Review

Verdammt zu leben - Verdammt zu sterben (1975) von Lucio Fulci

(...und verdammt diese 104 Minuten durchzuhalten!)

Diejenigen unter euch, die keine Muße haben dieses Review komplett zu lesen, möchte ich im vorletzten Abschnitt zwei verdammt gute Alternativen zu diesem Western nennen.

...Der Sheriff von Salt Flat (Utah) kommt dem frisch eingetroffenen Falschspieler Stubby Preston (Fabio Testi) rasch auf die Schliche und sperrt ihn vorübergehend in eine Gemeinschaftszelle ein. Dort lernt Stubby die Hure Bunny (Lynne Frederick), den Säufer Clem (Michael J. Pollard) und den Irren Bud (Harry Baird) kennen. In der Nacht kommt es in der Stadt zu einer blutigen Schießerei, angeführt von maskierten Killern. Vielleicht ist dies der Grund, warum der Sheriff seine vier "Gäste" am nächsten Morgen freilässt. Stubby schlägt vor, sich nach Sand City aufzumachen, da dieser Ort u.a. an einer Silbermine liegt. Allerdings sind es bis dorthin 200 Meilen und der Weg ist möglicherweise voller Risiken und Gefahren. Wie es das Schicksal will, hält sich in ihrer Nähe auch der überaus boshafte, um nicht zu sagen satanische Bandit Chaco (Thomas Milian) auf. Eine Begegnung zwischen ihm und der Gruppe könnte fatale Folgen haben...

Viele US- aber auch Italowestern zeigen, dass solch eine prinzipiell schlichte Grundhandlung trotzdem ausreichen kann, um daraus einen spannenden, zumindest durchschnittlich unterhaltsamen Western zu drehen, der dann im Verlauf meist in Richtung Abenteuer oder Rache schwenkt. Beim o.g. Regisseur darf man hier zusätzlich auf einen gehobenen Härtegrad und blutige Szenen spekulieren. Überraschenderweise hat mich dieser Film aber leider sehr enttäuscht und es war teils eine Zumutung sich bis zm seinem Ende durchzuquälen!

Zunächst fing alles ganz nett an und man bekam schon den Eindruck, dass Fulci diesmal auch gelegentliche Aufheiterungen vorgesehen und mit eingebaut hatte. Doch schon kurz nach dem Vorspann kippt die bisher leicht amusänte Atmosphäre in eine blut- und bleihaltige Schießerei. Die Schonzeit für das Publikum war nun definitiv vorüber, aber nach rund 10 Minuten auch schon der ganze Westernspaß! Von da an bekam der Filmgenuss einen ersten Dämpfer durch die modisch angehauchte Musik, spätestens aber ab der 12. Minute war das Gedudel so nervig und über einen Großteil des Films präsent! Gleichzeitig kommt immer wieder Langeweile auf, während die Spannung vom Anfang ihr Nievau nicht mal annähernd halten konnte. Während der Film dringende Kurskorrekturen seitens des Regisseurs benötigt hätte, suhlt sich Fulci in detaillierten Szenen aus Nacktheit und Gewalt an Mensch und Tier! Natürlich sind Schießereien und Morde in einem Western normal. Und natürlich erwartet man nach einem Treffer bei dem jeweiligen Opfer auch eine (blutige) Schussverletzung. Aber bei Verrohung, unnötig ausführlichen Gewaltexzessen und augenscheinlich reellem Quälen, bzw. Töten von Tieren, hört bei mir der Spaß auf!!! :(

Insbesondere mit den Werken "Die Geisterstadt der Zombies" oder "Ein Zombie hing am Glockenseil" setzte sich der kultige "Zombie-Regisseur" ein Denkmal und ja, diese Filme gefallen mir wirklich gut. Aber dort sehe ich die Gewalt-/Splatterszenen wohl unter einem anderen Gesichtspunkt - evtl. weil das ganze Thema solcher Horrorfilme ja nur Fantasie ist. Bei diesem Western jedoch stellte ich mich auf eine genreübliche Inszenierung ein. Mit "Silbersattel" bspw. hatte Fulci eine gute Balance aus packender Story und zumutbar harter Umsetzung hinbekommen. Lediglich das ständige Wiederholen des Titelsongs "Silversaddle" verdirbt einem ein wenig die Laune. Aber um das in einem Western unnötige Zelebrieren von Gewalt zu verstehen, dem Fulci offensichtlich frönte, braucht es wohl auch die Psyche eines Fulcis, der in seiner Zeit als Partisane u.U. Praxis im (hinterhältigen) sadistischen Töten gesammelt hatte!? (Dies ist nur mein Versuch einer Erklärung)

Wie dem auch sei, ich habe wie gesagt nach dem durchaus gelungen Start den Spaß an dem Film nach ca. 10 Minuten verloren und daran sind auch noch andere Faktoren schuld:

!!! Vorsicht - ab hier werden Teile der Handlung vorweggenommen !!!

- Ähnlich wie bei "Silbersattel" hat mich die Filmmusik hier extrem genervt. Okay, Geschmäcker sind verschieden, aber diese Songs passen doch überhaupt nicht zu einem Western, bzw. schaffen keine entsprechende Atmosphäre! Und auch hier ständig immer der gleiche Rotz! Wirkt heutzutage wie ein Dachbodenfund schäbiger und unverkäuflicher Schallplatten aus den 70ern, teilweise hört man nicht einmal Hintergrundgeräusche, sondern nur dieses seinerzeit modische Gedudel!
- Die anfängliche Spannung kam im übrigen Verlauf des Films kaum noch auf und für die meisten Darsteller waren wohl nicht genug Aktivitäten vorgesehen. Oft saßen sie nur rum, gafften sich blöd an oder trabten umher. Auch Fabio Testi wird nicht selten zum Passiverhalten und höchstens Reagieren verdammt. Agieren tut fast nur Milian, aber den sieht man größenteils ja nicht. Entweder war die Story nicht richtig durchdacht und/oder die Umsetzung nicht ausgereift!? Obwohl die Splatterszenen gut gemacht waren, konnte eine Aneinanderreihung von bloßen Gewaltszenen diesen schlechten Film nicht mehr retten. Vielmehr sollten diese eine Filmhandlung krönen, die aber eigentlich auch alleine "lauffähig" ist.
- Dem Film fehlt es eindeutig auch an Tempo! Statt 104 Minuten, hätte man ihn um gut 20 Minuten straffen und den wenigen interessanten Stationen im Drehbuch mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Bspw. hätte man die bravouröse Anfangsschießerei nicht schon im Vorspann ansiedeln, sondern langsamer, aber dafür effektvoller inszenieren sollen. Den Überfall auf den "Mormonenverschnitt aus der Schweiz" hätte man dem Zuschauer auch nicht vorenthalten müssen. Und schließlich Sand City! Die Vier nehmen anscheinbar regungslos hin, dass der Ort inzwischen eine Geisterstadt ist. Aber statt daraus ein unheimlich anmutendendes Spektakel zu machen, lässt Fulci es lieber regnen und begnügt sich mit ein paar Spinnweben. So ist seine "Geisterstadt" wohl eher einem knappen Budget oder Unlust geschuldet!? Mit "Stunde der Abrechnung" zeigte Fred F. Sears schon 1953 in beeindruckender Weise, wieviel Spaß und unheimliche Atmosphäre eine richtige und "schöne" Geisterstadt bereiten kann!
- Naja. dann fällt es auch nicht mehr groß ins Gewicht, dass die Synchro ein einizger Verhau von dt. Originalsynchro, nachträglicher und minderwertiger Synchro sowie eingefügter Passagen in ausländischer (engl. + ital.) Sprache mit dt. Untertiteln ist. Es gibt neben mehrheitlich guten bis exzellenten Filmen leider auch schlechte, billige und überflüssige Filme. "Verdammt zu leben - verdammt zu sterben" ist meines Erachtens ein Mix aus Letzteren.

Die 4 Pünktchen vergebe ich fairerweise für den wirklich vielversprechenden Auftakt mit der gelungenen Schießerei, den sehr gut gemachten Splatterszenen und das professionelle Auftreten einzelner Filmhelden, die aus den schwachen Rollen/Charakteren wohl das Beste rausgeholt haben.

Alternative Westerntitel, die in einem ähnlichen Zeitraum entstanden sind, eine ähnliche Story haben (Reise einer Gruppe inkl. Frau und Verfolgung von Bösewichten) und die vor allem auch wirklich Spaß machen, wären beispielsweise
"Leise weht der Wind des Todes" / "The Hunting Party" (1971) u.a. mit Gene Hackman oder
"Tote brauchen keine Dollars" / "Take A Hard Ride" (1975) u.a. mit Lee van Cleef.

Und natürlich können auch harte Fulci Filme richtig Spaß machen, wie neben den oben erwähnten bspw. "Django - Sein Gesangbuch war der Colt" oder "Das Syndikat des Grauens".

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