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Der dank seiner mit zweifelhaften Ruf ausgestatteten Horrorfilme („Ein Zombie hing am Glockenseil“, „Manhattan Baby“) legendäre, italienische Filmemacher Lucio Fulci kann auch auf ein paar wenige Italowestern zurückblicken, von denen besonders „Django – Sein Gesangbuch war der Colt“ einen überzeugenden Eindruck hinterlässt.
Während er seinen Genreeinstand aber noch feierte, als diese Art von Filmen gerade im Begriff war so richtig aufzublühen, entstand „Verdammt zu leben – verdammt zu sterben“ erst als sie in den letzten Atemzügen lagen. Entsprechend düster fällt sein Film auch aus. Ähnlich wie alle späten Italowestern dominiert das Geschehen ein postapokalyptischer, schmuddeliger Touch, der dem Streifen eine düstere, trostlose Stimmung aufdrückt. Fulcis leicht überbelichtete, milchige Optik harmoniert nicht immer mit diesen Motiven, verleiht ihnen aber eine surrealistische Grundierung.

In typisch-depressiver Fulci-Manier schlägt sich hier ein Quartett ganz unterschiedlicher Loser durch die Wüste. Mit letzter Not entkamen sie aus einer Stadt, in der ein vermummter Lynchmob zum großen Reinemachen aufgerufen hat. Die Vier können von Glück reden, dass der Sheriff sie zu über Nacht im Gefängnis aufbewahrt hat, denn ein Falschspieler, eine Hure, ein Säufer und ein irrsinniger Schwarzer wären wohl die Letzten gewesen, die dem rasenden Mob entkommen wären. Das grausame Resultat am nächsten Morgen, eine von Leichen gesäumte Geisterstadt, zwingt die gegensätzlichen Figuren auch schnell zu einer überhasteten Abreise in die nächste Stadt. Doch die ist 200 Kilometer entfernt und dazwischen liegt nur die öde Wüste...

Man muss Fulci hier eines lassen. Er weiß, wie man eine beklemmende Stimmung erzeugt und mit einer rauen Inszenierung das Publikum erreicht. Die plakativ brutalen Shootouts dienen allerdings nur zum reinen Selbstzweck und auch die später detaillierten Gewaltdarstellungen sind nur zu typisch für den gern explizit filmenden Regisseur. Die bedrückende Atmosphäre des unangenehm hässlichen Films kreiert er dabei aber wie kaum ein anderer.

Leider unterstützt ihn das schwache Drehbuch dabei nur wenig. Die vier Figuren entwickeln sich lediglich marginal. Die Konstellation bleibt die selbe. Nur der Falschspieler Stubby Preston (Fabio Testi, „Die Rotröcke“, „Das Syndikat des Grauens“) und die Hure Bunny O'Neill (Lynne Frederick, „Die Rotröcke“, „Phase IV“) kommen sich zwangsläufig etwas näher, weil eine Gruppe hilfsbereiter Siedler irrtümlich annimmt, dass die beiden verheiratet sind, da Bunny schwanger ist. Stubby wahrt den Schein, um Bunny nicht bloß zustellen und empfindet schnell etwas für sie. Darwan wird allerdings kaum weiter gefeilt.

Der Film ergibt sich im weiteren Verlauf eher in Grausamkeiten anstatt einer interessanten Charakterstudie. Das Grauen personifiziert hier ausgerechnet ein zotteliger Tomas Milian („Der Gehetzte der Sierra Madre“, „Laßt uns töten, Companeros“), der, ganz gegen seine Paraderolle besetzt, den sadistischen Meisterschützen Chaco spielt. Er drängt sich der Gruppe auf, verspricht ihnen regelmäßige Mahlzeiten, setzt sie dann aber unter Drogen, fesselt sie und vergewaltigt Bunny vor den Augen der anderen. Harter Tobak und genauso beklemmend werden solche Momente natürlich auch von Fulci in Szene gesetzt. Allein die menschenverachtende Folterung des Sheriffs geht schon unter die Haut.
Da vermögen später unfreiwilliger Kannibalismus und die knospende Revenge-Story in dieser Hinsicht auch keinen mehr draufzusetzen. Milian gibt so weit abseits seiner angestammten Figuren diesen durch und durch verkommenen Gesellen aber auch offensichtlich mit sehr viel Genuss. Man mag es kaum glauben, dass seine Screentime nur ein paar Minuten beträgt und doch prägt sich diese Figur hinterher am ehesten von allein ein.

Doch so fesselnd Lucio Fulci auch inszeniert, das Drehbuch verschleppt das Tempo immer wieder und ist sich zudem der minimalen Wandlung seiner Hauptfigur Stubby nie sicher, die mal gepflegter Falschspieler, mal fürsorglicher Liebhaber und dann wieder erbarmungsloser Rächer sein möchte, aber keinen Wandel glaubhaft vollziehen kann. Fabio Testi spielt seine Rolle zwar gut, aber das Skript liefert ihm keinerlei Anhaltspunkte, wie er seinen ständig wechselnden Wesenszüge denn glaubhaft erklären soll. Vor dem Säufer Clem (Michael J. Pollard, „Tango & Cash“, „Dark Angel“) und Bud (Harry Baird, „The Story of a Three-Day Pass“, „Ein Hosianna für zwei Halunken“), der mit den Leichen spricht, kapituliert der Drehbuchautor vorsichtshalber ganz und wagt sich gar nicht näher an sie heran.

„Verdammt zu leben – verdammt zu sterben“ sucht sein Heil deshalb in den Bildern und tut gut auch daran. Die durch den ständigen Regen aufgeweichte Geisterstadt, in der das Quartett eine Rast einlegt, ist ganz klar der Höhepunkt der trostlosen Kulissen, wohingegen das letzte Kapitel in der verschneiten, frauenlosen Männer-Siedlung in den Bergen so friedlich und harmonisch kaum mehr zum vorangegangenen Film passt. Dass in den letzten Minuten damit noch einmal gebrochen wird, passt nur zur Natur der extremen Stimmungsschwankungen unterworfenen Handlung.

Die eingängigen Songs, insbesondere „Movin' on, verleihen dem Film dabei meist mehr Flair als ihm eigentlich gut tut, fügen sich aber dann prima in die jeweiligen Situationen ein. Auch ein paar wirklich tolle Panoramaaufnahmen der Landschaft von Kameramann Sergio Salvati garantieren kurze Verschnaufpausen, bevor Fulci wieder der depressiven Stimmung frönt. So wenig der Mix meistens auch zusammen passt, die Eigenheiten des Regisseurs machen den Film letztlich so ungewöhnlich.„Verdammt zu leben – verdammt zu sterben“ ist nämlich kein schlechter Italowestern, sondern ein recht sonderlicher, der sich mit einem sorgfältig ausgearbeiteten Drehbuch viel weiter entwickeln hätte können.

Somit gehört „Verdammt zu leben – verdammt zu sterben“ zu den letzten Ausläufern wie „Keoma“ oder auch „Mannaja“, die keinerlei Ambitionen mehr hegten das Genre zu parodieren, sondern Nihilismus und Gewalt endgültig auf die Spitze trieben, solange das noch möglich war. Die italienische Filmindustrie hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon neuen Trends gewidmet, weswegen diesen Filmen heutzutage mit ihrem Klassiker-Status mehr Aufmerksamkeit zuteil wird, als damals. Höchst zwiespältig in seiner Aussage, aber sehr ansprechend inszeniert, wird der Genrefan hier aber einen interessanten Beitrag finden, der halt nicht das wurde, was er hätte werden können und trotzdem noch einen beachtlichen Eindruck hinterlässt. Wenn auch nur, weil Lucio Fulcis so starke Regie viele Mängel des Drehbuchs überspielt.


Fazit:
Lucio Fulci bleibt sich treu und liefert einen düsteren, schmutzigen Italowestern ab, der zu den pessimistischsten Filmen zählt, die das Genre jemals hervor gebracht hat. Die darstellerischen Leistungen sind über jeden Zweifel erhaben, zumal Tomas Milian, den man kaum wiedererkennt, wirklich denkwürdig agiert.
Dem letztlich enttäuschenden Drehbuch trotzt Lucio Fulci mit einer exzellenten Inszenierung, die er mit seinen typischen Attributen füttert. Besonders die explizite Gewaltdarstellung hätte so nicht sein müssen. Sie unterstützen die deprimierende Stimmung des Films allerdings deutlich. In atmosphärischer Hinsicht kann man „Verdammt zu leben – verdammt zu sterben“ daher keinen Vorwurf machen. Nur auf inhaltlicher Ebene versagt er leider weitestgehend. Kein Quantensprung mehr für das Genre und auch kein würdiger Abschluss, als einer der letzten aber allemal sehenswert.

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