Review

Never change a winning team, so heißt die gute, alte Devise.
Insofern ist es ein wenig schade, daß der Austausch von Drehbuchautoren und Regisseur aus einer Erfolgsformel etwas eher Beliebiges machen, aber nun nicht mehr zu ändern.
"Verdammnis" ist der zweite Teil der "Millenium"-Trilogie des Autors Stieg Larsson rund um den investigativen Wirtschaftsjournalisten Mikael Blomkvist und die punkig-exzentrische Rebellin Lisbeth Salander - zumindest soweit Larsson vor seinem frühen Herztod noch schreiben konnte (ursprünglich hatte er wohl eher 10 Romane im Sinn). "Verblendung" - im Oktober 2009 gestartet, erwies sich als qualitativ hochwertige, weil sehr gut besetzte Verfilmung des Debutromans rund um ein Familiengeheimnis und psychologisch motivierte Serienmorde. Die Komplexität des Buches konnte der Film von Niels Arden Oplev nicht einfangen, verdichtete die zunehmend düstere und beklemmende Atmosphäre jedoch zu einem finsteren, abgründigen Film, der aus dem Gothic-Punk-Dropout Salander eine neue Art wortkarger Heroin machte.

Die weiteren Bücher, "Verdammnis" und "Vergebung", spinnen das Garn weiter und hängen inhaltlich eng zusammen, sind praktisch zwei Teile einer Geschichte, die sich mehr in die persönlichen Belange Lisbeth Salanders und ihre Familiengeschichte vertieft, die sich mit ein paar Rückblenden in "Verblendung" schon andeuteten.
Doch wie das mit Mittelteilen nun mal so ist, es muß eine Brücke geschlagen werden und die Eigenständigkeit des ersten Teils eines Zweiteilers muß gewahrt werden, sonst schwimmt der Film im Nirgendwo.
Da wäre jetzt Oplevs feines Händchen für die nötigen Nuancen und den Spannungsaufbau gefragt gewesen, aber Daniel Alfredson, der auch den dritten Teil inszenieren wird, ist leider nicht mit dem gleichen Talent gesegnet.
Es ist kein niveautechnischer Abgrund, der sich hier auftut, aber die Unterschiede sind doch schon sehr signifikant - wirkt der zweite Film dann doch leider eher wie ein ordentlicher Tatort in all seiner fernsehtauglichen Biederkeit. War schon im ersten Film die gewisse cineastische Größe selten vorhanden (immerhin auch nur eine europäische Co-Produktion, u.a. des ZDF), spürt man das bei "Verdammnis" leider in jeder Phase.

Dabei hat man gute Themen bei der Hand: Mädchenhandel, Prostitution, Enthüllungsjournalismus, dann einen Dreifachmord, der noch dazu Salander als Hauptverdächtige zurückläßt. Aus all dem weiß Jonas Frykberg jedoch nicht genug Zusammenhängendes heraus zu destillieren, damit es ein geschlossenes Ganzes wird, zu sehr ist er damit beschäftigt gewesen, die wesentlichen Handlungsstrukturen tauglich aufzubereiten. So muß Noomi Rapace als Lisbeth wieder den ganzen Film führen, ist aber meistens nur als voranschreitender Aktivposten zu sehen, die dann auch schon mal zupackt. Blomkvist, im ersten Roman noch die führende Figur (im Film bereits deutlich reduziert), wankt hier wie Bär Balou durch die Szenerie und scheint bloß nicht vergessen werden zu wollen, während er immer wieder ein paar nötige Zusammenhänge aufdeckt.

Aber die sind eigentlich im fertigen Skript gar nicht so wichtig, denn das Thema Prostitution wird nach einem Drittel komplett fallengelassen, die Enthüllungen zunehmend hintenan gestellt, sobald die Katze von den Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Lisbeth und den Verantwortlichen endlich aus dem Sack ist. Da gibt es dann nur noch erklärende Puzzleteilchen bis zu dem Versuch eines späten Rachefeldzugs der Protagonistin, der im blutigen Fiasko endet, alle übrigen Fäden läßt man unbeantwortet und was noch schlimmer ist, praktisch unangesprochen.
Sobald Lisbeth nur noch als schlagendes Argument und sonst meistens rauchend vor dem PC oder dem Fenster abgebildet wird, stellt sich ein Gewöhnungseffekt selbst bei dieser schillernden Figur ein, eine enttäuschende Verschwendung von Resourcen.

Viel schlimmer wirkt aber die steife Unbeholfenheit in Tempo und Inszenierung. Füller unterbrechen ständig die Handlung, manche Szenen wirken unnötig gestreckt oder sinnlos ergänzt, manches hätte man mit größerem Tempo montieren können.
Der Schnitt ist erschreckend statisch, die Kameraarbeit bestenfalls bieder und Alfredson kriegt es leider mit diesem Skript (das er eher einfach abgefilmt hat) niemals hin, die Dinge auf die Spitze zu treiben, das Tempo beständig zu erhöhen, die Dramatik in die Sache zu speisen. Hier und da ein schockierende Enthüllung, aber sonst dümpelt alles vor sich hin, eine Sequenz mit zwei Nebenfiguren ist praktisch interessanter als die Protagonisten, eine lesbische Sexszene wirkt überflüssig und der Druck der Verfolgung, der rinnenden Zeit, wird niemals wirklich spürbar. Ja, da sind ein paar Polizisten hinter ihr her, aber die wirken ebenfalls so flott und motiviert wie ein Haufen Landschildkröten.
Natürlich hebt man sich den Griff ins Hornissennest (engl. Titel) für den dritten Teil auf, aber bei über zwei Stunden Laufzeit zieht sich hier vieles einfach, was man mit einer Verschlankung durch besseren Schnitt um gut 15 Minuten hätte drücken können oder eben psychologisch geschickter aufwerten, doch mit der schockierenden Familiengeschichte inclusive Psychiatrieaufenthalt und Trauma kann Frykberg mit diesem Potential offenbar nichts anfangen. Und wenn es dann am Ende zur Sache geht und die Familienzusammenführung in Axt und Blut ersäuft, dann scheint diese Szene in einen ganz anderen Film zu gehören.

Nein, "Verdammnis" ist wirklich nicht schlecht - ein guter, solider Krimi ist es geworden, einer den sich Millionen TV-Zuschauer sicher gern am Sonntag abend mit Freuden einpfeifen würden, aber fürs Kino reicht das Talent des Kreativteams leider nicht und das zieht Rapace und den gar nicht so üblen Nykvist leider mit runter. Und als Bestsellerverfilmung tut man auch Larsson posthum keinen Gefallen, die Sache muß einfach größer aufgezogen werden, nicht so beliebig und beiläufig wie hier.
Die innere Finsternis ist leider gewichen, geblieben ist nur solides Handwerk, das natürlich neugierig auf die Fortsetzung macht, weil diverse Enden offen gelassen wurden. Später jedoch wird das eher als Boxset ein Verkaufsschlager, leider! (6/10)

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