Als Country-Superstar Tommy zu seinem Vor-Act und Mentor Bad Blake auf die Bühne schleicht, ist dies nicht nur ein zauberhafter Moment aufgrund der Arena, der vielen Menschen, des Lichtes. Es ist auch ein Moment, der den Zuschauer im Unklaren lässt über Tommys Intentionen. Womöglich wollte er Bad die Pre-Sjow stehlen. Womöglich wollte er Bad durch seine Popularität helfen. Womöglich wollte er ihm seine Sympathie bekunden. Man weiß es nicht. Jedenfalls ist es ein atmosphärisch gelungener und natürlich rätselhafter Moment. Mit dieser einen Szene wäre aber auch schon das einzig Prickelnde und Zweideutige an "Crazy Heart" genannt, diesem von der Kritik kolossal überschätzten American Arthouse Drama-Einheitsbrei.
Vor der Endlosigkeit des Himmels und endlosen Landschaften Amerikas (also einem Setting, das Freiheit und Country-Romantik suggeriert) inszeniert der Film seinen Protagonisten, der ein recht unfreies und unromantisches Leben führt und eine desillusionierte Geisel der eigenen ruhmreichen Vergangenheit ist. Neben diesem ironischen Inszenierungskniff ist als positiv hervorzuheben, dass der Film die von seinem Protagonisten geschriebenen Songs einsetzt, um diesen zu charakterisieren.
Abgesehen davon ist dieses Drama, wie Thorsten Funke schon feststellte, sehr "lehrbuchhaft" und somit durchsichtig. Man weiß von Anfang an, dass Bad irgendwo ein von ihm entfremdetes Kind hat, lange bevor er diesen Umstand ausspricht. Man weiß von Anfang an, dass Bad wegen der Reporterin versuchen wird, sein Leben zu ändern. Man weiß von Anfang an, dass er die Frau am Ende trotzdem nicht kriegen wird.
Doch nicht nur ist es ein Film, der seinen verlorenen Protagonisten eine nach Schema F konstruierte Entwicklung/Wandlung durchleben lässt. Auch ist es ein Film, der über das Altern und vor allem über alternde Professionelle nichts zu erzählen hat, was bereichernder oder emotionaler wäre als "Quand j'etais chanteur", "Rocky Balboa" oder "The Wrestler".
Zudem schafft es der Film nicht, seinen Protagonisten in einen vernünftigen Kontext zu setzen: Blake ist stark gespielt und charakterisiert, sein gesamtes Umfeld hingegen ist auffallend blass und bietet keinen bereichernden Rahmen für sein persönliches Drama. (Anstelle von AA-Szenen mit "Hi, I'm Blake. I'm an alcoholic." hätte ich mir z. B. gewünscht, dass die interessante Beziehung/Rivalität zwischen Ex-Schützling Tommy und Mentor Blake vertieft worden wäre. Da wäre viel Potential vorhanden, aber "Crazy Heart" mArschiert beharrlich auf ausgelatschten Pfaden des amerikanischen Arthouse-Dramas und schnöder Charakter-Entwicklung.)
Ohne Jeff Bridges' ordentliche schauspielerische Leistung entwürdigen zu wollen: Die Figur Bad Blake ist auf Nummer sicher angelegt: Egal ob der Mann volltrunken in den Müll kotzt, ein kleines Kind im Einkaufszentrum verliert, unterwegs in Saft-Flaschen pisst oder sonst was abgeFucktes tut: Er ist immer sympathisch. Er wirkt immer wie ein Kumpel-Typ. Das ist ein Mann, den ich ohne mit der Wimper zu zucken zum Grillen einladen würde. "Crazy Heart" ist sichtlich darum bemüht, dass der Zuschauer den Protagonisten nicht negativ wahrnimmt. Damit macht er sich natürlich sehr einfach.