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Nach der internationalen Produktion von 2009 „John Rabe“ über das japanische Massaker in Nanking im Jahr 1937, entstand nur ein Jahr später, wieder unter chinesischer Beteiligung, der Film „Shanghai“ über die Situation in der Hafenstadt im Jahr 1941, kurz vor dem Eintritt der USA in den 2.Weltkrieg. Die Bilder vom Landungssteg, an dem der große Ozeandampfer festmacht, als Paul Soames (John Cusack) die Stadt betritt, ähneln sich in beiden Filmen, Gong Li als Anna erwähnt die Angst vor einem weiteren Massaker und auch die Japaner bedrohen hier wieder die letzten Rückzuggebiete der chinesischen Bürger und der anderen Nationen.

Abgesehen davon, das beide Ereignisse Teil der japanischen Besetzung Chinas waren, war die sonstige Situation in den Städten grundverschieden. Shanghai als größte Hafenstadt Chinas und Wirtschaftsmetropole beherbergte schon seit Jahrzehnten die Nationen der Welt, von denen die wichtigsten eigene Territorien hatten, teilweise mit eigener Rechtssprechung und eigener Polizei. Als Soames dort ankommt, um bei einer us-amerikanischen Zeitung zu arbeiten, erwähnt er, dass man in Shanghai die ganze Welt besuchen kann. Dieser Zustand bestand noch im Oktober 1941, da die japanische Armee die Gebiete der nichtchinesischen Nationen noch unbesetzt ließ. Trotz dieses besonderen Flairs, den Shanghai umwehte, und den der Film in prächtigen Bildern zu vermitteln versucht, kämpft „Shanghai“ mit einem ähnlichen Problem wie „John Rabe“ – die damaligen Umstände sind nur wenigen Betrachtern des Films bekannt.

Wäre die Geschichte vom amerikanischen Spion, der den ansässigen Gangsterboss Anthony Lan-Ting (Chow Yun-Fat) kennenlernt, der mit dem Anführer der Besatzungsmacht Tanaka (Ken Watanabe) gemeinsame Sache macht, um ungestört seinen Geschäften nachzugehen, und sich in dessen Frau Anna (Gong Li) verliebt, die dagegen im Widerstand kämpft, in einer wenigen komplexen Umgebung angesiedelt worden, hätte „Shanghai“ vielleicht mehr Zeit für die Ausgestaltung seiner Charaktere gehabt. So spürt man ständig den Willen der Macher, möglichst viele Informationen mit andeuten zu müssen, obwohl sie die Dynamik der eigentlichen Story bremsen.

Da ist beispielhaft die Rolle der Deutschen, die natürlich auch über eine eigene Enklave in Shanghai verfügten. Deren Funktion liegt eigentlich nur darin, das Soames auf einem Empfang in der deutschen Botschaft das Paar Anthony und Anna kennenlernt, aber der Film spinnt darum Soames Vergangenheit in Berlin, eine Beziehung mit der Deutschen Leni Müller (Franka Potente) und natürlich auch seine Nazi – unkritische Schreibweise als Journalist, um damit zu begründen, warum Soames überhaupt zu den Verbündeten Japans eingeladen wurde. Das ist zwar verständlich, bleibt aber gezwungenermaßen oberflächlich, da allein diese Konstellation für einen kompletten Film gereicht hätte.

Aus diesem Grund entstehen seltsam unfertige, hilflos wirkende Szenen, wie der kurze Moment, als Soams Chefredakteur ihn wegen seiner nationalistischen Schreibweise zwar zu sich zitiert, ihn dann aber nur kurz rügt und ihn bittet, eher unwichtige Themen zu behandeln. Damit wollten sich die Amerikaner wahrscheinlich um die Frage stehlen, wieso überhaupt ein Journalist, von dem natürlich Keiner wusste, dass es sich in Wirklichkeit um einen Agenten handelt, mit dieser Sichtweise dort beschäftigt wurde. Insgesamt bleibt die gesamte Tätigkeit als Journalist unglaubwürdig, wie auch die Affäre mit der verheirateten Frau Müller, die ohne Emotionen auskommen muss, da der Film schließlich auf seine Liebe zu Anna fokussiert ist. Als Leni Müller ihn dabei ertappt, wie er nach einer gemeinsamen Nacht heimlich Fotografien von deutschem Geheimmaterial macht, dreht sie sich nur wortlos um und geht wieder, während er seelenruhig weiter fotografiert – wirklich von Bedeutung ist es eben nicht.

Soames müsste als Wanderer zwischen den unterschiedlichen Welten, als Jemand, der Ideen nach außen äußert, die er in seinem Inneren verabscheut, als ein Mann, der Liebe vorgaukelt, die er gegenüber einer anderen Frau tief empfindet und der verzweifelt unter Lebensgefahr versucht, den Mord an seinem besten Freund aufzuklären, obwohl das kaum Nutzen für den Geheimdienst hat, eine zwischen Zynismus und Idealismus zerrissene Persönlichkeit sein, aber John Cusack wirkt in „Shanghai“ nur glatt und ohne Charisma, fast verzweifelt von einer Szene zur anderen springend, ohne dabei dem Betrachter näher zu kommen. Die sonstigen Darsteller haben es leichter, da sie nur auf eine Persönlichkeit festgelegt sind, aber auch sie müssen gegen ein Drehbuch ankämpfen, dass innerhalb von 100 Minuten nicht nur einen Mord aufklären und eine komplizierte Liebesgeschichte schildern will, sondern gleich eine ganze Weltstadt inmitten schwierigster politischer Verhältnisse wieder in Erinnerung bringen möchte. Selbst die schönen Bilder werden angesichts dieser Herkulesaufgabe zur Staffage.

Man ahnt hinter dieser zwar unterhaltenden, aber durch die fehlende Identifikation mit den Protagonisten wenig mitreißenden Geschichte die verborgene Faszination Shanghais. Aber wenn ein Film wie „Shanghai“ einen Verdienst hat - ähnlich wie schon „John Rabe“ - dann den, dass es wert ist, sich mit den damaligen Ereignissen einmal wirklich zu beschäftigen.(4/10)

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