Review

Nadja ist eine uralte Vampirin, die zusammen mit ihrem Diener Renley in New York nach Opfern sucht. Als sie die junge Lucy beißt, eskalieren die bis dahin gut laufenden Dinge: Nicht nur sinnt Lucys Ehemann auf Rache, auch kommt ihnen der Vampirjäger Van Helsing auf die Spur - und die führt letztlich bis nach Transsylvanien.

Diese an sich recht pauschal klingende Story kommt im Gewand eines fiebrig-faszinierenden 90er-Underground-Arthouse-Movies daher. Produziert (und mit einem kleinen Gastauftritt versehen) von David Lynch, entfaltet „Nadja" schon von den allerersten Bildfolgen an eine so finstere wie fesselnde Atmosphäre. Dazu trägt einerseits die wunderschöne Schwarz-Weiß-Fotografie bei: In grobkörnigen, oft verschwommenen Bildmontagen, eingefangen von umher schweifenden Kameras, deren Einstellungen sich oft überlappen, fließend ineinander übergehen oder in stark assoziativer Reihenfolge stehen, entwirft der Film ein mystisch entrücktes Bild des nächtlichen New York - einsame Großstadtseelen unter Neonlicht und vorüberziehenden Straßenlaternen, die in ihrer Hilflosigkeit geradezu notwendig in den Armen der Vampirin landen. Gerade das erste Drittel, in dem die Zusammenhänge zwischen den Figuren noch recht willkürlich und eher angedeutet bleiben, entwickelt einen ungeheuer lakonischen Sog, der in seiner Bildästhetik und der daraus sich ergebenden dichten Atmosphäre an die frühen Filme eines Jim Jarmusch denken lässt.

Zum anderen fesselt „Nadja" aber auch mit seinem psychedelischen Soundtrack, der irgendwo zwischen 90er-Electro und träumerischer Singer-Songwriter-Lyrik schwebt und den fiebrigen Schwarz-Weiß-Bildern den letzten, nahezu perfekten Schliff gibt. Die formale Kombination aus wunderbarem, medidativem Soundtrack und den schwermütigen, aber tief faszinierenden Bildfolgen der leicht surrealen Großstadt ergibt die atmosphärische Dichte, um die es den Filmemachern in erster Linie zu gehen scheint: der Vampirmythos als Sinnbild für menschenfeindliche Urbanität, für die verlorenen Seelen der Metropolen, deren Verschwinden in den finsteren Gassen der Stadt niemandem auffällt. Bildästhetisch gehört „Nadja" zu den großen Würfen und gleichermaßen zu den typischsten Vertretern des US-amerikanischen 90er-Arthouse-Kinos.

Der Inhalt bleibt dabei, wie schon angedeutet, etwas auf der Strecke. Nicht nur ist die Story bei näherem Hinsehen reichlich dünn und altbacken - und die Übertragung altbekannter Elemente des Dracula-Mythos ins moderne New York macht daraus noch lange nichts Neues - auch entwickelt sie gegen Ende eine recht seltsame Dynamik und verquaste Dramaturgie, wenn sich die Handlung nach Transsylvanien verlegt. Angesichts der fehlenden Oberflächen-Action des Films ist eine solche Schauplatzverschiebung mehr als unnötig. Dafür entschädigt wiederum die böse Schlusspointe, die gleichzeitig zur Ursprungsstimmung des Films zurückkehrt und einen wirklich guten Abschluss bildet.

Wären die Leistungen der Schauspieler nicht ganz so prätentiös, sondern etwas natürlicher, die Story einen Hauch zusammenhängender und manche Bildfolgen vielleicht nicht ganz so schwer verständlich, hätte „Nadja" ein grandioses Highlight des 90er-Vampirfilms werden können. So bleibt er wohl vorrangig einem aufgeschlossenen Arthouse-Publikum empfehlenswert - das allerdings wird sich an den fiebrigen Bildfolgen und der großartigen Schwarz-Weiß-Ästhetik ergötzen können. Atmosphärisch jedenfalls ist „Nadja" ein Film, der den Zuschauer lange nicht mehr loslässt.

Details
Ähnliche Filme