Da könnte man sich in der ersten halben Stunde schon fast Sorgen machen: Bruce Willis mit blondem Pony und makellosem Weichzeichner-Gesicht?
Nein, es ist nur sein Surrogate, sein Stellvertreter in der schönen neuen digitalen Welt.
Und in dieser hat er eine Verschwörung aufzudecken, glücklicherweise nicht als Roboter, sondern als der kernige, leicht lädierte Ermittler, der uns ähnlich in „16 Blocks“ begegnete.
88 Minuten Laufzeit sprechen natürlich für eine straffe Inszenierung dieses Sci-Fi-Thrillers, doch aufgrund des komplexen Sujets birgt das auch erhebliche Nachteile bezüglich technischer Hintergründe und menschlichen Innenlebens.
Wir schreiben das Jahr 2054: Menschen verlassen kaum mehr ihre vier Wände und sind zuhause mit ihrem Surrogate, einem perfekt ausgeklügelten Roboter verbunden, der draußen alles für sie erledigt.
Demnach ist die Kriminalitätsrate stets gesunken, doch als ein Doppelmord an zwei Surrogates aufgeklärt werden soll, befinden sich die FBI-Ermittler Tom Greer (Bruce Willis) und Agent Peters (Radha Mitchell) erst am Anfang einer langen Kette…
Das Thema Realitätsflucht hat in den vergangenen Jahren deutlich an Aktualität gewonnen, nicht erst seit „Second Life“. Hat man sich vor Jahrzehnten über „Pac Man“ am C64 gefreut, ist es heutzutage normal, mit Freunden virtuelles Tennis zu spielen oder einen halben Krieg im Alleinmarsch zu bestreiten.
Diese Prämisse geht natürlich noch einige Schritte weiter, denn was erwartet uns, wenn wir nur noch daheim hocken und unsere Avatare durch die Straßen ziehen oder in Clubs abhängen? Verletzt werden können wir nicht, aber wie ist es mit Sex, Fortpflanzung, Erziehung von Kindern?
Darauf gibt der Streifen kaum eine Antwort, er schildert die Welt als bereits fest etabliert, als Alltäglichkeit, die einige Menschen dazu brachte, in ein Reservat zu ziehen, welches im Kontrast zur durchgestylten virtuellen Welt tatsächlich wie das wahre Leben aussieht und dadurch sogar eine stille Form von Sozialkritik vermittelt.
Ansonsten ist die Story schlicht gestrickt: Zwei Roboter werden mit einer ominösen Strahlenwaffe ermordet, dadurch sterben jedoch auch ihre Operator, also die dazugehörigen Menschen. Einer davon ist der Sohn des Surrogates Erfinders, da kann es kaum ein Zufall sein, dass auch die Army ihre Finger im Spiel hat…
Einige Figuren erscheinen durchaus ambivalent, gerade in Bezug auf den Helden Greer, der zunächst per Surrogate ermittelt und man sich wundert, welch derart wuchtige Sprünge und Klettertouren dieser menschlich wirkende Roboter bei einer Verfolgung vollführt.
Erst als Greer suspendiert wird, muss er feststellen, wie unmöglich es erscheint, sich in einer Welt aus ferngesteuerten Robotern zurechtzufinden, zumal er seine Frau nach dem Verlust des Sohnes kaum mehr zu Gesicht bekommt, nur noch ihr elektronisches Plagiat.
Besonders während dieser emotionalen Momente ist es gut, einen wie Willis im Mittelpunkt zu haben, der jene innere Zerrüttung mit wenigen Szenen gut auf den Punkt bringen kann, auch wenn man hier noch etwas mehr Tiefe vermisst.
Denn auf der Ebene des reinen Thrillers tun sich gegen Ende doch einige Klischees auf, die auch nicht durch das gelungene Ratespiel Surrogate/realer Mensch kaschiert werden können.
Zu simpel und gleichermaßen leicht pathetisch löst man am Ende das Rätsel, obgleich die letzten Szenen eine gewisse Wucht beinhalten, deren nähere Beschreibung zuviel preisgeben würde.
Auf visueller Ebene verläuft die Geschichte fast unauffällig, auch wenn gewisse Parallelen des Regisseurs Mostow zu seinem „Terminator 3“ auszumachen sind, gerade in Bezug auf „verletzte“ Surrogates.
Die Schauplätze bieten allerdings kaum Schauwerte und die Action ist eher rar gesät mit zwei, drei Verfolgungsjagden und schick festgehaltener Akrobatik der technisch ausgereiften Roboter in menschlicher Gestalt. Lediglich die auffällig gute Maske ist positiv hervorzuheben, denn der Surrogate von Willis sieht beispielsweise gleich zwanzig Jahre jünger aus, mal abgesehen von der grausamen Frisur. Gleiches gilt für Film-Ehefrau Rosamund Pike, die ebenfalls in einer Doppelrolle fungiert und dabei total kontrastreich in Szene gesetzt wurde.
Im Endeffekt ist „Surrogates“ vor allem ein Streifen, der aufgrund seiner spannenden Grundidee punktet, bei dem man jederzeit eine irre Wendung erwartet, weil die futuristische Atmosphäre ohnehin von Beginn an vorherrscht und als gegeben kaum mehr hinterfragt wird.
Daraus leitet sich final jedoch lediglich ein simpler Verschwörungsthriller im Sci-Fi-Gewand ab, der zwar dauerhaft unterhält, seine Komplexität aber nicht in allen Belangen unter einen Hut zu bringen weiß.
Da wünscht man sich als Vielseher ausnahmsweise mal eine doppelt so lange Laufzeit….
Knapp
7 von 10