische Inszenierung und höchst fragwürdige Moralvorstellung werden die - bestenfalls in plumpen Ansätzen gereifte - Gesellschaftskritik nicht nur kontraproduktiv umgesetzt, sondern sogar ironischerweise konterkariert. Der sittlich - pädagogische Anspruch, den man Kramers Greueltaten mit viel Liebe noch zumindest ansatzweise andichten durfte, geht durch die persönliche Rache und das in Wahrheit wahllose Töten vieler Unschuldiger nun vollends flöten. Diese Diskreditierung seiner selbst war wohl von den Schöpfern des nunmehr 6. Aufgusses fahrlässig einkalkuliert, da der Großteil der unbelehrbaren Jigsaw - Jünger, beratungsresistenten SAW - Fans und untherapierbaren Gewaltjunkies sich von ethisch-moralischen Grundsätzen in Bezug auf ihr Medienkonsumverhalten sowieso nicht leiten lässt.
Daher appelliere ich also an alle Menschen mit etwas Vernunft und Grips im Hirn sowie alle Normalzuschauer, sich Kinobesuche, Ausleihen und Käufe derartiger filmischer Auswüchse genauestens zu überlegen.