Manche Dinge kann man nur eine gewisse Zeit lang verdrängen, bevor sie sich mit unerbittlicher Wucht den Weg ins Bewußtsein zurück bahnen, wie ein kochender Geysir, der jahrelang unter einer langsam aber stetig bröckelnden Felsformation brodelt. Dann schießt der vergrabene und vergessen geglaubte Dreck plötzlich hervor und reißt alle mit, die mit ihm in Berührung kommen.
Ashley Steele (Raine Brown, Horror, Barricade, u. v. m.) hat mit ihrer schrecklichen Kindheit (Gewalt, Mißbrauch, Mord) abgeschlossen, hat sie tief in ihrem Inneren verbuddelt, als sie das Elternhaus vor vielen Jahren verließ. Nun, nach dem Tod ihres Vaters, ist sie zurück, voller Freude und voller Hoffnung. Das Wiedersehen mit ihrer alten Freundin Emily (Misty Mundae, The Rage) verläuft herzlich, und eine bedeutende Aufgabe fällt der begabten Künstlerin auch gleich in den Schoß. Sie soll für die Eröffnung einer Ausstellung etwas Besonderes kreieren, etwas, wovon man noch lange Zeit sprechen wird, wie die Kuratorin William (Alan Rowe Kelly) anmerkt. Da Ashley im Fitneßstudio ihres Bruders Adam (Dustin Kerns) jobbt, schlägt Emily ihr spontan vor, doch ihren eigenen Muskelmann zu basteln. Voller Tatendrang beginnt sie, die gut gebauten Männer zu skizzieren, doch ausgerechnet Emily ist es, die mit ihrer direkten, unverblümten Art dafür sorgt, daß sich die häßliche Fratze namens Vergangenheit über Ashleys attraktives Antlitz legt und das Kommando übernimmt. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf.
Wie in Pete Jacelones Debütfilm Psycho Sisters (1998) steht auch in Sculpture das "schwache" Geschlecht im Zentrum des Geschehens (nur keine Bange bei Erwähnung der Psycho Sisters... Sculpture ist um Klassen besser!). In diesem Falle ist es die traumatisierte Ashley, die den starken, muskelbepackten, bizepsgestählten, waschbrettbebäuchten Männern zu Leibe rückt und sich ohne zu fragen und wenig zimperlich nimmt, was sie braucht, um aus den besten Stücken ihr Kunstwerk "The Perfect Man" zu formen (das ist kein Spoiler, da es sehr früh klar ist, worauf das Ganze hinausläuft). Und so werden munter Extremitäten abgetrennt und Bäuche ausgeräumt, Kehlen geöffnet und Augen zerstochen, und eine zünftige Häutung darf ebenfalls nicht fehlen, schließlich kann auch ein schöner Rücken sehr entzücken. Die überaus blutigen Goreeffekte erinnern bisweilen an die (besseren) Arbeiten eines Herschell Gordon Lewis, soll heißen, sie sind heftig, billig und leicht zu durchschauen (die steifen Gliedmaßen deuten z. B. auf eine präparierte Schaufensterpuppe hin, und der Puppenkopf eines Enthauptungsopfers erinnert nur vage an den ehemaligen Träger), und trotzdem kann man ihnen eine gewisse Effektivität nicht absprechen.
Raine Brown liefert in der Hauptrolle eine überzeugende Vorstellung ab, ist gleichermaßen sexy und anziehend wie grausam und abstoßend, was den Zuschauer in ein ambivalentes Dilemma stürzt. Einerseits verspürt man Mitleid mit der Frau, die in ihrer Kindheit so viel durchmachen mußte und deren Lebenszug aufgrund dessen nun entgleist ist und steuerlos Richtung Abgrund pflügt. Andererseits ist ihre Vorgehensweise so dermaßen brutal und emotionslos, daß man hofft, jemand möge der durchgeknallten Künstlerin doch bitte endlich das Handwerk legen. Jacelone zieht die interessante, in Form einer großen Rückblende erzählte Geschichte sehr ordentlich wenn auch überraschungsfrei bis zum bitteren Ende durch, wobei ihm einige richtig starke Momente gelingen (wenn sich Ashley z. B. glückselig an einen eben ergatterten, bluttriefenden Torso schmiegt, erschauert man unwillkürlich), die diese Low-Budget-Independent-Produktion gehörig aufwerten. Im Prinzip ist Sculpture eine Art Splatter-Variante mit Psycho-Touch von Roger Cormans A Bucket of Blood, minus dem liebenswerten Camp und abzüglich dem unschuldigen Charme.
Am Ende bekommt die Kuratorin, was sie sich fatalerweise gewünscht hat, wobei hier schön der Bogen zum Beginn gespannt wird, wo die Enthüllung des Werkes bereits angedeutet wird: Die so obszöne wie groteske Monstrosität ist ein wahrer Show-Stopper, über den wohl noch lange, noch sehr lange, gesprochen werden wird.