Uwe Boll und der Amoklauf – mit „Amoklauf“ und „Postal“ hatte er sich des Themas bereits angenommen, keiner erhielt jedoch so positive Resonanz wie nun „Rampage“.
Bill Williamson (Brendan Fletcher) ist der Antiheld und Amokläufer dieses Films, eine ziemlich gescheiterte Existenz mit schlechtem Job, der von seinen Eltern ständig belatschert wird doch mal was aus seinem Leben zu machen. Jedoch inszenierte Boll das Ganze nicht als „Falling Down“-Moment des Überkochens, der Amoklauf Bills ist geplant: Er bastelt sich eine Kevlarrüstung, hortet Waffen und spielt Normalität, während er seine Tat plant, von welcher der Zuschauer eben von Anfang an weiß, dass sie passieren wird.
Nach kurzer Exposition und einigen Flashfowards, die Zuschauer noch nicht deuten kann, ist es dann auch soweit: Brendan legt sein Montur an, schaltet als erstes die örtliche Polizei aus und beginnt dann in den Straßen seiner Heimatstadt zu wüten…
Die Amokläufe und das Medienecho zeigen es: Amokläufe sind etwas, das man nicht begreifen kann, das also in gewissen Sinne sinnlos ist, und so mag „Rampage“ den Versuch darstellen sich dem Gegenstand auf Augenhöhe zu nähren, denn in gewisser Weise ist auch Bolls Film sinnlos, hinterlässt in seinem recht offenen Charakter erst einmal Ratlosigkeit beim Zuschauer. Boll verzichtet erfreulicherweise auf Küchentischpsychologie und einfache Antworten – leider, indem er auf jedwede Antwort verzichtet, sieht man vom Ende ab, das man aber auf mehrere Weisen verstehen kann. So bleibt der Film über weite Strecken zwar nüchtern und dokumentarisch, aber auch furchtbar leer – es bleibt beim Visualisieren des Amoklaufs, ein Erklären gibt es nicht.
Sucht man nach Erklärungen, dann wird gerade das Ende des Films durchaus problematisch. *SPOILER* Im Gegensatz zu realen Amokläufern sucht Bill ja nach einer Möglichkeit nach der Tat weiterzuleben und seine Identität geheim zu halten. Will man seine Tat jedoch auf den Bankraub alleine reduzieren, so wäre „Rampage“ schlicht und einfach geschmacklos, eine Perversion des caper movies, die Massenmord als Ablenkungsmanöver in allen Regenbogenfarben filmt. Die finale Videobotschaft deutet aber an, dass Bill eben doch weitergehende Gründe hatte, das Geld nur vielleicht zur Finanzierung seines Lebens in Vorbereitung auf den nächsten Amoklauf benötigt. Doch genau das schwächelt der Film wieder: Da Amokläufer eben singuläre Taten begehen, entfernt man sich eben vom Realismuskonzept. *SPOILER ENDE*
An sich ist „Rampage“ formal durchaus interessant, denn der mockumentary-Stil wird über 84 Minuten konsequent aufrecht erhalten: Triste, gewissermaßen „ungestylte“ Bilder, wackelige Handkamera und gelegentliche Egoperspektiven erzeugen den Mittendrin-Effekt, dem nur gelegentliche Ästhetisierungen in die Quere kommen: Ein formschön in bester Actionfilmtradition durch die Luft segelndes Auto nach einer Explosion will nicht zum Rest des Films passen, der sich Realismus auf die Fahnen schreibt. Zudem hapert es gewaltig mit der Logik: Bills Ausschalten der Kleinstadtpolizei wirkt überzogen und realistisch, ist aber noch zu verschmerzen. Dass die Nachbarstädte danach allerdings zwei popelige Streifenwagen und keine vierzig S.W.A.T.-Teams zum Ort des Gemetzels schicken und dass es scheinbar keine Medienbericht während der Tat gibt, wo eigentlich der Himmel eigentlich mit Nachrichtenhubschraubern vollgestopft sein müsste, das will einfach auf keine Kuhhaut gehen. Etwas befremdlich wirkt es dann leider auch, wenn Boll bei einigen Erschießungen Wehrloser doch etwas zu freudig draufhält, auch wenn er sonst Geschmacklosigkeiten meist vermeidet.
Darstellerisch geht Bolls Film in Ordnung, Brendan Fletchers Leistung ist mehr als brauchbar, von den Nebendarstellern lässt sich ähnliches sagen. Handwerklich ist der Film also durch die Bank weg solide, einige Szenen entfalten ihre volle Wirkung aber nur mit entsprechendem Hintergrundwissen, z.B. dass das Stürmen des Bingosalons keine gestellte Szene ist, sondern in einem tatsächlichen Bingosalon gedreht wurde und die unbewusst zu Darstellern gewordenen Spieler tatsächlich so unbeteiligt drauf reagierten.
Anhand verschiedener Deutungen in Kritiken, Kommentaren, Internetforen usw. lässt sich ablesen, wie offen „Rampage“ letztendlich ist – jede Deutung hat durchaus ihre Berechtigung, denn einfach macht Bolls Film es dem Zuschauer nicht. Er ist ein filmisches Experiment – in seinem Mangel an Aussagekraft und gelegentlichen geschmacklichen Schnitzern aber nicht unbedingt ein gelungenes.