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Ironischerweise sollten Thrillererfolge Curtis Hanson Carte Blanche für sein Thrillerepos „L.A. Confidential“ geben, nachdem er sich dann in anderen Genres betätigen konnte. Der Kassenhit „Am wilden Fluss“ war der letzte Film vor der besagten Ellroy-Adaption.
Hauptfigur ist Gail Hartman (Meryl Streep), die daheim zwar als brave Ehefrau und Mutter domestiziert ist, doch bei ihr handelt es sich um einen echten Wildfang: Expertin im Rudern, früher als Guide bei Wildwasserfahrten tätig und auch sonst wesentlich patenter als ihr Schluffi von Architektenehemann, Tom (David Strathairn), der wegen seiner Arbeit die Kiddies vernachlässigt.
Zum Geburtstag von Sohnemann Roarke (Joseph Mazzello) will man eine Bootstour unternehmen, zu der Tom nachkommt, nachdem es anfangs so aussieht als ob er es gar nicht schaffe. Beim Ablegen und auch später trifft die Familie immer wieder auf Wade (Kevin Bacon) und zwei seiner Kumpane, die mit wesentlich weniger Erfahrung den Fluss runterpaddeln. Roarke findet die Typen, vor allem Wade, irgendwie cool, eine Alternative zu dem Waschlappen-Daddy, wie man schnell merkt.

Bei einer Begegnung sind dann nur noch Wade und sein Kollege Terry (John C. Reilly) übrig – der dritte Mann, ihr Guide, hätte verletzungsbedingt aussteigen müssen. Da die beiden vollkommen aufgeschmissen sind, will Gail ihnen helfen zum nächsten Ausstiegspunkt zu paddeln. Was die Hartmans nicht wissen: Bei den Männern handelt es sich um Räuber auf der Flucht…
Teilweise etwas sehr euphemistisch als ’„Die Hard“ on a boat’ beschrieben versucht „Am wilden Fluss“ mit dem begrenzten Raum des Bootes zu spielen, der im Gegensatz zur weiten Natur drumherum steht. Jeder Halt bietet an sich die Möglichkeit zur Flucht, doch der Film zeigt, wie geschickt die Bösewichte die Familie an sich binden – je größer deren Verdachtsmomente werden, desto offensiver gehen die Räuber vor, wobei sich der Film ziemlich lange Zeit lässt bis er endlich das enthüllt, was die meisten Zuschauer schon wissen, da Trailer, Kritiken und ähnliche Paratexte ja bereits ankündigen, was die Jungs auf dem Kerbholz haben.
Insofern kommt es dann wenig überraschend, wenn die Fassade der Freundlichkeit fällt, Waffen gezogen werden und das Ganze zum handfesten Kidnapping ausartet. Ab hier nimmt „Am wilden Fluss“ dann kontinuierlich Fahrt auf, denn nicht nur die Gefahr durch die Gangster, sondern auch die durch Mutter Natur legt zu: Stromschnellen müssen überwunden werden, da man passend zum Finale ein besonders hartes Stück Fluss passieren muss. Danach kommt dann der recht handelsübliche Showdown mit kitschiger Familienzusammenführung, so wie sich das halt für besonders brave Hollywoodfilme gehört.

Und tatsächlich gehört das Familiengehabe zu den großen Schwachpunkten des Films: Der bockige Sohn nervt irgendwann (womit die Rolle durchaus realistisch angelegt ist), während man Gail dermaßen zur Übermutter stilisiert wird bis es pathetisch und fast schon unfreiwillig komisch wird. Was schade ist, denn die Konstellation des Ehepaares Hartman stellt die Geschlechterrollen herrlich auf den Kopf, mit Tom als häuslichem Typen und Mutter Gail als waschechtem Naturburschen, der mit den Kiddies Rudern und Angeln geht. Schade auch um echt gut getricksten Raftingszenen, die wesentlich aufregender als die sonst etwas konventionelle Spannungsdramaturgie des Films sind: Wenn die Kidnapper immer rigoroser vorgehen, müssen natürlich auch ein, zwei Nebenfiguren sterben, aber bloß niemand zu wichtiges.
Neben Curtis Hansons Regie sind es dann vor allem die Darstellerleistungen, welche die Schwächen des recht konventionellen Scripts etwas abfedern. Meryl Streep kann die Rolle der toughen Vorzeigemami mit genug Verve spielen, um die ganzen Überhöhungen nicht ganz so kitschig scheinen zu lassen, während David Strathairn den Waschlappen mit Augenzwinkern spielt. Besonders toll ist allerdings Kevin Bacon als Oberfiesling, der alle Dummheiten, die seine Figur begeht (z.B. Roarke zum Geburtstag verdächtig viel Geld schenken zu wollen), so spielt, dass man glaubt, dass die Figur trotz aller diabolischen Fiesheit so einfältig ist. Joseph Mazzello als Sohn ist OK, leidet halt unter der Nervigkeit seiner Rolle, John C. Reilly als Bad Guy mit Herz bietet guten Support und auch Benjamin Bratt zieht sich in einer Nebenrolle solide aus der Affäre.

Curtis Hanson hat schon spannendere Filme gedreht, aber hier machen ihm das recht konventionelle Script und sein inhärentes Familienkitschpathos einen kleinen Strich durch die Rechnung. Dank der tollen Darstellerleistungen, spannender Raftingszenen und der schicken Naturaufnahmen sicherlich ein brauchbarer Thriller, aber nicht das Highlight, das er hätte sein können. 6,5 Punkte meinerseits.

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