"Baby, wir drehen unseren eigenen Film!"
Ein beliebter und nicht immer schlechter Ansatz, vor allem, wenn die Anführer dieser kreativen "Revolte" eben die Autoren der französischen Genrefachpresse sind, die diesmal nicht immer nur über die harten Sachen aus dem eigenen Land schreiben wollen, sondern sie mal eben selbst ausprobieren.
Also machen sich die enthusiastischen Franzmänner selbst ans Werk und kreuzen in "La Horde" einen Cop-Revenge-Thriller mit dem allerneuesten Zombiemovie und lassen so richtig die Sau raus.
Das klingt jetzt nicht nur nach Futter für Genrefreaks, es ist auch wirklich genau das. Ohne Rücksicht auf Verluste eröffnet das Regio-Duo Dahan und Rocher das Feuer auf die Untoten und macht keine Gefangenen, hauptsache es kostet nicht zu viel und ist schön dreckig, da kann man dann endlich auch mal den Exzess wagen.
Inhaltlich wird da keine Lampe angezündet, aber solide Grundware geschaffen. Nach einem Polizistenmord wollen sich die Kollegen rächen, einer menschelt latent, die einzige Frau im Team hat das Ihrige dazu getan, daß das Opfer vielleicht nicht ganz so aufmerksam wie sonst war. Dennoch sind sich alle einig, in einem heruntergekommenen Vorstadthochhaus alles wegzupusten, was nach verbrecherischem Unterklassedreck aussieht. Das geht natürlich prompt schief, doch just als den "Helden" der Arsch auf Grundeis geht, weil sie schon vor der Mündung knien, kommt deux-ex-machina like die Apokalypse in Form einer Zombieinvasion auf das Haus zugewackelt, nachdem die Stadt schon ziemlich zerschrotet ist. Da man aber just auf dem Dach ist, gibt es nur eine Richtung...runter!
Es ist nur eine Marginalie an Plot, die hier zu Spielfilmlänge breitgetreten wird, die übliche Belagerungs/Ausgeliefertsein-Thematik, bei der man sich durch unbekanntes Gebiet zu kämpfen hat. Bei diesem Punkt wird für Fans so richtig der Hobel angesetzt, sinnfreie Ballereien und exaltierte Gewalt reichen sich die Knarren und obwohl man ja weiß, daß der Kopf dran glauben muß, wird bei den Untoten immer schön tief gehalten, dann kann mehr durchgezogen werden.
Was "La Horde" ein klein bißchen aus dem Sumpf der Mittelmäßigkeit heraushebt, ist seine interessante und sehr französische Grundsituation, die mit Familienkonstrukten, Schuld und Sühne und der Abneigung von Gesetz und Verbrechen zu tun hat. Zwei grundverschiedene Seiten mit grundverschiedenen Positionen, die sich dann aber doch ähnlich sind, stehen sich erst gegenüber und müssen dann zusammenarbeiten. Dabei wird immer fleißig sozialer Zündstoff in die Wunde gestreut: die einzige Polizistin hat als mißtrauisches Biest (und in der frühesten Phase schwanger) überhaupt keinen Rückhalt und muß sich gegen Gangster wie Kollegen durchsetzen; der Spielort ist eine runtergekommene Vorstadtsiedlung und sozialer Brennpunkt; die Finstermänner bestehen aus nordafrikanischen Immigranten und Varianten von "Zigeunern" und den einzigen "Partner" im Haus, den man findet, muß man als übergewichtigen Waffennarren, Ex-Soldaten und Wirrkopf ertragen, der in den Untoten die gelbe Gefahr sieht - Frankreichs Sünden der Vergangenheit kehren zurück.
Das alles ist aber nur Beiwerk in den zahlreichen Gewaltenverschiebungen innerhalb des Films, der nebenbei noch interessante Charakterstudien mit wenig Worten liefert, vom latent menschelnden zentralen Cop über die mürrische Polizistin bis zum schwarzen Dealeranführer mit dem kaum kontrollierbaren, dümmeren Bruder auf Koks.
Was mit ihnen geschieht, ist übrigens dann überraschend folgerichtig, die vier Autoren (darunter die Regisseure) kennen keine Verwandten und vermeiden erzählerische Klischees, was schließlich zu einem interessanten, aber desillusionierendem Finale über die moderne menschliche Natur als solche führt. Für Erklärungen bleibt in all diesen Feuergefechten und Schlachtfesten kein Platz, die Attacke der Toten erscheint nur folgerichtig an einem Ort und zu einer Zeit, in der jede moralische Integrität sowieso zugunsten von Gruppeninteressen zumeist aufgegeben wird, ersichtlich schon in der Beerdigungsszene zu Beginn, als die trauernde Witwe den einen Cop darum bittet, alle anderen vor tödlichen Dummheiten zu bewahren und den nächsten zur blutigsten Rache auffordert.
Woher die Toten kommen und warum sie auferstanden sind, bleibt ungeklärt, nur ein vager TV-Bericht erwähnt einen in Kraft getretenen Notfallplan, so daß man folgern kann, daß noch nicht alles im Arsch ist, aber für weltweite Perspektiven bleibt kein Platz - hier werden die Konflikte in kleinem Rahmen und mit großem Kaliber gleich vor Ort ausgetragen, wer zu lange nachlädt, verliert.
Insofern kann man also der exzessiven Gewalt fröhnen oder sich ein paar soziokulturelle Gedankenspiele machen, alles in allem ist das aber sorgfältig und detailliert gemacht, von dem üblichen wenig überzeugenden CGI-Blut in den Massenszenen mal abgesehen. Aber irgendwie kann man die Franzosen schon dafür bewundern, daß sie ihre sozialen Probleme so unterhaltsam durchhecheln - ob sich das jemand in Deutschland mit SEK, türkischen Gangs und Neonazis wohl so trauen würde? Klingt spannend, drehen wir doch nen Film... (6/10)