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Im Remake eines skandalträchtigen 90er-Streifens von Abel Ferrara schickt Arthouse-Regisseur Werner Herzog Nicolas Cage als abgebrannten und drogensüchtigen Cop auf einen finsteren Trip: Als Detective McDonagh in New Orleans soll er kurze Zeit nach dem verheerenden Wirbelsturm Katrina den Mord an einer armen Einwandererfamilie aufklären. Das würde ihm sicher wesentlich leichter fallen, wenn er nicht permanent auf Drogen oder Schmerzmitteln wäre, durch seine Freundin, die Edel-Prostituierte Frankie (Eva Mendes), Ärger mit lokalen Gangstern und Politikern bekäme oder enge Kontakte zum hauptverdächtigen Drogendealer des Viertels hätte.

Das Porträt eines Gesetzeshüters, dessen moralischer Kompass stark verbogen ist und der selbst eine Gefahr für sich und seine Mitmenschen darstellt, fällt bei weitem nicht so radikal düster und pessimistisch aus wie seinerzeit bei Ferrara. Dennoch kann auch Herzog hier einige interessante Akzente setzen: So geriert sich McDonagh zwar immer wieder als Monstrum, wenn er etwa seine Dienstmarke und Autorität nutzt, um nachts auf dem Diskoparkplatz junge Pärchen zu überfallen und ihnen ihre Drogen abzunehmen, oder wenn er wehrlose alte Frauen brutalst bedroht. Dennoch findet er in entscheidenden Augenblicken immer wieder zur „richtigen" Seite zurück - sei es, wenn er einen Gefangenen nach dem Hurrikan aus seiner überfluteten Zelle rettet oder seinen rassistischen Partner (Val Kilmer) zurückpfeift. Auch wird wie selbstverständlich ein gesellschaftliches Milieu gezeigt, in dem seine extremen Ausfälle zwar durchaus anecken, aber immer wieder gedeckt und von gnadenlos opportunistischen Kollegen und Vorgesetzten verschleiert werden. In diesem Zusammenhang schlägt auch das irritierend einfache Rundum-Happy-End (das nicht wirklich eins ist) reichlich sarkastische Töne an.

Die Abgedrehtheit dieses „Bad Lieutenant" wird dabei auch formal immer wieder durch plötzlich hereinbrechende Kameraspielchen unterstrichen. Wenn er etwa anfängt zu halluzinieren und überall Eidechsen oder tanzende Seelen gerade Erschossener sieht, nimmt die Kamera, unterlegt von einem reichlich schrägen Soundtrack, gerne auch deren verzerrte Perspektive ein. Hier schimmern hin und wieder noch die formalen Experimente aus Herzogs Zeit im Neuen Deutschen Film durch, allerdings nie so dominierend, dass sie die Geradlinigkeit der Story stören würden. So zelebriert er das Taumeln seines Hauptcharakters auf der schmalen Linie zwischen Wahn und Wirklichkeit mit überaus sicherem Händchen.

Ein wenig schade und unverständlich ist es, dass der Zeitpunkt der Handlung - nur wenige Monate nach der weitreichenden Zerstörung ganzer Stadtteile durch Katrina - nicht genutzt wird, um ein Bild dieser am Boden liegenden und sich wieder aufrappelnden Stadt zu zeigen. Nach den einleitenden Überflutungsbildern könnte alles in jeder willkürlichen US-Großstadt spielen. Auch wirkt der Film zwischendurch hin und wieder recht ziellos und irritiert mit schwer glaublichen Szenen (wenn etwa der Buchhalter, gespielt von Brad Dourif, einfach in McDonaghs Büro spaziert und vor den Augen der schweigenden Kollegen seine Geldangelegenheiten klärt). Andererseits sind solche Szenen wiederum so absurd inszeniert, dass sie ein klein wenig auf der Halluzinations-Seite spielen könnten.

Insgesamt besticht „Bad Lieutenant" durch eine dreckige, zynische Story, die auf wirklich seltsame Weise doch immer wieder moralisch wird, hintergründige Ironie, gute Darsteller (allen voran Cage, der sich so abgefuckt durch den gesamten Film schleppt, wie man es seit „Leaving Las Vegas" nicht mehr erlebt hat) und schicke Hochglanzbilder. Ein kurzweiliger Bad-Cop-Streifen mit leichtem Hang ins Irreale - für Genre-Fans ein spannender Geheimtipp.

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