Fatih Akin war bisher nicht unbedingt für seine Komödien angesehen, obwohl er in den meisten seiner Filme immer wieder treffsicher auch komische Töne anschlagen konnte, die sich nicht zuletzt oft aus den kulturellen Besonderheit und Gegensätzen ergaben, denen sich der Filmemacher für gewöhnlich widmet.
Jetzt also der erste Versuch einer "echten" Komödie, nach dem ganzen hochangesehen dokumentarischen Ernst und den Abgründen von "Gegen der Wand" - trotz aller verliehenen Preise - etwas Leichtes, Lockeres, wie aus dem Ärmel geschüttelt.
Alles in einen Topf: Griechen, Deutsche, Türken, kleine Gauner, große Gangster, wilde Köche, noch wildere Studenten. Dann gut schütteln.
Man darf es vorweg nehmen: ein bißchen mehr Feinschliff hätte man bei aller lockeren Schaumigkeit dann doch an das Drehbuch verwenden können. Gerade ein Feinwerker wie Akin, der Drama sehr präzise formulieren kann (und noch schärfer filmen), stolpert hier darüber, daß er im Grunde zuviel auf einmal will. Also Story, Menschen, Schicksale und jede Menge Gags. Das alles in und aus Hamburg. Lokalkolorit, Flavor, Feeling, unter eine Abzugshaube.
Der Versuch sicherlich heroisch, die Gewichtung jedoch definitiv ein bißchen verkocht. Zu viele Handlungsstränge, die man zufriedenstellend beenden müßte, zu viele interessante Figuren, die man nicht so ausgestaltet bekommt, wie sie es verdienen würden.
Dazu ein Plot, der letztenendes dann doch ziemlich vorhersagbar ist.
Im Kern: das eher notleidende Restaurant "Soul Kitchen" in einer alten Lagerhalle, Improvisation und Imbißküche, ein Leben irgendwie zwischen allem und doch scheint Grieche Zinos zufrieden damit, wie er alles in eine Friteuse wirft.
Doch dann überschlägt sich das Schicksal selbst: die Freundin geht nach Shanghai, der spielsüchtige Bruder kommt aus dem Knast, das Finanzamt nagt, das Gesundheitsamt droht mit Schließung, der Kopf ist voll, die Bandscheibe kaputt.
Von nun an Volldampf in alle Richtungen: den Bruder anstellen als Freigänger, einen renitent-agressiven Meisterkoch in die Küche, die Angestellten bei Laune halten, den alten Schulkumpel und Halbweltfinanzhai auf Distanz - weil an sich spürt man dann ja doch die große kleine Liebe zum eigenen Lokal. Doch irgendwann brummts und Laden und Kasse sind voll. Die Probleme beginnen jedoch erst.
Daraus hätte man mehr machen können, mehr Tiefe, mehr Charakter.
Zu sehr lastet der Film auf Zinos und seinen körperlichen Leiden samt Entscheidungsschwierigkeiten, obwohl die ganze Hibbelei rund um die nach Asien gereiste Freundin so transparent wie Fensterglas ist und genau auf das Erwartete hinausläuft. Wie überhaupt man sich so ziemlich alles denken kann: der Laden wird brummen, der Bruder wird die Kellnerin kriegen und dann den Laden verspielen.
Wirkliche Überraschungen gibts also keine, dafür jedoch setzt Akin für die interessantesten Charaktere viel zu wenig Screentime ein: die vielschichtige Studentin, der Amok-Koch, der rockende Tresenhengst, überhaupt das Essen und das Lokal, alle kommen zu kurz, das Offensichtliche nimmt zuviel Raum ein.
Aber Akin kriegt die Wende immerhin auf einem Sektor: ran ans Lokalkolorit. "Soul Kitchen" ist dann doch ganz Hamburg oder noch besser "Hamburch". Sicher Digger, hier gehts ab und die Dialoge kommen so flüssig und pointiert, das es einen bei aller Vorhersagbarkeit doch irgendwie mitreist. Der Multikultisoundtrack groovt, die Bilder zum Film, den alle fahren, sie sitzen. Und dann die Gags, im Minutentakt, nicht immer die Brüller, aber stets treffsicher, wenn man das Gebräu unterhaltsam findet.
Das Leben ist komisch - und das zeigen wir auch. Meisterhaft, wie Zinos und Kellnerin Lucia eine Nacht in immer schäbigeren Kneipen durchsumpfen und immer größeren Blödsinn mit immer glasigeren Augen labern; brachiale Bilder eines aus den Nähten platzenden Lokals, später unter Einfluß von Aphrodisiaka zur Massenorgie mutierend; der erste Kaffee über den Dächern der Speicherstadt; Tanzpalast und Nutten im abrißreifen Karstadtgebäude; die Kur des türkischen Pferdedoktor für die kaputte Bandscheibe; vier sich anbrüllende Einbrecher im Transporter.
Getragen wird das alles von einem gut eingespielten Ensemble: Adam Bousdoukos trägt zwar schwer an der Hauptrolle, arbeitet aber wie ein Pferd und dabei noch sehr wandlungsfähig; Bleibtreu kann zur Not auch Griechen spielen, Birol Ünel ist in seinen seltenen Szenen immer fünf vor Psychopath und Anna Bederke ist genauso komplex, kaputt und wunderbar, wie wir uns unsere Studentenbekanntschaft immer vorgestellt haben. Dazu Lukas Gregorowicz als verpeilter Rocker und der alle Szenen klauende Wotan Wilke Möhring, der es schafft, bei aller abgründig-großmäuligen Schmiererei dem Arschloch noch einen sympathischen Anstrich zu verpassen. Udo Kier und Jan Fedder schauen auch noch rein und allein solche Gastauftritte lohnen schon fast das Eintrittsgeld.
Hier will einer noch einer Filme drehen, ohne Netz und doppelten Boden und ohne den ganz dicken Anspruch - für die Seele, für den Soul.
Akin, das spürt man, will einfach nur mitreißen, aus dem Handgelenk inszenieren und an der Oberfläche funktioniert das auch, wenn man sich vom Groove an die Hand nehmen lassen läßt. Das ist das eine Mal, bei dem man nicht tief schürfen darf, nicht Erwartungshaltungen pflegen und nicht nach der ultimativen Innovation mosern, hier schießt einer einen aus der Hüfte, von der Szene für die Szene, denn das Leben ist schön und alle sind eingeladen, mitzumachen.
Das ist nicht immer lustig und "Dramödie" umschreibt den Film dann am Ende vielleicht doch eher, aber man möchte, wenn man sich darauf einlassen kann, bei allen Schwächen doch eine Runde mitfliegen, rauf auf den Gabelstapler, dazu Hans Albers' "Das letzte Hemd hat leider keine Taschen" und erstmal Gemüse durch die Gegend wuchten.
Nicht alles ist perfekt, vieles verläuft ins Leere und der Film ist genau in dem Moment vorbei, als man denkt, jetzt könnts noch mal richtig losgehen, aber bis dahin hat Akin es auf den Punkt gebracht: das Leben, woanders und doch hier bei uns, unverfälscht und überlebensgroß zugleich. Und danach gleich zum Fischmarkt. (7/10)