Es beginnt in einer dieser Gegenden, die uns dank Hollywood längst vertraut sind: Links wie rechts nur endlose Prärie, umgeben von Weidezäunen, die Straße verläuft scheinbar schnurstracks gen Horizont. Ein paar Steppenläufer wehen vorbei und geben dieser Szenerie endgültig diesen seltsam vertrauten Anstrich. Hier treffen sich zufällig zwei Individuen, die man auf Anhieb in der Kategorie "gescheitert" einordnen würde. Max (Gene Hackman), ein Kleinganove, der gerade sechs Jahre abgesessen hat, und Lionel (Al Pacino), welcher einige Zeit auf See verbracht hat. Schnell bilden beide eine Zweckgemeinschaft und machen sich auf den Weg nach Pittsburgh, wo Max eine Tankstelle eröffnen und Lionel als Geschäftspartner einstellen möchte.
In Wahrheit ist das allerdings komplizierter, als es sich anhört, denn beide Männer sind weder mit übermäßiger Intelligenz gesegnet, noch können sie ihre Vergangenheit so einfach abschütteln. Max' kriminelle Ader kommt immer mal wieder zum Vorschein; so will er Lionel als Mithelfer für einen Raub in einem Bekleidungsgeschäft engagieren, was aber voll in die Hose geht, und lässt sich allzu leicht zu Schlägereien hinreißen, was beiden dann auch eine kurze Haftstrafe einbringt. Im Gegensatz zu Max kann sich Lionel immerhin noch mit Leuten arrangieren und ist viel extrovertierter als der grimmige Eigenbrötler Max, doch genau dies wird ihm in der Haftanstalt beinahe zum Verhängnis und führt dazu, dass beide nach kurzem Disput doch wieder zueinanderfinden.
Die grundsätzliche Lebenseinstellung beider Hauptfiguren wird schon recht bald im Film mithilfe des "Vogelscheuchen"-Motivs geklärt (daher ist der Originaltitel "Scarecrow" auch viel passender als der deutsche); der eher lebensfrohe Lionel ist der Meinung, dass Krähen im Allgemeinen keine Angst vor Vogelscheuchen hätten, sondern lediglich über diese lachen würden. Max weiß nicht, was er von dieser Aussage halten soll, vielmehr kleidet er sich selber wie eine. Analog zu den Krähen fürchten sich die Leute aber keineswegs vor Max, obwohl sie dies ob seiner kriminellen Vergangenheit vielleicht sollten, eher ist es Mitleid, das sein Auftreten erzeugt. Doch einmal, an einer einzigen Stelle, wird Lionels Aussage auf einmal wahr: Die Leute klatschen und johlen über Max, der in einer Bar das Strippen anfängt (gleichzeitig eine der berühmtesten Szenen in Hackmans Karriere) und sein mehrlagiges "Scarecrow"-Outfit ablegt. Im Zusammenhang mit diesem Hauptmotiv ist es sicherlich kein Zufall, dass Regisseur Jerry Schatzberg bereits die überragend fotografierten Auftaktszenen in einer Gegend spielen lässt, in welcher beide Protagonisten wie Vogelscheuchen wirken.
Bittere und komische Momente (z.B. die denkwürdige Polonaise, angeführt von Lionel) wechseln sich auf der Odyssee von Max und Lionel ab, stets unterlegt von treibenden Blues-Klängen. Aber irgendwann dämmert es einem, dass die Geschichte kaum positiv enden kann: Zu sehr sinniert Max von einer tollen Zukunft, ohne seinen Worten Taten sprechen zu lassen; zu sehr verstrickt sich Lionel in naiven Träumereien. Der Knackpunkt ist schließlich der geplante Besuch bei Lionels Kind, welches er noch nie gesehen hat, ja von dem er noch nicht einmal weiß, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Der Zuschauer weiß, dass es ein Junge ist, doch die Mutter gaukelt Lionel am Telefon einen Schwangerschaftsabbruch vor. Ob er ihr glaubt, bleibt unschlüssig, denn Max erklärt er, er habe einen Jungen. Sein Geschenk für ihn, eine Lampe, welche er die ganze Zeit über bei sich hatte, lässt er allerdings auf einer Motorhaube liegen und es kommt darauf zur intensivsten Szene des gesamten Films, als Lionels Träume an einem großen Brunnen fließend in Richtung Wahnsinn übergehen, und er in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wird. Der exakte Auslöser für seinen Anfall ist nicht völlig klar auszumachen; es könnte die Gewissheit über das Schicksal seines Sohnes sein, wenn er es denn geglaubt hat; vielleicht ist es auch seine Erinnerung an die möglicherweise glücklichen Tage auf See, als er mit den Kindern "Die Schatzinsel" nachspielt; eventuell ist aber auch alles nur eine großes Hirngespinst Lionels, und er ist nie auf See gewesen, sondern hat sich schon immer bloß seinen Tagträumereien hingegeben. Einen Beweis dafür, dass er mehrere Jahre auf dem Meer verbracht hat, bringt er tatsächlich niemals, man kann höchstens seinen Aussagen Glauben schenken. Überhaupt lässt der Schluss jede Menge Spielraum für Interpretationen, aber etwas Positives wird man aus der letzten Szene nur schwer herausfiltern können, denn die gemeinsame Zeit von Lionel und Max endet voraussichtlich in der Nervenheilanstalt.
Heute ist "Asphalt-Blüten" ein fast vergessener Film, was durchaus ein wenig verwundert. Zwar schleppt der Streifen Probleme mit sich herum, die auch zwei andere Pacino-Filme dieser Zeit hatten ("Serpico", "Dog Day Afternoon"): Die Inszenierung wirkt manchmal spröde und schleppend, Identifikationsfiguren sind rar gesät und genießen kann man den Film nicht, man muss ihn sich vielmehr erarbeiten. Doch das kann eigentlich kein Grund dafür sein, dass eben genannte Werke bei Cineasten noch heute allgegenwärtig sind, während "Scarecrow" die Zuschauer verscheucht hat, wie eine Vogelscheuche die Krähen. Obwohl die doch angeblich darüber lachen sollen. Lachen fällt hier natürlich schwer, aber alleine das Charisma zweier Weltstars in den Hauptrollen trägt diesen toll fotografierten Film mühelos, den man nicht lieben wird, aber dessen Klasse man doch anerkennen sollte.