Review

Ich habe ja schon das eine oder andere Mal über die Vergänglichkeit der Popularität von Filmen nachgedacht, aber an diesem Beispiel läßt sich das besonders gut ergründen.

Als ich vor kurzem in einer Videothek (wieso heißen die eigentlich noch so?) herumstöberte, sah ich als neu hinzu gekommenen Film "Ein Jahr in der Hölle" , der mir gänzlich unbekannt schien. Dabei schaute mich ein noch sehr jugendliches Konterfei von Mel Gibson an, sowie das Antlitz von Sigourney Weather. Auch die Regie von Peter Weir ließ mich aufhorchen !

Also habe ich gleich hier im OFDb nachgesehen . Und was finde ich ? - Nichts! - Keine Inhaltsangabe, kein Review, nur ein paar durchschnittliche, wenig aussagekräftige Bewertungen.

1982, als der Film rauskam, waren beide Hauptdarsteller schon sehr populär - "Mad Max 2" war kurz zuvor erschienen, und "Alien" auch noch recht frisch, dazu war Peter Weir schon ein renommierter Regisseur ("Picknick am Valentinstag"). Wieso wurde dieser Film vergessen ?

Als ich jetzt dies ersten Bilder auf der DVD sah, fiel es mir sofort wieder ein : ich hatte den Film damals im Kino gesehen. Das war mir völlig entfallen !

Bei mir lag es auch daran, daß ich Mel Gibson damals noch nicht kannte...

Auch wenn man es sich 25 Jahre später kaum vorstellen kann - die "Mad Max"-Filme waren damals sehr umstritten und wurden wegen der darin verankerten Selbstjustiz stark kritisiert. Es gab damals hauptsächlich 2 Gruppen - die eine delektierte sich an den dargestellten Brutalitäten ( und erzählte davon ausführlich), die andere schaute sich den Film erst gar nicht an, weil der ja nur schlecht sein konnte. Ich gehörte der zweiten Gruppe an...

Im "Ein Jahr in der Hölle" war Mel Gibson jedenfalls gänzlich anders besetzt. Er spielt den australischen Journalisten Guy Hamilton ,der als Auslandskorrespondent nach Indonesien kommt. Es ist sein erster Auslandsaufenthalt und er ist noch sehr jung und unerfahren. Überhaupt wirkt er im gesamten Film immer etwas unsicher und wenig standfest. Erst der Begegnung mit dem Fotografen Billy, Halb Chinese, halb Australier (gespielt von der großartigen Linda Hunt in ihrer ersten Filmrolle), hat er zu verdanken, daß er Kontakte erhält und damit überhaupt journalistisch arbeiten kann. Dann lernt er wiederum durch Billy die Engländerin Jill (Sigourney Weather ) kennen, in die er sich verliebt.

Das alles spielt größtenteils in Dschakarta 1965, als die Unruhen in Indonesien immer stärker wurden und sich die Kommunisten auf Grund immer größerer Armut der Menschen in ihrem Land gegen König Sukarno auflehnten.

Die eigentliche Story ist schnell erzählt, denn in diesem Film geht es hauptsächlich um Standpunkte und konsequente Haltungen. Dabei schlingert Guy Hamilton immer irgendwie zwischen den anderen handelnden Charakteren hin und her :

Da sind zum Einen seine Kollegen - Auslandsjournalisten, denen es um ihre Karriere und damit die möglichst beste Story geht - sie sind nicht ernsthaft an der einheimischen Bevölkerung und deren Leid interessiert, sondern nutzen eben die Vorteile ,die sie im Ausland haben. Und obwohl Peter Weir nicht einmal deren sexuellen Vorlieben (bei der einheimischen Bevölkerung) ausläßt, stellt er sie nicht als Monster dar. Es ist zu spüren ,daß es für westliche Menschen sehr schwer ist, in einer solch fremden Umgebung zu leben und das ihr Handeln eben auch von ihrer Einsamkeit ablenken soll....

Zum anderen ist dort Billy Kwan, der auch auf Grund seiner asiatischen Herkunft einen Zugang zur einheimischen Bevölkerung hat und sich auch sehr stark für diese einsetzt. Er ist ein Idealist, aber auch er wird keineswegs als reiner Gutmensch dargestellt, sondern es ist ihm auch eine gewisse Arroganz anzumerken und der Wunsch, andere Menschen zu beeinflussen.

Dazu kommt noch Jill, die als Engländerin für die alten Kolonialherren arbeitet, die damals durchaus noch recht feudal dort lebten. Sie weiß, daß sie bald aus Indonesien weg geht und will nur noch ihre Ruhe haben....

Dazu kommen Guy's einheimische Mitarbeiter, die direkt am politischen Leben teilhaben.

Zwischen all diesen Personen wird hauptsächlich der "Alltag" geschildert - das alles vor dem realen historischen Hintergrund des Jahres 1965. Daraus bezieht der Film eine ungeheure Spannung, denn neben den einzelnen persönlichen Schicksalen spitzt sich auch die politische Lage immer mehr zu.....
Der Film fesselt einen von der ersten Sekunde an, sämtliche Charaktere wirken sehr überzeugend ,einfach ein ausgezeichneter Film ! - Warum ist er also in Vergessenheit geraten?

Der Versuch einer Erklärung :

1. Mel Gibson ist gänzlich anders als in seinen sonstigen Rollen besetzt. Dabei geht es gar nicht darum, welchen Beruf er hat oder ob er als Bulle oder Soldat unterwegs ist. Denn in allen seinen Rollen ist Gibson sonst immer eines auf jeden Fall : männlich, standfest und mit einer klaren Zielsetzung, dabei immer hart gegen sich und andere...und so mögen wir ihn ja schließlich auch.
Hier dagegen wirkt er weich und unerfahren : sämtliche andere Personen wirken dagegen konsequent.
Gibson spielt zwar einen sympathischen Kerl, aber die Anderen sind es, die ihm etwas über seine Arbeit, das Land und das Leben an sich beibringen.
Mit größerem Abstand erinnert man sich an jede Person genauer als an die Hauptperson und da mir Mel Gibson erst später durch "Lethal Weapon" und "Mad Max" richtig vertraut wurde, brachte ich ihn mit diesem Film gar nicht mehr in Verbindung.
Ich möchte da richtig verstanden werden, Gibson spielt den Journalisten sehr überzeugend und ich halte es für eine ausgezeichnete Leistung, wie er diesen wankelmütigen Charakter spielt, der noch auf der Suche nach einer eigenen inneren Haltung ist. Und das ja nach seinen "Mad Max" - Filmen.

2. Die Story selbst ist sehr einfach. Das Drama liegt in der dargestellten Realität, nicht in irgendwelchen extremen erdachten Handlungen. Das erfordert, daß man sich auf die Dialoge und die dargestellten Beziehungen einläßt.

3. Der politische Hintergrund liegt schon sehr weit zurück. 1982 war der Vietnamkrieg erst wenige Jahre vorbei und damit hatte die gesamte Konfliktregion in Südostasien durchaus noch Aktualität. Außerdem war 1982 in der BRD das Jahr der Riesendemos gegen die atomare Aufrüstung und Stoffe ,die sich mit Revolution und Kommunismus befaßten ,waren einfach angesagt.

Das Alles könnten Gründe für das Vergessen sein - berechtigt ist es deshalb in keinem Fall!

Der Film ist in jeder Hinsicht zeitlos ,gerade in seiner Darstellung menschlicher Konflikte, in der Schilderung der sich steigernden Gewaltspirale bei der jeder Seite durchaus Argumente zugestanden werden und besonders in seinen Charakterzeichungen.

Dazu ein realer politischer Hintergrund einer fast schon vergessenen Epoche - unbedingt ein Grund zur Wiederentdeckung!(10/10)

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