An dieser Stelle kann ich mich ja mal als ein Fan der Neuen Deutschen Welle outen, auch wenn ich unmittelbar nach ihrem Ende auf die Welt gekommen bin. Sicherlich kann ich bei der mannigfaltigen Auswahl, die sie bot, nicht behaupten, mit allen Beiträgen etwas anfangen zu können, doch die heute noch geläufigen Trio mit „Da da da“, Peter Schilling mit „Major Tom“ oder Spider Murphy Gang mit „Skandal im Sperrbezirk“ strahlen eine seltsame Faszination aus, der ich mich zugegebenermaßen nicht entziehen kann. In dieselbe Sparte fällt Nena, die mit „99 Luftballons“ einen Welterfolg landete.
Wolfgang Büld, Regisseur verschiedener Musikdokus wie „British Rock“, hielt es nun für eine großartige Idee, die NDW auch auf die Leinwand zu bringen, und zwar in Form eines Kinofilms mit zwei Größen der damaligen Musikszene: Markus Mörl und eben Nena. Tatsächlich erwies sich „Gib Gas – Ich will Spaß!“ als ein Überraschungshit mit immerhin 1,5 Millionen Besuchern und gab Büld und den Produzenten im Nachhinein Recht. Da konnten Kritiker hinterher noch so sehr darüber fluchen, daß der eigentliche Sinn des Films gewesen sei, durch die zahlreich darin enthaltenen Musiktitel das Publikum dazu zu verleiten, brav die Platten der Protagonisten zu kaufen.
Heutzutage sieht man das natürlich mit ganz anderen Augen und fragt sich vielmehr, wie dieses durch und durch belanglose Filmchen überhaupt erfolgreich sein konnte. Erzählt wird ein extrem schlappes Road-Movie, in dem die hibbelige Tina (Nena) mit dem gutmütigen Robby (Markus), der in sie verliebt ist, eine Motorradtour durch Deutschland, Österreich und schließlich Italien macht, um mit dem aufgeblasenen Frauenhelden Tino (Endrick Gerber von der Band „Morgenrot“) durchzubrennen, was Robby freilich nicht weiß. Auf dem Weg gibt es erwartungsgemäß einige Hindernisse zu überstehen. So überlebt der Roller den Film nicht. Das ist alles entsetzlich zahm und kindgerecht aufbereitet, ohne Biß, ohne wirkliches Konfliktpotential und natürlich auch ganz ohne Überraschungen, weil schon nach fünf Minuten klar ist, in welche Richtung die Story am Ende abbiegen wird.
Beeindruckende Schauplätze gibt es ebenso wenig (man könnte vermuten, wenigstens Venedig böte ein wenig was fürs Auge, aber Pustekuchen), wofür der Produktion allerdings schlichtweg die Geldmittel fehlten. Stattdessen muß man sich mit waldigen Landschaften, Pensionszimmern und verlassenen Berghütten begnügen, in denen sich die kleinen Kabbeleien der beiden Hauptfiguren abspulen, die sich natürlich zwangsläufig auf so einer Reise ergeben. Hinzu kommt ein durchweg harmloser Humor, der nicht mal sonderlich weh tut wie die schmerzhaft unkomischen Musik-Klamotten mit Peter Alexander oder Heintje, weil er so nichtssagend ist und sich auf Neckereien wie „Tina und Robby spritzen sich naß“, „Robby dreht den Zuckerstreuer auf, daß sich der Inhalt beim Nachzuckern über Tinas Teller ergießt“, „Robby kann kein Zelt aufbauen“ oder „Tina haut mit Markus’ Motorrad ab“ beschränkt. Halbwegs lustig vielleicht der Einfall, Karl Dall gleich in fünf verschiedenen Rollen auftreten zu lassen: als LKW-Fahrer, als Busfahrer, als Pilot, als Schaffner und als Bootskapitän. Allerdings wird aus der Prämisse so wenig Witz gezogen, weil Dall sich einfach selbst spielt, so daß es bei dem Originalitätsversuch bleibt. Spannung gibt es selbstverständlich auch nicht, was man schon daran ablesen kann, daß die spektakulärste Szene die ist, in der Robby seine Tina von einem sich im Abflug befindlichen Flugzeug ziehen muß, weil sie sich beim Singen dort eingeklemmt hat.
Wenigstens gelingt „Gib Gas“ das Kunststück, immer in den Momenten Songs einzustreuen, in denen der Zuschauer kurz davor ist, den Schlaf der Gerechten zu träumen. So unlustig die turbulente Eröffnungsfahrt von Markus auf seinem fahrbaren Untersatz auch ist, wenn er z.B. seinen Lehrer auf einem Markt in den Eierstand fallen läßt, zumindest darf er dabei „Ich will Spaß“ singen (wenn man das, was Markus tut, wohlwollend als „singen“ bezeichnen möchte). Zwischenzeitlich kommt der Film tatsächlich mal eine runde Viertelstunde ohne ein Lied aus, doch dann folgt wieder eins, und ein Hauch von Aufmerksamkeit ist wieder da. In der Hinsicht die Höhepunkte sind neben „Ich will Spaß“ sicherlich Nenas auf dem Fahrrad zum Besten gegebene „Nur geträumt“ und das Duett „Kleine Taschenlampe, brenn“ in der hell beleuchteten Waldhütte.
Funktionieren kann der Film aber allein schon aus dem Grund nicht, da die Chemie zwischen unserem Pärchen einfach nicht stimmt. Nena bringt für eine Schauspielunerfahrene immerhin das Mindestmaß an Natürlichkeit rein, weshalb man fast glauben könnte, sie hätte vorher wenigstens schon mal in einer Schüleraufführung auf der Bühne gestanden (und sie zieht ganze drei Mal blank, wenn auch nur mit dem nackten Rücken zur Kamera), wohingegen Markus einen absolut langweiligen Milchbubi darstellt (mit der dazu passenden peinlichen Frisur), der er im wirklichen Leben ja auch ist. Seine Zeilen spricht er emotionslos und er agiert allgemein ohne einen Funken Talent. In der größten Nebenrolle dilettiert Endrick Gerber als Macho Tino mit Overacting vor sich hin, während Extrabreit einen in die Hose gegangenen, als Gag gedachten Gastauftritt als die „Phantastischen Fünf“ hat, in dem man Nena vor einer zudringlichen Gang verteidigt. Lustig: Tinas und Robbys Mitschüler Andy Eckelmann, von Peter Lengauer verkörpert, wird deutlich hörbar von einem Martin Semmelrogge synchronisiert.
Man muß schon ziemlich hartgesotten sein, um „Gib Gas – Ich will Spaß!“ ohne Ermüdungserscheinungen innerhalb der knapp anderthalb Stunden zu überstehen: das Road-Movie selbst ist endlos unspektakulär und langweilig, der Humor einfach nicht witzig, die Darsteller größtenteils einfach schwach. Dennoch haben wir es nicht zuletzt durch die deutschen Lieder mit einem Relikt aus den frühen 80ern zu tun, kurz vor dem Ende der NDW, einer Zeit, die man wohl nur nachvollziehen kann, wenn man in den 70er Jahren geboren wurde. Insofern kann man sich als 84er Jahrgang fast schon für den kleinen Ausflug in eine vergangene Musikepoche bedanken. Irgendwie charmant harm-, allerdings dadurch nicht weniger belanglos. 3/10.