Review

Aus dem Jahr 2009, quasi dem Tiefpunkt der katastrophalen Finanzkrise, die 2008 begann, stammt diese bittere Komödie mit George Clooney, der hier als Flugmeilen sammelnder Workaholic quer durch die USA reist, um im Auftrag verschiedenster Firmen Mitarbeitende zu entlassen – und damit selbst sehr gut verdient. Als eine neue Kollegin (Anna Kendrick) diese Entlassungsgespräche per Videokonferenz durchführen lassen will und damit sein Traumziel von zehn Millionen Flugmeilen in Gefahr gerät, ändert sich sein Leben – und zwar mehr, als er für möglich gehalten hätte.

Regisseur Jason Reitman hatte bereits mit seinem ersten Langspielfilm „Thank You For Smoking“ einen überaus kritischen Blick auf Zynismus und Menschenverachtung des modernen entfesselten Kapitalismus geworfen. Auch in „Up in the Air“ gibt er erschreckende Einblicke in eine Human Ressources-Logik, die Menschen zu Objekten und die Zerstörung ihrer Lebensentwürfe zu notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen degradiert, um im Wirtschaftssystem zu überleben. Hier allerdings fällt diese Kritik deutlich subtiler aus, was gleichzeitig ein großer Pluspunkt des Films und doch irgendwie fragwürdig ist.

Die ganze Story steht und fällt nämlich mit den Charakteren. Die sind hervorragend ausgearbeitet: Clooney gibt seinen gestriegelten Businessman, der wildfremde Menschen mit Kalendersprüchen und einstudierten Phrasen entlässt, mit typischem Charme und Charisma, allerdings auch immer wieder einer gehörigen Portion Zynismus. Und da wird sein Charakter zwiespältig: Einerseits schimmert wiederholt seine Unterordnung unter die unbarmherzige kapitalistische Logik durch, etwa wenn er auf den Suizid einer von ihm gefeuerten Frau mit eiskaltem Opportunismus reagiert, andererseits wird er im Lauf des Films immer stärker als grundsympathischer, an der eigenen Lebensweise zweifelnder und zunehmend einsamer Mensch porträtiert. Trotz seiner ekelhaften Rolle in diesem ekelhaften System wird er eindeutig die zentrale Sympathiefigur des Films, deren Entscheidungen und Gedanken immer wieder zum Nachdenken einladen. Erstaunlicherweise funktioniert das ziemlich gut (besser als der moralische Umschwung von Kendricks Figur, die von ihrer aalglatten Systemorientierung durch die Konfrontation mit den echten zu entlassenden Menschen von ihren Ansichten geheilt wird), und das wiederum macht dieses Charakterkonstrukt so widersprüchlich und faszinierend zugleich: Die Fehler und fragwürdigen Ansichten der Figuren werden hier deutlich angesprochen, etwa ein latenter Rassismus, allerdings geschieht das oft so beiläufig und flüssig, dass es sich angenehm vom erhobenen Zeigefinger vieler anderer gesellschaftskritischer Filme abhebt. So kann man die hinter persönlichen Problemen wie Liebe, Einsamkeit, Zweifeln verborgene Kritik am unmenschlichen System, dessen Teil diese Figuren sind, hier deutlich angenehmer goutieren als in vielen vergleichbaren Filmen.

Hinzu kommt, dass das alles sehr gut gespielt ist. Nicht nur Clooney und Kendrick verleihen ihren Figuren Tiefe und Charisma, auch alle Nebenrollen überzeugen mit eindrücklichen Leistungen, von Vera Farmiga als noch durchtriebenerer Businesswoman bis J. K. Simmons als Angestellter, der entlassen wird – auch wenn der eindeutig zu wenig Screentime bekommt. Die Story wiederum gefällt meistens mit eben einem spannenden Mix aus privaten und kritischen Themen, fasert nur im Schlussteil leider etwas aus, wenn sie dann doch allzu konservativ eine Hochzeit und einen zweifelnden Bräutigam zeigt. Es bleibt dabei – „Up in the Air“ bietet eine spannende Mischung aus Grundlagenkritik und nicht ganz konsequenter Umsetzung der eigenen Hinterfragungen.

Formal ist das alles auf souveränstem Niveau umgesetzt. Kamera und Schnitt erzeugen einen temporeichen Rhythmus, der das arbeitsintensive Leben der Hauptfigur überzeugend widerspiegelt, aber nie überfordert und auch an den richtigen Stellen an Fahrt verliert. Der Score bleibt angenehm zurückhaltend und untermalt die meisten Szenen angemessen und leise. Und erstaunlicherweise schaffen es die Bilder von Flughäfen, Hotels und Konferenzräumen doch, die Attraktivität, die die Hauptfigur in diesem Leben sieht, begreiflich zu machen. „Up in the Air“ ist ein nicht immer konsequenter, aber gerade dadurch spannender und im positiven Sinne diskutabler Beitrag zum Thema moderner Kapitalismus und Menschlichkeit in einem unmenschlichen System, der nebenbei auch noch mit schlagfertigen Dialogen und trotz allem sympathischen Figuren bestens unterhalten kann.

Details
Ähnliche Filme