Weltweite Scharen von Fans, mit dem Co-Star in Beziehung und im Bett, Kohle ohne Ende: kein Wunder, wenn ein angehender ernstzunehmender Hollywoodstar wie Kristen Stewart sich auf die Rolle einer dauerfluchenden, minderjährigen Stripperin stürzt wie der Verhungernde aufs erste Butterbrot.
Und grundsätzlich ist "Welcome to the Rileys" auch genau der semi-anspruchsvolle Ansatz, den man sich zum kreativen Freischwimmen möglicherweise wünscht: ein alterndes Ehepaar, perfekt dargestellt von James Gandolfini und der frisch gebackenen Oscarpreisträgerin Melisse Leo, hat vor einigen Jahren seine Tochter bei einem Autounfall verloren und schweigt sich seitdem ziemlich aus. Sie verläßt seit Jahren das Haus nicht mehr, er flüchtet sich in freundliche Kontakte mit einer Kellnerin, die regelmäßig im Bett landen. Als überraschend dieses (geduldete) Verhältnis endet, muß eine neue Lebensperspektive her, was nicht ganz so einfach ist, wenn die Angetraute bereits Name und Geburtsdatum auf den gemeinsamen Grabstein hat prägen lassen. Als Ex-Dad Doug also über die mit allen Wassern gewaschene, wenn auch nicht sonderlich gebildete Mallory stolpert, regt sich der Vaterreflex und der Gatte schreitet, unter Vernachlässigung zahlreicher sexueller Angebote, zur Tat...
Das mag keine sonderlich aufregende Geschichte sein, die Jake Scott, der Sohn von Altmeister Ridley, hier in vignettenhafte Bilder gepackt hat; sie ist ruhig, unaufgeregt und so betulich inszeniert, daß es manchmal schon deutlich an der Geduld des Zuschauers zerrt. Große Überraschungen gibt es bei diesem halbgaren Arthausauftritt (für richtiges Arthaus sind hier zu viele "Stars" am Start) in der ersten Hälfte keine, die Story funktioniert selbsterklärend. Erst nach und nach macht sich ein gewisses Verständnis, dann sanftes Sympathiegefühl für die Figuren bemerkbar, die der Plot immer einen Haken um das Erwartbare dieser Situation schlagen läßt. Daß es mit dem Ersatzvaterplan nicht so recht klappen wird, bleibt außen vor, das Thema bleibt unausgesprochen, vielmehr entpuppen sich die Figuren als zögerlich-zärtlich angenehm überrascht von der Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wird oder die sie zuteil werden lassen.
Stripperin Mallory will sich zwar nicht bevormunden lassen - und läßt sich zeitgleich die Zeit mit Doug bezahlen - schätzt aber seine unaufdringliche, aber bestimmende Art, ihr Haus zu reparieren durchaus und packt es nicht, ihn zum Teufel zu schicken. Doug selbst sucht verzweifelt nach Sinn und Aufgabe im Leben abseits seines erfolgreichen Berufs und geht vollkommen in seiner Aufgabe auf, ohne selbst Bedingungen oder Lohn für seine Mühen einzufordern. Als die größte Überraschung entpuppt sich aber Mutter Lois, die tatsächlich eigenhändig aus ihrem Heimexil herauskrabbelt, als es nötig wird - trotz der manchmal emotionalen und verbalen Funkstille sind die Gefühle für ihren Mann noch intakt, selbst wenn der eine Affäre hat.
Ruhig läuft "Rileys" von einem Punkt zum nächsten, ohne sich zum existenziellen Drama hochzuputschen oder alles in eitel Sonnenschein aufzulösen, vielmehr verharren die Figuren auf ihrem Selbst, um aber den entscheidenden nächsten Schritt in ihrem Leben anzugehen, wobei der weitere Verlauf bis zum Ende offen bleibt. Die eigene Offenheit in allen Handlungen und das aufkeimende Selbstverständnis, das auch den anderen "Familienmitgliedern" mitgeteilt wird, bringt aber alle einen Schritt weiter.
Das Problem an Scotts Film sind die mangelnden Höhepunkte, zu still tuckert der Film über die meiste Zeit dahin, die kleinen Spitzen sind auch wirklich klein, wenn auch anrührend. Und leider ist es auch nicht ganz so leicht, mit der engagierten Darstellung von Miss Stewart als Stripperin klarzukommen. Natürlich tut sie einen Höllenjob, "talkt dirty", provoziert, flucht und zieht eine Fluppe nach der anderen durch, wobei sie stets im Gesicht aussieht, als hätte man sie gerade aus dem Rinnstein gefischt, die Rolel entpuppt sich als Gesamtkunstwerk, allerdings spürt man dabei stets das Bemühen, hier mal etwas Anderes, Krasses, Besonderes abzuliefern, sich in eine andere Figur zu verwandeln, von einem natürlichen Prozeß ist leider nichts zu spüren. Gerade weil sie inzwischen ein bankabler Jungstar ist, wird man die "Bella Swan" aus "Twilight" nicht so leicht los (sofern man sie denn kennt), die rotzigen Zwischenbemerkungen wirken leicht pomadiert-betont und gewollt ruppig, die Hintergründe der Figur bleiben nebulös. Eine eher unbekannte Darstellerin, die sich dermaßen in eine "white trash slut" hineinsteigert, hätte eins A funktioniert, hier spürt man das darstellerische Projekt, das eine engagierte Darstellerin an sich selbst vollzogen hat, mehr für sich, weniger für den Film.
Dennoch, was ein schwerfälliges Drama hätte werden können, mit bleiernen Beinen und abgründiger Stimmung ist zu einem sehr behäbigen, aber überwiegend positiven Stück geworden, das einen mit ein bißchen Hoffnung im Herzen entläßt, ohne allzusehr auf bekannte dramaturgische Pedale zu drücken, die üblichen Klischeefallen werden vermieden, auch wenn am Ende der Film skizzenhaft und fragmentarisch wirkt. Szenen einer (anderen) Ehe, selbstüberwunden. (7/10)