Es gibt doch immer wieder Tage im Leben eines Filmfans, die einem bewusst machen, wie eintönig und kommerziell das Hollywood-Output doch eigentlich ist. Immer diese hyperkinetischen Schnittorgien, die eine Explosion und einen Wirbelwind nach dem anderen im surrealen Effektgewitter aneinanderreihen, und immer diese „gewaltigen“ Bilder mit pompösen Score unterlegt. Ist ja alles schön und gut, nur stinkt dieser Mainstream eben mit der Zeit.
Doch genau dafür steht Hollywood wie keine zweite Filmschmiede.
Klar gibt’s da auch geschätzte und anspruchsvolle Meisterwerke.
Aber wie wäre es mal mit etwas ganz anderem?
Hong Kong mag eine schöne Alternative sein, ist aber mittlerweile auch recht ausgelutscht, und mit Bollywood fangen wir lieber gar nicht erst an.
Was bleibt da also noch übrig?
Japan, Südkore, evtl Thailand…
Doch was ist eigentlich mit Russland? Dem Land, welches alle Welt mit hochprozentigen Wässerchen aus dem Baikalsee versorgt? Das Land, das man nun wirklich nicht als aller erstes nennen würde, wenn es um internationale Filmklassiker geht.
Das wäre eigentlich nicht falsch, in Anbetracht auf Filmmeilensteine wie „Alexander Newski“ von Sergej Eisenstein, oder etwas aktueller „Ost-West: Eine Liebe in Russland“ der 1999 eine Oscar-Nominierung als bester ausländischer Film erhielt, mit Sergei Sergejewitsch Bodrow jun.; seines Zeichens Kunsthistoriker, Regessieur und eben auch Filmschauspieler, dessen etwas schräge und patriotische Darbietung des Danila Bagrow maßgeblich für nationalen Erfolg von „Brat“ verantwortlich war.
Unter der Regie von Aleksei Balabanov wird Sergej Bodrow in ein Gangsterdrama geschickt, welches sich atmosphärisch völlig von amerikanischen oder chinesischen Produktionen unterscheidet. Es ist eben typisch russisch…
Die Geschichte ist da noch das herkömlichste.
Danila Bagrow kommt frisch vom Militärdienst nachhause, und dessen Mutter bittet ihn seinen Bruder in St. Petersburg zu besuchen.
Als er ihn in seiner Wohnung trifft wird er in dessen kriminelle Machenschaften und Ärger mit der Mafia eingeweiht. Und weil russische Brüder immer zusammenhalten, hilft Danila seinem Bruder einige der Schergen aus dem Weg zu räumen, um das große Geld zu machen….
Auf seinem Plotweg trifft Danila unter anderem auf eine kleine Prostituierte, die in ihrer ersten Szene durch ihr freakiges Auftreten so wirkt, als würde sie später noch als eine Art nerviger Sidekick von Danila fungieren. Er trifft auch auf die verheiratete Frau Sveta (Sveta Pismichenko), von dessen Mann sie immer geschlagen wird; durch diese Umstände nimmt sie auch den Part der Love Interest ein.
Hin und wieder philosophiert Danila an der Parkbank mit einem Deutschen über deutsch-russische Mentalitäten (Was für den Russen gut ist, ist für den Deutschen der Tod), und geht auch regelmäßig in den Laden, um sich nach einer neuen CD seiner Lieblingsband zu erkunden.
Das Interagieren mit all den Personen, und all den Situationen denen Danila ausgesetzt wird zeigt dessen schrägen Charakter und zugleich dessen Menschlichkeit.
Er ist eigentlich ein lieber Junge, und macht einen freundlichen Eindruck, vor allem an der Theke wenn er mit der Verkäuferin spricht, und er versucht so gut es geht zu helfen und Beängstigte zur Ruhe zu bringen.
Das geht dann auch soweit, dass er meint sich in einem Gefecht „Fahrscheinkontrolleur vs. Schwarzfahrer“ einzumischen, und den Schwarzfahrer mit gezogenem Revolver zur Aushändigung der Brieftasche aufzufordern, damit er die Strafsumme herausnehmen, und anschließend Brieftasche dem Schwarzfahrer, und Geld dem Kontrolleur geben kann. LoL
Das ist nur eine von mehreren solcher Szenen. Wenn es sein muss, tötet Danila völlig ohne Skrupel und Gewissensbisse…natürlich nur auf vermeintliche Badguys, also Gangster.
Hart aber gerecht. So zumindest seine Lebenseinstellung.
Er ist kein Good Guy. Er ist nur ein Held auf seien Weise, und für das was er tut.
Und diese Vorstellung von Sergej Bodrow überzeugt auf ganzer Linie, nicht zuletzt weil sich hinter dem Bodrow ein Bagrow findet lässt, soll heißen Schauspieler und Film-Figur sind sich in Sachen Weltanschauung nicht ganz fremd.
Tatsächlich ist Sergej Badrow in seiner Heimat besser als „Danila Bagrow“ bekannt, so wie man etwa Jaleel White eher als Steve Urkel erkennt.
Der Kerl ist Kult, und gilt als das russische Gegenstück zu James Dean.
Seine lakonisch-trotzigen Sätze „Stärke liegt nicht im Geld, sondern in der Wahrheit“, „Russen lassen die Ihren im Kampf nicht liegen“ oder "Wir müssen unsere Heimat lieben, allein schon weil sie unsere ist" sind ein guter Grund dafür weshalb viele Jungs seinen Patriotismus kopieren, während Mädchen in ihm ein Sexsymbol sahen.
Auf dem Gipfel seiner Karriere, bei den Dreharbeiten zu seinem Projekt „Svjasnoj“ im Kaukasus wurde er leider samt 24-köpfigen Produktionsteam von einer Lawine erfasst. Möge er in Frieden Ruhen…
Um auf den Film wieder zurückzukommen sei eben gesagt, dass der Kultcharakter des Schauspielers aus Brat den russischen Kultfilm macht, der er ist.
Aber natürlich spielen da noch andere Faktoren eine Rolle, denn auch Regisseur Balabanov hat mit seiner Inszenierung eine entsprechende Atmosphäre geschaffen, die für Westeuropäer untypisch, gar billig sein mag, aber eben typisch russisch ist.
Die Optik macht nicht wirklich den Anschein einer Big-Budget Produktion. Der Regisseur verwendete exzessiv einen Braun-Filter, der für eine dreckige Atmosphäre sorgt und kommt es dann zu Actionszenen wird es besonders interessant.
Eigentlich sind diese nicht als „Action“-Szenen zu bezeichnen, sondern viel mehr gewaltsame Auseinandersetzungen in realistischer Inszenierung.
Denn wenn es zum Schusswechsel kommt, und das sind etwa 2-3 kurze Szenen, dann so, dass man nicht staunt, sondern eben nur den (schrecklichen) Gebrauch von Waffen sieht.
Keine blutigen Durchschüsse in Zeitlupe, keine kleinen Kugeln mit großer explosiver Wirkung, keine Fetzen die nur so um sich fliegen.
Nein, die Gewaltszenen beschränken sich auf eine minimalistische, aber auch höchst realistische Darstellung, die nicht gedreht wurden, um von den Socken zu hauen, sondern weil sie in den Plot gehörten um auch andere, weniger friedliche Seiten des Protagonisten zu zeigen.
Der geneigte John Woo Freak und Michael Bay Veteran dürfte bei diesen Szenen dennoch vor Gähnen einschlafen, oder vor Lachen umfallen. Unspektakulär ist das allemal, doch darf man hier eben nicht mangelndes Budget oder Inkompetenz vorwerfen, sondern muss verstehen, mit was für einem Film man es hier zu tun hat.
Ein russischer Film, mit Elementen des Dramas und des Krimis, sowie einem politisch inkorrekten Protagonisten der seine Weltanschauung und seinen Lebensstil präsentiert.
Brat hat bei mir einen doch recht guten Eindruck hinterlassen, obwohl er stellenweise auch sehr negativ auffallen kann. Der Film ist sehr gewöhnungsbedürftig. Das ist vor allem am Anfang, bei der alles andere als flüssigen Erzählstruktur der Fall, wo alle 5min eine Ausblende erscheint, um quasi ein neues Kapitel im Film zu zeigen. Doch hat sich das erstmal gelegt, muss sich der Westeuropäer mit der Kultur des Filmes anfreunden, denn so wie der Film aussieht (untere B-Movie Optik mit Braunfilter), so wie der Film rüberkommt (anfangs ständige Ausblende zur nächsten Szene), und so wie hier einiges dargestell wird (russische Kultur) ist das eben nicht für jeden zugänglich.
Alles andere als Mainstream. Zwar war der Film innerhalb Russlands ein Mega-Erfolg, doch auch da gibt es mittlerweile viel kommerzielle 08/15-Ware, woraus sich dieser Film abhebt. In Russland eben nach oben. Doch wo anders ist dieser Film mit Vorsicht zu genießen. Denn dank des Hauptdarstellers und dessen russischen Mentalitäts-Philosophien, muss man eben auch selber Russe sein um dem Film begeistert folgen zu können. Kein Film für die Welt, sondern Ein Film für Russland.