Review

Eine interessante Idee hatte sich Drehbuchautor Kurt Wimmer da ausgedacht, die Rachegeschichte eines Mannes, der nicht nur seine Peiniger, sondern gleich das ganze Justizsystem angreift, eines gesetzestreuen Bürgers, wobei der Titel „Law Abiding Citizen“ im weiteren Verlauf immer ironischer erscheint.
Besagter Bürger ist Clyde Shelton (Gerard Butler), der in der Auftaktszene Frau und Kind bei einem Raubmord verliert. Da die Polizei den Tatort nicht optimal untersuchte, wie man später erfährt, und die Gefahr eines Freispruchs besteht, lässt sich Staatsanwalt Nick Rice (Jamie Foxx) auf einen Deal ein, bei dem ausgerechnet der Haupttäter eine milde Strafe erhält. Nebenbei gefährdet er seine Verurteilungsquote nicht, womit der Film den Zuschauer schon hier abwägen lässt, ob der Deal richtig war, ob tatsächlich der potentielle Freispruch oder das Karrieredenken Rice‘ hier der Auslöser waren.
10 Jahre später: Der inhaftierte Mitläufer wird bei der Vollstreckung seines Todesurteils grausam und nicht milde getötet, sein Kumpan in die Falle gelockt und zu Tode gefoltert – von Shelton. Klassisches Rachekino mit zurückhaltenden Foltereinlagen für den zum Drehzeitpunkt aktuellen Torture-Porn-Trend. Doch wo andere Rachefilme an dieser Stelle aufhören würden, beendet „Law Abiding Citizen“ hier seine Exposition, Clyde wird verhaftet und angeklagt.

Eigentlich kann man dem belesenen Schlaukopf, der sich innerhalb der letzten 10 Jahre zum Kenner des Rechtssystems gemausert hat, nichts nachweisen, doch Clyde bietet ein Geständnis an. Das ist freilich nur der erste Schritt eines Racheplans, der Rice mehrere Lektionen erteilen soll…
Generisch ist das hier ein Thriller, der sich stilistisch zwischen alle Stühle setzt: Die meist recht aufwändigen und stets tödlichen Lektionen sind mit den Mitteln des Actionkinos inszeniert und bieten ein paar Morde und Explosionen, im Mittelteil kommt eine Spur schwarzer Komödie hinzu, wenn Clyde das System aushebelt, ehe der Film im Finale als No-Nonsense-Thriller daherkommt. Das ist durch F. Gary Gray und seinen Kameramann alles sehr schick in Szene gesetzt worden, gerade die Kameraarbeit sticht hervor, die Schauwerte sorgen für Spektakel, während lange Zeit gerätselt wird, was Shelton nun genau vorhat, wie er das anstellt und wo das Ganze enden soll.

Während der Klärung dieser Fragen arbeitet „Law Abiding Citizen“ mit der Verschiebung von Sympathien: Anfangs befindet man sich noch auf der Seite des liebenden, vom System enttäuschten Familienvaters, nicht zuletzt da der Auftakt seinen Verlust dramatisch schildert, während Rice als kalter Karrierist dargestellt wird, der natürlich auch die Family deswegen vernachlässigt. Gegen Ende hat nicht nur Rice seine Fehler eingesehen, Shelton ist auch immer mehr zu der Art von Monster geworden, die ihm seine Familie nahmen – spannender ist nun die Frage, wann die Aktionen des Profitüftlers für jeden Zuschauer zu weit gehen, ab wo man sich von der anfänglichen Identifikationsfigur abwendet.
In diesem Punkt liegt dann auch eine Stärke des wenig tiefschürfenden Films, der sich zwar Systemkritik auf die Fahnen schreibt, aber an der Oberfläche bleibt. Die Defizite des Rechtssystems werden angerissen, dann aber doch primär für das launige Spiel Sheltons mit der Justiz benutzt, als Pointen verwendet (etwa bei der Verhandlung über die Kaution). Diese sind zwar bissig, aber eben oft nicht mehr als Gags, manchmal wichtig für die Entwicklung, die Rice durchmacht, aber eben selten die Aufdeckung von brisanten Wahrheiten über die Rechtsprechung.

Doch eigentlich läuft das Thriller-Maschinchen ganz gut, sofern man die generell eher unglaubwürdige Prämisse des allumfassenden Masterplans schlucken kann, ehe die letzte halbe Stunde völlig überkonstruiert und total hanebüchen daherkommt. Da lässt sich Mastermind Shelton einfach übertölpeln, da wird ein stadtweiter Notstand ausgerufen, obwohl die Terrorakte Clydes nur jene ins Visier nehmen, die mit dem Prozess zu tun hatten, da können die Verfolger einer Person vor dieser bei einem Geheimversteck sein (hat derjenige zwischendurch bei McDonalds Pause gemacht?) usw. Das stört den Filmgenuss nachhaltig, nachdem die ersten drei Viertel von „Law Abiding Citizen“ Laune machen.
Laune macht auch Gerard Butlers Spiel als trauernder Familienvater, Mastermind mit krankem Humor und psychopathischer Mörder in einer Figur: Butler vereint diesen Seiten in einer Person und wechselt überzeugend zwischen ihnen, ohne dass Clyde Shelton wie eine inkonsequent handelnde Figur wirken würde. Jamie Foxx als Saubermann mit ablegbaren Makeln schlägt sich ordentlich, aber ist stets in der Defensive, während der Supportcast mit Colm Meany, Bruce McGill und Leslie Bibb einige tolle Nebendarsteller zu bieten hat, die aber wenig zu tun bekommen.

Eine reizvolle Idee, eine ansprechende Regie und starke Darsteller kann „Law Abiding Citizen“ auf der Habenseite verbuchen, doch leider erweist sich das Drehbuch im Schlussviertel als unzulänglich: Maßlos konstruiert und an vielen Stellen extrem unlogisch kommt Wimmers Script daher, was schwerer wiegt als der uneinheitliche Ton oder die Oberflächlichkeit beim Kritik am US-Justizsystem, trotz guter Ansätze. Gut gemacht und überdurchschnittlich, aber angesichts des ungenutzten Potentials auch ein wenig enttäuschend.

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