Mit „Soul Kitchen“, seinem letzten Film der 2000er-Dekade, drehte der Hamburgische Regisseur Fatih Akin („Gegen die Wand“) erstmals eine reinrassige Komödie, angesiedelt in seiner Heimatstadt und zumindest partiell basierend auf Hauptdarsteller Adam Bousdoukos’ („Kebab Connection“) Biographie.
Zinos (Adam Bousdoukos) betreibt eine unprätentiöse Arbeiterkaschemme im Industriegebiet der Hamburger Migrantenhochburg Wilhelmsburg und kommt irgendwie über die Runden. Als seine Lebensgefährtin Nadine (Pheline Roggan, „Valerie“)) beruflich nach Shanghai zieht, er das Finanzamt an den Hacken hat und auch noch einen Bandscheibenvorfall erleidet, scheint ihn sein kleines bisschen Glück zu verlassen. Er heuert den exzentrischen Starkoch Shayn (Birol Ünel, „Dealer“) an, um frischen Wind in die Küche zu bringen und den Laden zu retten, doch der arrogante Cuisinier steht auf Kriegsfuß mit den Geschmäckern der Stammkundschaft. Zu allem Überfluss erscheint auch noch Zinos glücksspielsüchtiger und kleinkrimineller Bruder Ilias (Moritz Bleibtreu, „Lammbock – Alles in Handarbeit“) auf der Bildfläche und bittet ihn um eine Pro-forma-Anstellung, um mehr Knastfreigang gewährt zu bekommen – und das Gesundheitsamt hat Zinos Restaurant nun ebenfalls auf dem Kieker. Plötzlich jedoch wird das „Soul Kitchen“ von trendversessener Klientel für sich entdeckt und geht durch die Decke! Zino indes will unbedingt seine Nadine in China besuchen und setzt daher Ilias als Geschäftsführer ein...
Akins „Soul Kitchen“ verfügt erwartungsgemäß über viel Lokalkolorit der multikulturellen Hansestadt abseits schicker Einkaufsmeilen oder Prestigeobjekte. Die Handlung spielt in Wilhelmsburg, Altona und der Speicherstadt und Bilder der über die Elbbrücken fahrenden S-Bahn ziehen sich als wiederkehrendes Motiv durch den Film. Die Dialoge sind herrlich schnoddrig, Themen wie Existenznot und die später hinzukommende Gentrifizierung alles andere als weltfremd, bisweilen richtiggehend am Puls der Zeit, und die Charaktere nicht unbedingt Hamburg-untypisch, wenngleich Akin es bei aller gestatteten komödiantischen, karikierenden Überzeichnung mit den Klischees irgendwann übertreibt: Spätestens wenn Macho-Proll Ilias mit der als Kellnerin jobbenden Studentin anbändelt und beide sich ineinander verlieben, ist’s mit den glücklichen Fügungen auch mal gut. Quatsch ist’s, wie jeder selbst Geplagte bestätigen wird, dass man Zino nach seinem Bandscheibenvorfall gleich operieren möchte. Die Dokumentation typischen Hamburger Saufverhaltens in den Kneipen wiederum kann ich exakt so bestätigen. Beachtung verdient auch Bootsbauer und Griesgram Sokrates (Demir Gökgöl, „Wut“), der unter der rauen Schale eigentliche warmherzige Untermieter des „Soul Kitchen“ – ein schönes Beispiel für gelungene Nebenrollen-Charakterzeichnung, die Sympathiepunkte einbringt. Kurzauftritte haben Jan Fedder („Großstadtrevier“) und Udo Kier („Hexen bis aufs Blut gequält“).
Als Hamburger fühlt man sich in „Soul Kitchen“ schnell heimisch und richtet es sich gemütlich ein, da trotz nicht unbeträchtlichen dramatischen Anteils stets daran erinnert wird, dass es sich um eine turbulente, lebenslustige Komödie handelt, in der sich schon irgendwie alles zum Guten wenden wird. So macht Akins Film tatsächlich über die reinen Gags hinaus viel Spaß, zumal er viel Hamburger Lebensgefühl der weniger Privilegierten abzubilden und begreiflich zu machen versteht. Leider gehen Akin dann und wann zu sehr die Gäule durch, wenn er auf weder zu Hamburg, noch zum eigentlichen Stil seines Films passenden albernen bis pubertären, übertriebenen Holzhammerhumor setzt, sei es bei der Massenorgie im Restaurant inkl. grantiger asexueller Beamtin, die sich mir nichts, dir nichts ins Gegenteil wandelt, sei es – als leider besondere Enttäuschung – als Pointe gegen Ende. Besonders ärgerlich ist daran, dass Akin hierfür nicht nur seinen ansonsten sich durchaus an der Realität orientierenden Stil ohne jede Not opfert, sondern mittels dieser Szenen auch die Handlung voranbringt, Probleme auflöst, grundlegende Entscheidungen herbeiführt. Damit führt er seine Geschichte ad absurdum und opfert sie niveaulosen Witzchen, was wirklich schade ist.
Mit einem ausgefeilteren Drehbuch, etwas differenzierterer Charakterzeichnung und größerer stilistischer Kohärenz wäre Akin vielleicht einer der zeitgenössischeren Hamburg-Filme schlechthin gelungen, doch auch mit diesen Abzügen bleibt ein amüsanter Wohlfühlfilm für Interessenten des wahren Hamburgs, der es weder nötig hat, plakativ auf der Multikulti-Schiene herumzureiten (diese ist hier Selbstverständlichkeit) noch die Augen vor der urbanen Realität zu verschließen. Mit handverlesenem Ensemble, einem gut ins Ohr gehenden Seemannsliedgut-meets-Soul-meets-Boogie-Soundtrack sowie einem Gespür sowohl für norddeutschen Humor als auch hanseatische Melancholie in frechen Dialogen und stimmigen Bildern ist „Soul Kitchen“ auch über Norddeutschlands Grenzen hinaus gut genießbar. Nicht zu vergessen, dass er einer von nur wenigen Filmen sein dürfte, die explizit HH-Wilhelmsburg ein Denkmal setzen und dankenswerterweise nicht als von der restlichen Stadt abgetrennte Parallelwelt skizzieren.