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Aldo (Joe Dallesandro) ist zur Hälfte Italiener, zur Hälfte Amerikaner. Er schlägt sich als windiger Kleinkrimineller, hauptsächlich als Zigarettenschmuggler, in Neapel durch. Als er versucht, für sich selbst etwas abzuzweigen, wird er gestellt, böse verkloppt, sein geliebtes Motorrad verschrottet und er muss die Stadt verlassen. So flüchtet er zu seinem Cousin nach Rom, der mehr schlecht als recht versucht, ein bürgerliches Leben mit Frau und Kind zu führen. Aldo überredet ihm zu einem vermeintlich todsicheren Diamantenraub, aber die Diamanten entpuppen sich als hochbegehrtes Heroin, hinter dem Don Enrico und die Mafia auch her ist. Trotz hohem Blutzolls schafft es Aldo, einen Deal mit seinen Verfolgern zu schmieden und steigt danach langsam, aber sicher in der Fresskette auf...nach ganz oben... Aber dort ist die Luft ja bekanntlich dünn...oder bleihaltig.

Pasquale Squitieris 1975 gedrehtes Krimidrama mit Little Joe Dallesandro und seiner damaligen Geliebten Stefania Casini als Freundin Luciana zählt sicher zu den besten Filmen, die Dallesandro in seiner Zeit in Italien gedreht hat. Anders als viele andere seiner italienischen Produktionen (die ich größtenteils dennoch sehr mag!!) aus den 70ern ist dieser Film definitiv nicht kolportagehaft, trashig, spekulativ, unfreiwillig komisch etc. Dazu ist Squitieri einfach ein zu professioneller, guter Regisseur, der dieses neapolitanische Milieu auch aus eigener Erfahrung kannte und einige sehr erfolgreiche Filme dort drehte.
Aldo bleibt fast immer ein unsympathischer Charakter: nur auf seinen Vorteil bedacht, brutal, verschlagen, bauernschlau. Lediglich als er seine spätere Geliebte Luciana kennenlernt, ist er sanft, freundlich, liebevoll. Diese Momente des Glücks sind auch die einzigen, in denen er wirklich glücklich und gelöst wirkt. Sonst ist sein rastloser Wille nach oben zu kommen immer dominierend. Er geht auch über Leichen, um dieses Ziel zu erreichen...und als er endlich oben ist, so wirkt er noch unzufriedener, als er eh schon war. Noch leerer sein Leben, noch schlechter seine Beziehung inzwischen zu Luciana, die von seinem brutalen Ehrgeiz abgestoßen ist. Eine der bemerkenswertesten Szenen des Films ist am Ende die, als Aldo mit seinem fetten Rolls-Royce durch die engen Gassen Neapels fährt und Lire verteilt an die Straßenkinder. Nah an seiner Herkunft und doch unendlich weit davon entfernt, umgeben von brutalen Hofschranzen und erst eine Konfrontation mit seinem alten Boss (Raymond Pellegrin) öffnet ihm die Augen...wohl zu spät.

Manche Szenen waren zu lang, manches Mal kam Joe an seine darstellerischen Grenzen, aber Squitieri (der ursprünglich Franco Nero als Hauptdarsteller vorgesehen hatte) schaffte es, viel aus ihm herauszuholen und die vorzügliche Musik von Franco Campanino ist atmosphärisch und dicht.

Kurzum: ein gelungener Genrefilm zum Aufstieg und Fall eines Gangsters in Neapel, düster, bitter und (meistens) packend. Einige Szenen sind geradezu dokumentarisch beklemmend (so Aldos erster Mord oder das Geschehen um seinen Cousin). Schön auch die VÖ von Arrow aus Großbritannien, die ihre Kohle wert ist, samt spannenden Interview mit Joe Dallesandro und gutem Booklet. 7/10.

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