Für die ganz großen Liebesgeschichten geht man doch immer wieder gern ins Kino, anrührend, lustig und mit allem Drum und Dran, von ersten Rendezvous mit zum ganz großen Kuss. Zwischentöne sind da schon seltener zu sehen. Und sperrige Liebesgeschichten, die man sogar der Realität zutrauen könnte, kommen noch seltener vor, dafür fühlt man sich ggf. aber auch besonders von ihnen angesprochen.
Wer von der eckpunkthaften Konfektionsware aber mal weg möchte, der kann sich glücklich schätzen, daß Buck den autobiographischen Roman von Benjamin Prüfer zum Filmthema erkoren hat, denn hier geht es endlich mal nicht um Liebe der Liebe wegen, sondern um Liebe zwischen sehr verschiedenen Menschen, um Liebe aus Verständnis, aus wortlosem Gefühl, aus Verantwortung, die eben dazu auch mal übernommen werden muß.
Der junge Deutsche nach dem Schulabschluss und vor dem Eintritt ins Berufsleben und die Tochter einer vielköpfigen kambodschanischen Familie, die aus der Notwendigkeit geboren zeitweise die Position einer Prostituierten einnimmt, das ist ein ungewöhnliches Paar in Zeiten von Sextourismus, Elend, Armut und HIV.
Und prompt findet man von allem ein wenig in dieser Geschichte, die neben einer fluffigen Form von "love story" eben auch noch viele andere Themen von brisanter Aktualität zumindest anreißt: AIDS, die Versorgung der Betroffenen in armen Ländern, Jugendprostitution, Drogentrips - aber dabei nie zu einem dauerkritischen Drama verkommt, es sind einfach nur Steine im Fluss des Lebens, an denen man vorbei oder über die man drüber muß - wenn man nicht stattdessen umkehrt.
Denn viel schlimmer, viel einschüchternder, sind die alltäglichen Dinge des Lebens in diesem leisen Kultur-Clash, hier die gut situierte, deutsche Familie, der Medienjob, der Spaß neben dem Erwachsenwerden; dort in Kambotscha eine andere Form des Zusammenlebens, eng beeinander, aber intimer, geschlossener. Eine distanziertere Form von "liebevoll", eher ärmlich, übervölkert, doch stets mit einem Plan fürs Leben: Hochzeit, ein Haus muß her, Leben im Jetzt und alles dafür tun, was eben notwendig ist, ohne große Klagen, aber mit Akzeptanz.
Buck fängt mit der ihm eigenen Lakonie diesen Bilderbogen aus zwei Welten ein, die beide weder gut noch schlecht, weder vorzuziehen noch abzulehnen sind. Gefühle kommen eben nicht immer vorgefertigt, absehbar und mit locker zu bewältigenden Konsequenzen, eine ganze Welt will dafür erschlossen sein. Und so sicher wie es in Deutschland scheint, so kalt und unpersönlich wirkt der Praxisjob, so warmherzig die Eltern, so egoistisch der sonst hilfreiche Bruder mit seiner Büroliebschaft - und auch die präsentiert ihre zwei Seiten. Im Gegensatz dazu scheint Kambodscha unter der Tourismusfassade laut, voll, vermüllt, unsicher und heruntergekommen zu sein, enthüllt aber nicht nur Sumpf- und Verbrechensklischees, sondern präsentiert die Familie als eine uns eher fremde Form, mit anderen Vorgaben und Erwartungen.
Und dazwischen schwebt eben, meistens wortlos und noch öfter gegen die Erwartungen steuernd, die Beziehung zwischen den Hauptcharakteren.
Doch so üppig ausgestattet und geschickt vollgepackt, wie Bucks Film erscheint, so schwierig macht diese entspannte Form von Schilderung, kritischen Ansätzen und naturalistischem Spiel den Zugang für den Zuschauer.
Da müssen dann die Darsteller helfen und hier fangen die ernsthafteren Probleme an, denn so zurückhaltend und interpretierbar wie die vielen Themen, die hier angeschnitten werden, wurde auch das Spiel der Figuren angelegt. Ben mag zwar ein ungewöhnlicher Junge sein, der sich nicht nur durch Asien vögelt und Drogen schmeißt, bis er kotzt - aber die Faszination der Reise, des Landes und die für seine kommende Freundin geht David Kross leider meistens ab, bis er sich zum beobachtenden Enigma entwickelt.
Irgendwo will sich der Zuschauer dann doch einklinken können, aber Ben bleibt meistens Spielball und entwickelt dann plötzlich aus dem Nichts heraus einen gewissen Aktionismus, der zwar thematisch gefällt und dem man auch folgen möchte, der aber zu dem nett dastehenden Schweiger mit den großen Staunen in den Augen nicht so ganz passen will. Gut, es geht darum, daß sich ein gerade dem Teenageralter Entwachsener in ein großes Abenteuer stürzt, aber außer große Augen zu machen, zeigt Kross hier leider wenig.
Passend dazu muß Apinya Sakuljaroensuk als kommende Freundin/Frau größere Teile der Dialoge tragen und das gerät leider zu einem endlosen konsonantenverschliffenen Singsang mit leider nicht einem Fünftel der mimischen Ausdrucks, den Kross seinen Schuljungenblicken aufzwingen will.
Aktion erfährt man eigentlich nur von den bewegten Nebenfiguren, Kumpels, Urlaubsbekanntschaften, Verwandte, Freundinnen des Bruders, Menschen auf dem Weg - und die präsentieren meistens Standards, gewisse erwartbare Stereotypen - weswegen man für so etwas dann auch nicht unbedingt Leute wie Mario Adorf oder Olli Dittrich hätte engagieren müssen, die nett gemeinte Cameos abliefern.
Nähe und Verbundenheit lassen sich immerhin spüren, aber das ist zu wenig für all das Geschehen und die Aktionen, die die Beziehung schließlich auslöst - ein Voice Over Bens zu Beginn findet später keine Entsprechung und so fühlt man sich dann doch ziemlich oft ziemlich allein gelassen mit dieser Story, die zwischen und über allem schwebt und so leider das Echte, das Wahrhaftige, das Gefühl nicht vermitteln kann, obwohl aufgrund autobiographischer Basis genau das möglich gewesen wäre. Nur hätte das wieder nach Filmindustrie und Dramatisierung gerochen - und Buck will auf Teufel komm raus mit der Vorlage nicht wie ein typischer Regisseur umgehen, Drama mit möglichst wenig breitgetretenen Dramen erzeugen.
Man kann Bucks Film lieben, weil er eben anders ist, näher oder ferner an der Realität, aber dann doch in erster Linie untypisch, aber das muß nicht automatisch dann eine Geschichte werden, mit der man sich verbinden, an die man sich koppeln kann. Die Story ist schön und mehr Geschichten im wahren Leben sollten vielleicht so enden, aber dann ist hier doch zu viel gewollt und zu wenig fokussiert. Filmen heißt eben manchmal doch leicht trimmen, strukturieren, straffen, kürzen, zugänglich machen - oder man hat Darsteller, die das perfekt umsetzen können. Das hier ist naturalistisch und leicht, nicht gekünstelt und gestellt; und dann doch irgendwie egal und unpräzise, man verlangt mehr von allem. Noch etwas schlimmer vielleicht: man verlangt dann doch lieber nach dem Buch. (6,5/10)