Dieser Film hat die britische Upper Class im Jahre 1939 als Setting. Teile der dekadenten Aristokratie und politischen Eliten wollen den Status Quo und ihren Lebensstil aufrecht erhalten um jeden Preis. Sie verschwören sich gegen Kriegs-Befürworter und Gegner von Chamberlains Appeasement-Politik. Heimlich und mit brachialen Mitteln wird der Widerstand gegen Appeasement ausgeschaltet. Mitten in diesem Sumpf findet sich die Adoptivtochter eines aristokratischen Parlamentariers wieder, die alsbald zur Zielscheibe wird, den schieren psychischen Horror durchleben muss und sich in der paranoiden Situation wiederfindet, niemandem, nicht mal der eigenen Familie trauen zu können...
Leicht, aber nur ganz leicht fühlt man sich an Verhoevens "Black Book" erinnert. Das war nämlich auch so ein Edel-Trashfilm, der das todernste Sujet "Zweiter Weltkrieg" in einem gelungenen und schamlosen Unterhaltungsfilm verwurschelt hat.
"Glorious 39" kommt nun als Verschwörungs-Thriller und psychologischer Horror daher. Dabei zieht er jedes Register und jede Genre-Konvention. Teilweise wirkt es sogar wie eine Karikatur; als solle das alles eine versteckte Komödie sein. Zu lachen gibt es jedenfalls viel. Wenn mal wieder auf bierernste Weise eine unplausible Wendung oder Entwicklung in der Verschwörungs-Plotte offenbart wird. Wenn Figuren mit ihren Gesichtsausdrücken zehn Meilen gegen den Wind plakatieren, dass sie Böses im Schilde führen. Wenn die alles erstickende Filmmusik vor drohendem Unheil warnt. Wenn kleine Kinder a la "Orphan" oder "Case 39" als undurchschaubare, subtil aggressive Wesen stilisiert werden, die eine erwachsene Protagonistin Angst und Bange werden lassen (eines solcher Kinder steht sogar urplötzlich und wie aus dem Nichts auf einer Wiese neben der Protagonistin, als diese beobachtet wie Tier-Kadaver verbrannt werden -- zum Schießen komisch, wie das Kind plötzlich da steht).
Trotz all dieser augenzwinkernden Elemente (und trotz der selbstironischen Handhabe der gravierenden Drehbuchschwächen) schafft es "Glorious 39" aber seltsamerweise, nicht nur komisch, sondern auch packend zu sein:
Die Atmosphäre der schieren Paranoia, die hier kreiert wird, ist recht phantastisch und weist bisweilen gar surreale Züge auf. Romola Garai gerät in einen krassen Abwärts-Strudel, wird einer Häufung mysteriöser Ereignisse ausgesetzt, dass sie zwischenzeitlich an ihrem eigenen Verstand zweifeln muss. Die Stimmung der allgegenwärtigen Gefahr, der Verfolgung und des Wahnsinns werden prima transportiert. Spannend und packend ist das freilich schon. Der blanke Horror, ohne dass etwas Übersinnliches passiert. An anderen Stellen fühlt man sich sogar an klassische Thriller von Hitchcock erinnert.
Sehenswert ist aber auch der wohl beschissenste Einsatz von Farbfiltern, den wo gibt, um Abendröte vorzutäuschen. Ebenfalls bemerkenswert sind solche Hirnfürze wie die visuelle Parallelisierung von Tier-Massenmorden mit der Judenausrottung, oder Bildmetaphern mit Jugendlichen, die am Vorabend des Zweiten Weltkriegs ausgelassen in alten Ruinen rumtoben, etc.
Presse und Publikum scheinen "Glorious 39" falsch zu verstehen. Worte wie "peinlich", "unfreiwillig komisch" und "unlogisch" machen die Runde. Dabei zeigt doch schon die Rahmenhandlung im heutigen London (die beiden alten Männer in ihrer Klischee-Antikwohnung -- ein absolut unwirkliches und komisches Bild), dass der Film nicht sooo ernst genommen werden will wie viele Leute denken. Das ist ein trashiger Psycho-Thriller mit selbstironsichen Elementen. Als Zuschauer sollte man einfach etwas Lässigkeit und Coolness mitbringen, um das Ding zu genießen.
Erwähnen sollte man noch Romola Garais tolle darstellerische Leistung (das Gesicht kam mir übrigens bekannt vor, und nach fünf Minuten fiel es mir wie Schuppen von den Augen: das ist Briony aus "Atonement"). Reizend ist aber auch Juno Temples Schrottplatz-Stimme.