Review

Mit „Warum mußte Staatsanwalt Traini sterben?“ schlossen Damiano Damiani („Töte Amigo“, „Amityville II: The Possession“) und sein Hauptdarsteller Franco Nero („Django“, „Keoma“) ihre vier Filme umfassende Erfolgsreihe brisanter Politthriller souverän ab, obwohl dem letzten gemeinsamen Projekt nach einer dreijährigen Schaffensphase ein wenig die unbequeme Bissigkeit abgeht, die Damianis kritische Werke so unnachahmlich auszeichnet. Korruption und der allmächtige Einfluss des organisierten Verbrechens finden sich dennoch auch hier als Anklagepunkte wieder.

Nero schlüpft in die Rolle des Regisseurs und Journalisten Giacomo Solaris, dessen neuester Film einen landesweiten Skandal provoziert. Obwohl er die Namen aller Beteiligten abgeändert hat, stellt er offensichtlich den mächtigen Staatsanwalt Palermos als käufliche Marionette der Mafia dar. Staatsanwalt Traini (Marco Guglielmi) schaut sich den Film, der mit seinem Tod endet, umgehend gelassen an, hört aber nicht auf den Ratschlag seiner Frau Antonia (Françoise Fabian, „Kommissar Maigret sieht rot!“, „Die Rache des Sizilianers“) Solaris zu verklagen. Stattdessen lädt er den Filmemacher zu sich nach Hause ein und bittet ihn zu einer Unterredung unter vier Augen. Solaris zeigt sich erstaunt über die besonnene Reaktion des Mannes und noch mehr die anwesenden Personen bei diesem Gesellschaftsabend. Sie alle sind bekannte Gesichter der lokalen Politik und stehen im Verdacht Dreck am Stecken zu haben.
Wenige Stunden später wird Traini Tod an einer Autobahnraststätte aufgefunden. Genau wie es Solaris’ Film vorhersah...

„Warum mußte Staatsanwalt Traini sterben?“ bildet zwar keinen krönenden Abschluss der hochwertigen Filmreihe, wohl aber noch einmal eine überaus kniffelige Geschichte mit einer sehr bösen Auflösung, wie sie typisch für Damianis Politthriller sind.
Solaris, erst geschockt, dann neugierig und schließlich von der Wahrheit besessen, will unbedingt die wahren Gründe der Ermordung aufdecken und findet sich schnell in einer Position wieder, in der für ihn jeder verdächtig erscheint und gleich mehrfach Motive wie Pilze aus dem Boden schießen. Dabei soll die Auflösung im Endeffekt viel einfacher sein. Solaris’ eigene Moral besiegt ihn schließlich und verhindert am Ende die Möglichkeit in Palermo tatsächlich etwas bewegen. Deshalb steht er zum Schluss auch als alleiniger Verlierer dar, obwohl er es doch richtig meint und am Ende nur Verachtung erntet.

Trotz fehlender Rückendeckung mischt sich Solaris entgegen der Anweisungen des zuständigen Polizisten, der ihm wohlgesonnen ist, in die Ermittlungen ein, weil er sich als Urheber des provokativen Films einerseits schuldig fühlt, anderseits aber auch glaubt die Bestätigung für seine Darstellungen zu erhalten.
Entgegen aller Warnungen und gut gemeinter Ratschläge versucht er deswegen auf Gedeih und Verderb Trainis Witwe davon zu überzeugen, dass ihr Mann tatsächlich schuldig war, sieht um sich herum die ersten Bauernopfer fallen und droht mit seiner Neugier ins Verderben zu rennen.
Weil er zu viel Wirbel macht, muss ihm ein Freund, der selbst keine reine Weste hat, mehrmals aus der Patsche helfen. Als unter anderem auch die Redaktion einer investigativen Zeitung gesprengt wird, die eben über diesen Mord berichtet, dort die Situation zu eskalieren.

Damiano Damiani hält dafür die Zügel straff und verlangt seinem Publikum die vollste Aufmerksamkeit ab. Er durchdringt gewohnt tief das gesellschaftspolitische System, deckt Missstände auf und scheut auch nicht vor radikaler Gewaltdarstellung zurück. Die Verstrickung von Mafia und Politik zu einem untrennbaren Knäuel, das jeder kennt, aber keiner sich zu zerschneiden traut, geht mit der einschlägigen Presse daher, die nur so nach sensationellen Schlagzeilen giert, auch sie wenn sie damit immerhin gutes Werk tut.

Je näher Solaris der Wahrheit kommt, desto einsamer beschreitet er seinen Weg auch, denn an den wirklichen Hintergründen ist niemand interessiert. Jede Partei dreht sich die Tat lieber zu ihren Gunsten, während Solaris hinter das Geheimnis kommt, das auf einem sehr simplen Motiv fußt.

Die Leistungen von Damiano Damiani und Franco Nero sind auch hier wieder über jeden Zweifel erhaben, obwohl die Klasse der vorangegangenen Filme nicht ganz erreicht wird. Der Verlust eines effektiveren Spannungsbogens liegt allerdings dem Szenario zugrunde, das Franco Nero zwar in einige Sackgassen und brenzlige Situationen führt, ihn aber niemals in Lebensgefahr bringt. Der unbedingte Mut zur Wahrheit, der in Neros vorherigen Auftritten unter Damiani immer direkt mit Drohungen oder Mord verknüpft wurde, findet sich auch hier wieder, doch die Hauptfigur braucht erst ambitioniert und dann resigniert keine wirklichen Gefahren auszustehen. Ein paar brenzlige Situationen mehr hätten da Wunder getan. Dieses Manko berührt zwar nicht das intelligente Drehbuch, lässt aber den Spannungspegel sinken.

Nichtsdestotrotz freut sich der Genrefan auch über einen Franco Nero, der mit seinen vielen Gesichtern immer wieder verblüfft und auch hier wieder seine Rolle souverän meistert. Die weiteren Nebenrollen (u.a. Luciano Catenacci als Anwalt) sind weniger prominent besetzt, zeugen aber von einer routinierten Riege, die Damiani kaum aus früheren Filmen zusammencastete. Übrigens auch hier wieder verblüffend zu sehen, wie authentisch Damiani seine Filme mit einfachen Mitteln wirken lässt und gleichzeitig mit Anspruch und Sorgfalt gegenüber der damals in Italien wesentlich dominanteren Exploitation-Ware besteht.

Die Einflechtung ständiger Damiani-Themen, wie beispielsweise die Machtlosigkeit der überforderten Polizei und die grundsätzlich nur auf den eigenen Vorteil bedachte Oberschicht, geschieht nebenher, Auch die Unangreifbarkeit der im Verdeckten agierenden Mafiosos, die sich in die politischen Führungsebenen einklinken, wird von Damiani erneut aufgegriffen.

Allerdings kennt man diese Kritikpunkte von Damiani Damiano alle schon. Auch wenn er sie hier in einer neuen Verpackung präsentiert und gleichzeitig mit ein paar neuen Ideen kombiniert, so mangelt es „Warum mußte Staatsanwalt Traini sterben?“ an frischen Motiven, die dem Szenario zusätzlichen Auftrieb geben. Insbesondere der Versuch Solaris’ Antonia Traini von der Wahrheit, oder was er dafür hält, zu überzeugen, dreht sich mit der Zeit im Kreis bis endlich die vermeintlichen Indizien auftauchen. Die starken Dialoge zwischen den beiden werden zudem leider zu oft unterbrochen, wenn es am interessantesten wird.


Fazit:
Schlussendlich trotzdem ein guter Politthriller von Damiano Damiani, dessen Ingredienzien sich kaum von seinen vorangegangenen Filmen unterscheiden.
Die geballte Kritik an der Gesellschaft und dem von ihr geduldeten System findet auch hier wieder statt und Damiani arbeitet auch fleißig alle Punkte ab, die ihm unter den Fingernägeln bringen.
Sein Szenario enttäuscht dieses Mal im Vergleich zu den hochklassigen Vorgängern allerdings ein wenig. Franco Nero tut erneut sein Bestes, doch die Abnutzungserscheinungen werden langsam deutlich und sonderlich originell gerät der Verlauf trotz seines überraschenden Schlusstwists nicht mehr. Damiani hörte danach mit dieser Art von Filmen über Jahre hinweg erst einmal auf, bevor er in den Achtzigern mit der Mini-Serie „Allein gegen die Mafia“ sein Comeback feierte.

Details
Ähnliche Filme