Bei Jean-Pierre Melvilles vorletztem Film war weniger mal wieder mehr - der fast zweieinhalbstündige Krimi kommt mit wenigen Worten und noch weniger Schüssen aus. Vielmehr liegt hierbei der Fokus auf dem Zusammentreffen dreier Gangster, sich zwischen ihnen entwickelnden Loyalitäten, auf einem Politzisten, der den Dreien respektvoll gegenübersteht, sowie der effektiven Planung und Durchführung eines Überfalls, dessen Darstellung sich jeglicher Form des Spektakels gekonnt widersetzt.
Corey, minimalistisch dargestellt von Alain Delon, wird aus dem Gefängnis entlassen, erhält vorher jedoch noch einen Tip für einen Überfall und besucht anschließend einen kriminellen Weggefährten. Vogel, bedrohlich dargestellt von Gian-Maria Volonte, entkommt auf einem Gefangenentransport seinem Aupasser, dem beruflich akribischen, privat liebevollen Commissaire Mattei, differenziert dargestellt von André Bourvil. Corey und Vogel treffen zufällig zusammen und finden sich in mehreren, für sie gefährlichen Situationen wieder, die sie jedoch allesamt unbeschadet bewältigen - getreu dem Motto: "Eine Hand wäscht die andere." Zur Durchführung des Überfalls ziehen sie Jansen, intensiv dargestellt von Yves Montad, an Land - einen technisch versierten Mann, der anderwetig wohl in einem Meer aus Alkohol ertrunken wäre.
Melville inszeniert die Geschichte minutiös - nichts wirkt überhastet, alles ist nachvollziehbar. Realismus wird groß geschrieben. Zwei Szenen stechen dabei besonders hervor. Zum einen Jansens Alptraum: Melville verzichtet hierbei auf jegliche Effekthascherei und legt Montand einfach echte Reptilien, Krebse und Ratten ins Bett. Erst als der Wecker klingelt, bemerkt der Zuschauer, dass es sich hierbei um einen Alptraum handelt. Zum anderen der etwa halbstündige, an Spannung kaum zu überbietende Überfall: hier fängt die Kamera wirklich jedes Detail ein, das zum Gelingen der Aktion beiträgt.
Glücklicherweise wird im Drehbuch - wie üblich bei Filmen von Melville - der Fehler vermieden, charakterliche schwarz/wei-Malerei zu betreiben. Die Gangster sind nicht grundlegend böse, ihr Ziel nicht einzig der materielle Gewinn. Die Polizisten sind nicht grundlegend gut, ihre Methoden alles andere als moralisch einwandfrei. Das macht insbesondere unter dem Blickwinkel Sinn, dass im Film die These aufgestellt wird, Menschen werden nur unschludig geboren, verlassen diesen Status jedoch im Laufe ihres Lebens.
"Le Cercle Rouge" ist ein unaufgeregter Film, bei dem Niemandem die Kinnlade runterfallen wird. Das war jedoch wohl auch nicht die Intention. Der Film ist in erster Linie darauf angelegt, Sinn zu machen. Und das gelingt Melville hervorragend.