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Familienvater Clyde Shelton widerfährt das Schlimmste: zwei Männer dringen in seine Wohnung ein, stechen ihn nieder, töten seine Frau und sein Kind. Als die Täter dann gefasst werden lässt sich der erfolgsversessene Staatsanwalt Nick Rice auf einen Deal mit dem Hauptschuldigen Darby ein, woraufhin dessen Komplize Ames zum Tode verurteilt wird, Darby jedoch mit einer geringen Haftstrafe davon kommt. Der verstörte und enttäuschte Shelton kann es nicht fassen. Zehn Jahre später kommt es bei Ames‘ Hinrichtung zu einem grausamen Zwischenfall, kurze Zeit später entführt Shelton den Mörder und Vergewaltiger Darby und foltert ihn bestialisch zu Tode. Seiner Verhaftung widersetzt er sich nicht, doch als Shelton und Rice sich im Gefängnis erneut begegnen ahnt der Anwalt noch nicht, das die Vergeltung gerade erst ihren Anfang genommen hat...

Gesetze und Rechtssprechung, Justiz und Urteile versagen nicht selten, vor allem klafft oft in der Verhältnismäßigkeit von Tat und Strafe eine Dimension, die weder für Betroffene noch Außenstehende nachzuvollziehen ist. Darüber hat wohl bei Berichten über rückfällige Vergewaltiger oder bei der Einweisung von Kinderschändern in (scheinbar mildere) psychiatrische statt Strafanstalten jeder schoneinmal nachgedacht.  Andererseits werden beispielsweise in den USA jene Staaten kritisiert, die auf der Anwendung der Todesstrafe beharren, und so ist und bleibt dem einen zu hart, was dem anderen noch zu milde erscheint, und was genau nun gerecht und Gerechtigkeit ist wird die Menschheit in ihrer Geschichte wohl nicht mehr geklärt bekommen. Irgendwo inmitten des Gewirrs aus diesen Überlegungen und Standpunkten positioniert sich F. Gary Grays siebte Regiearbeit „Gesetz der Rache" (deren plump-plakativer deutscher Titel das hintergründigere „Law Abiding Citizen", also gesetzestreuer Bürger, verdrängt).

„Gesetz der Rache" stellt dem vermeintlichen Versagen des Systems eines der beliebteren filmischen Motive entgegen: jenes der Selbstjustiz. Moralische Fragwürdigkeit hat er damit genretypisch ohnehin sicher, und so lässt Gray seinem Protagonisten Clyde Shelton auch nicht viel Zeit, die er als liebender Vater und Ehemann verbringen könnte. Keine achtzig Sekunden ist der Film lang, als Shelton an seiner eigenen Haustür ein Baseballschläger ins Gesicht knallt und zwei Männer in sein sicher geglaubtes Refugium eindringen, ihn fesseln, knebeln, berauben, ihm ein Messer in den Bauch stechen, seine Frau vergewaltigen und die gemeinsame Tochter töten. Eine Szene, die in aller Plötzlichkeit, Härte und Grausamkeit hereinbricht und die weder eine längere Einleitung noch beleuchtetere Beziehung braucht, um den Zuschauer sofort auf die Seite dieses Schreckliches erleidenden Familienvaters zu ziehen. Ihm wird von zwei verabscheuungswürdigen Gestalten das Allerschlimmste angetan. So klar, so eindeutig.

Doch der Rechtssprechungsapparat der Stadt Philadelphia sieht das anders. Ausgerechnet, möchte man sagen, wurde doch in der Landeshauptstadt Pennsylvanias nicht nur die amerikanische Unabhängkeit verkündet, sondern auch die Verfassung der Vereinigten Staaten, die Grundlage der Rechtssprechung, beschlossen. Der karrierefixierte Staatsanwalt Rice sieht seine Verurteilungsstatistik gefährdet, da die Beweise vor Gericht nicht bestehen und auch Sheltons Aussage als nicht zuverlässig gilt. Darum schließt er ein Abkommen mit Clarence Darby, woraufhin der kaum mehr als bloß anwesende Rupert Ames zum Tode verurteilt wird, während der eigentliche Mörder und Vergewaltiger mit einer absurd geringen Haftstrafe davon kommt. Die Justiz hat versagt, spätestens in jenem Moment, als Rice, wenn auch widerwillig, vor versammelter Fotografenmeute Darbys Hand schüttelt. Clyde Shelton wurde sein Recht auf Gerechtigkeit verwehrt. So klar, so eindeutig.

Bis hierhin hat „Gesetz der Rache" keine zwei Seiten, der Abartigkeit und Kälte des Täters und der Ungerechtigekeit der Gesetze steht ein entwurzelter, machtloser Vater entgegen. Gerard Butler trägt sein Gesicht voll tiefster, nachvollziehbarer Verzweiflung und noch nichts lässt auch nur erahnen, zu was dieser Mann in der Folge fähig sein wird. Sheltons Rache beginnt zehn Jahre später, als Ames bei seiner Hinrichtung, statt sanft zu entschlummern, plötzlich Höllenqualen leidet, als ihm die Injektionen verabreicht werden. Nach der Anfangsszene schlägt „Gesetz der Rache" hier ein zweites Mal in einen magenverdrehenden Heftigkeitsbereich aus, der sich kurz darauf jedoch noch um ein vielfaches steigert: Torture Porn im Stile der „Saw"- und „Hostel"-Reihen, wird zwar nicht geboten, dennoch würden sich der Jigsaw-Killer und die Jugendherbergsfolterknechte geehrt fühlen, wenn sie Shelton bei seinem Werk betrachteten. Der pure, präzise Sadismus, mit dem er sich Darby vornimmt, ihm genüsslich beschreibt, was er mit ihm tun wird und wie er ihn seine Strafe erleiden lassen wird, das genügt schon völlig, danach muss und wird auch nicht mehr viel gezeigt werden. Aber: kann man einer derart erbarmungslosen, entmenschlichten Tötung nun unter diesen Gegebenheiten zustimmen? Kann man auch für so etwas noch Verständnis haben? So unklar, so uneindeutig.

In „Gesetz der Rache" wird ein ganz normaler Mann und liebender Vater in einer Ausnahmesituation zu einer Ausnahmetat getrieben, zumindest scheint es so, und wäre der Film dabei geblieben, hätte er sich mit den moralischen Fragen, die dies aufwirft, wahrscheinlich intensiver befassen müssen. Drehbuchautor Kurt Wimmer allerdings hat durchaus eine Vorliebe für Übermenschen. Für seinen Durchbruch „Equilibrium" entwicklete er einen fiktiven Waffen/Kampfsport, Gun-Kata, um den von Christian Bale gespielten Helden möglichst elegant, effizient und überlegen töten zu lassen, Gen-Vampirin und Kampfamazone Milla Jovovich setze dies im Vollflop „Ultraviolet" (2006) fort und bei „Gesetz der Rache" muss nun auch Shelton mehr als der bloße regular guy sein. Nach seiner Inhaftierung beginnt er ein bis ins kleinste Detail durchdachtes Spiel mit Staatsanwalt Nick Rice, ist dabei immer mindestens zwei Schritte voraus und setzt vor allem selbst hinter Gittern und später in Isolationshaft die Ermordung der auf Justizseite Beteiligten mit allerlei vorinstallierten Vorrichtungen fort. Von der Autobombe bis zum am Ohr der Richterin explodierenden Handy, Shelton ist nicht aufzuhalten und will sich bis in die höchsten Machtzentren der Gesetzgebung vorsprengen.

Es dürfte klar sein, dass „Gesetz der Rache" damit nach einem ganz starken und beklemmenden Beginn jede Haftung verliert. Durch die geschaffene Konstellation und die Wortgefechte zwischen Shelton und Rice setzt er zwar immer wieder zur direkten Stellungnahme zu sozialen Missständen an, das klingt aus dem Munde eines Charakters wie Shelton, sobald man um seinen Hintergrund weiß, aber eben nur noch nach Psychopathengebrabbel. Er ist nicht bloß der zu Anfang vermutete Hobbytüftler, als ehemaliger Tötungsspezialist hat Shelton im Auftrag des Millitärs gearbeitet und raffinierte Mordmethoden entwickelt. Das im Selbstjustiz-Genre übliche Mantra »how far would you go?« weicht in seinem Falle einem »I can go everywhere«-Slogan und gleicht damit mehr dem platten Actionkino der 80er, in dem sich die Bösewichte stets mit den Schwarzeneggers, Stallones und Seagals anlegten, die Ex-Cop, -Soldat oder -Agent waren. „Gesetz der Rache" wird mit einer solchen Figur, zumal hier keiner klaren Seite zugewiesen, zu einem nicht nur storymäßig absurden, nicht nur zwei-, sondern mindestens dreischneidigem Film, in dem ein Soziopath sein Talent zur akribisch geplanten Ermordung zuerst in den Dienst der Regierung stellt und nun meint, deren Gesetze zu Fall bringen zu können. Die Fragen, was für ein Land das ist, in dem eine solche Gestalt überhaupt erst hervorgebracht wird, in dem eine solche Komponente der Unberechenbarkeit der nette Familienvater von nebenan ist, beantwortet der Film nicht.

Aber letztendlich will und muss man (auch wenn man es wohl von Seiten der Macher gesollt hätte) „Gesetz der Rache" gar nicht ernst genug nehmen, um daran irgendwelche soziologischen oder ideologischen Analysen auszurichten. Sicher vergibt der Film die Möglichkeit, seine Geschichte um Rache und Recht plausibler und psychologisch differenzierter zu erzählen, genauso nutzt er aber auch die Möglichkeit, ein doch ziemlich spannender Thriller mit einigen wirklich berstigen Momenten zu sein. F. Gary Grays straffer Inszenierungsstil, mit dem er das Geschehen ähnlich wie in seinem sehr starken „Verhandlungssache" (1999) voranpeitscht, lässt Längen in der Handlung noch nicht einmal erahnen und hier wie dort schafft der Regisseur es, einzelne Momente wirklich in die Nähe des Limits in Sachen Dramatik und Spannung zu pushen. Sheltons Überlegenheit, die ihn zum Herr jeder Situation macht, muss man natürlich gar nicht genauer hinterfragen, um den Unsinn, die Zufallsbegebenheiten und die Unlogik dahinter zu erkennen, dennoch ist das Gefühl der ständigen Unsicherheit, das er unter seinen möglicherweise nächsten Anschlagsopfern verbreitet, ein höchst gelungen auf den Zuschauer transportiertes und entlädt sich in ein paar fiese kleine Schocker und aus-dem-Sitz-Zucker.

Verhältnismäßig dröge wird dann der Schluss angehandelt, Sheltons Plan führt zu einem Hafen, den schon ein paar Psychoflotten zuviel angelaufen haben und an dem natürlich immer der obligatorische Kongress mit vielen wichtigen Köpfen stattfindet, und so weiter. Das Schlussbild hingegen ist ein nicht nur toll eingefangenes, sondern schmettert die Frage nach Recht und Gerechtigkeit und die Wahl zur Mittel der Verteidgung von deren Werten noch einmal mit Schmackes in den Raum. Gerard Butler spielt seinen Rachetüftler kernig, gleichwohl mit manchmal etwas zuviel Freude an der Sache, da hätte der Figur eine düsterere, durchgängig von Verzweiflung getriebene Ausrichtung nicht geschadet. Als Staatsanwalt und Verteidiger der von Shelton verdammten Werte übernimmt Jamie Foxx die besonders zu Anfang undankbare Gegenseite und reißt diesen Part souverän runter. Der übrige Cast fällt kaum weiter auf, Colm Meaney spielt bürokratisch wie immer, wenn er in einer größeren Hollywood-Produktion aufläuft, Leslie Bibb erfüllt als Rice‘ Kollegin Sarah das typische Klischee des schauspielenden Models, optisch nett, viel mehr ist nicht. Spoof Movie-Spezialistin Regina Hall („Scary Movie 1-4", „Superhero Movie") kommt in der ernsten Rolle von Rice‘ besorgter Gattin ebensowenig erwähnenswert zur Geltung, wie Oscar-Kandidatin Viola Davis („Glaubensfrage") als Bürgermeisterin.

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