Review

Mario Bava, der schon zu Lebzeiten eine Legende war, errichtete sich 1964 sein eigenes Denkmal: "Blutige Seide".
Er lieferte hiermit nicht nur einen überragenden Film ab, sondern er begründete ein komplettes Genre, das auch nach seinem Tod im Jahr 1980 noch existierte. Es gab zwar auch schon vorher Filme die in diese Richtung gingen, darunter auch "The girl who knew too much", den er 1 Jahr zuvor selbst drehte, aber "Blutige Seide" gilt heute als der Urvater des Giallo.  Das Regelwerk sozusagen, an dem sich die weiteren Beiträge orientierten. Selbstverständlich erhielt das Genre auch eine Eigendynamik und zeigte verschiedene Ansätze und andere Prioritäten, aber nichtsdestotrotz erinnern viele Szenen der jüngeren Filmgeschichte an den Großmeister des italienischen Horrorkinos.  Selbst absolute Koryphäen wie Dario Argento ließen sich von der Virtuosität beeindrucken und auch beeinflussen. Wenn man sich "Blutige Seide", "Suspiria" und "Horror Infernal" anschaut und vergleicht, wird man viele Übereinstimmungen finden. Bei letztgenanntem arbeitete Mario Bava übrigens selbst mit.
Bei den Vergleichen stehen aber weniger die Plots im Vordergrund, sondern eher die kunstvolle Inszenierung. Das Farbenspiel und die Kontraste sind das Salz in der Legendenbildung.
Schon die Eröffungssequenz überwältigt mit grandioser Ausleuchtung und fantastischen Abgrenzungen der Farbenwelt.
Völlig eigen und unwirklich aber atmosphärisch kaum zu toppen.
Tiefes Blau und knalliges Rot dicht aneinander gedrängt, schimmerndes Grün und drohendes Gelb sorgen für Bilder die man nie vergessen wird. Hinzu kommen opulente Settings und ausladende Designs. Prunkvolle Einrichtungen in ein Farbenmeer getaucht, die durch die Schattenspiele einen durchgehend mysteriösen Hauch erhalten. Gerade durch die ständig im Bild erscheinenden Schaufensterpuppen wirkt alles immer unheimlich.
Der Plot tritt bei soviel Glanz fast etwas in den Hintergrund, aber wenn man ihn sich näher betrachtet ist er durchgehend interessant. Die Jagd nach dem Täter ist äußerst spannend und man weiß nie ob man auf der richtigen Fährte ist. Dafür gibt es zuviele Verdächtige und die Auflösung dürfte im Jahr 1964 für massenweise erstaunte Gesichter gesorgt haben. Zudem gibt es für das Erscheinungsjahr doch eine Reihe gut inszenierter Morde, die durchaus sehenswert sind. Besonders Mord Nummer 5, zähle ich zu den Schönsten der Filmgeschichte, auch wenn sich das wahrscheinlich befremdlich anhört. Durch die Kameraarbeit hat man aber auch keine Möglichkeit mit dem Opfer zu leiden, sondern ist der morbiden Virtuosität völlig ausgeliefert.
Gleichzeitig sind das aber auch die Veränderungen zu den späteren Werken des Genre. Die Brillanz der Kamera wich zu Gunsten der Brutalität und der Erotik etwas zurück. Wurde in den 70ern fast nur noch mit Stichwerkzeugen "gearbeitet", präsentierte Bava bei  jedem Mord einer andere Tatwaffe. Auch die Freizügigkeit war noch eine Andere. Liefen hier meist eher etwas leicht bekleidete hübsche Damen um ihr Leben, waren es einige Jahre später mindestens Halbnackte, die immer wieder in Softsexszenen zu finden waren. Trotzdem hat man die Grundregeln selten verlassen. Auch die obligatorischen schwarzen Handschuhe haben bei Bava ihren Ursprung.

Insofern haben wir es also mit einem Meilenstein der Filmgeschichte zu tun, den jeder Filmfreund zumindest gesehen haben sollte. Dabei ist es egal ob man ein Freund von Thrillern, Horrorfilmen, Slashern oder Krimis ist. "Blutige Seide" muss man einfach gesehen haben.

Details
Ähnliche Filme