Smash Cut hat es nicht leicht. Der als Hommage an den "Godfather of Gore" konzipierte Film setzt voraus, daß man mit Herschell Gordon Lewis' Oeuvre zumindest ein klein wenig vertraut ist. Filmfreunde, die bei Erwähnung seines Namens stirnrunzelnd ein "Herschell wer?" von sich geben, werden Lee Demarbres Liebeserklärung vermutlich für genau das kritisieren, was er ganz bewußt sein will. Nämlich ein billiger, schundiger, blutiger, unterhaltsamer Schlocker.
Wer jemals in den Genuß von Blood Feast gekommen ist, erinnert sich bestimmt an die Zunge. Dieses Mordstrumm von Zunge, das aus dem Mund einer eher zierlichen Frau geholt wird. Smash Cut beginnt mit einer wunderbaren Hommage an diese Szene, und zwar im Rahmen eines Films im Film. Able Whitmans (David Hess) neuester Streifen Terror Toy über eine kleine, mörderische Clownpuppe namens Bobo läuft ihm Kino, und Bobos letztes Opfer wird leinwandfüllend ins rechte Licht gerückt, tot und mit heraushängendem Auge, das in etwa dreimal so groß ist wie sein reales Gegenstück. Das Publikum ist entsetzt. "It's so fake", wird gemeckert, und im selben Atemzug verlangt man gleich das Geld zurück, wie Whitman, der als Clown verkleidet der Vorstellung beiwohnt, zu Tode betrübt feststellen muß. Aber sie haben ja recht, die Effekte sind wirklich extrem billig und lassen jeden Realismus vermissen. Der schwer angeknackste Regisseur verfällt vollends dem Wahnsinn, als er einen Unfall verursacht, bei dem seine Stripper-Freundin und Muse Gigi (Jennilee Murray) ums Leben kommt. Und dank Gigi klappt es plötzlich auch mit den Effekten, die so echt wirken, weil sie nun mal echt sind.
Es ist Lee Demarbre hoch anzurechnen, daß er der Verlockung widerstanden hat, einen flachen Crowd-Pleaser á la 2001 Maniacs abzuliefern. Smash Cut mag zwar in eine ähnliche Schublade fallen, ist aber trotzdem völlig anders, weit besser, und viel sympathischer. Ich bin immer noch erstaunt, wie spielerisch Demarbre die Stimmung und den Ton der Filme einfängt, denen er huldigt. Das ist bisweilen saukomisch, aber auf eine eher hintergründige und sehr schräge Art und Weise, unterstützt von der eigenwilligen Bildsprache, den schönen, gewollt künstlichen Sets, Michael Dubues fantastischen Score, und dem blendend aufgelegten "Schauspiel" des vor der Kamera agierenden Ensembles.
Genre-Veteran David Hess (The Last House on the Left) liefert in der Hauptrolle eine eindrucksvolle Show ab, die nicht nur belustigt und beängstigt, sondern auch ein wenig berührt. Ob der am 19. September 1942 geborene New Yorker bei seinen beiden realen Regiearbeiten To All a Goodnight (Goodnight - Die Nacht, als Knecht "Blutbrecht" kam, 1980) und Steel Drums, Not Guns (2010) auch dermaßen auf den Putz gehauen hat, ist leider nicht überliefert. In Nebenrollen glänzen Michael Berryman (Pluto in The Hills Have Eyes) mit haarsträubender Perücke, Jesse Buck als Privatdetektiv Isaac Beaumonde, "Montag the Magnificent" himself, Ray Sager (aus The Wizard of Gore), und Herschell Gordon Lewis, der es sich nicht nehmen läßt, den Zuschauer im Vorfeld zu warnen: "Watch if you must, but remember… you were warned." Als größte Überraschung entpuppt sich jedoch Sasha Grey, die ihre Brötchen üblicherweise mit nicht jugendfreien Filmen mit solch aussagekräftigen Titeln wie Anal Acrobats, Swallow My Children oder Masturbation Nation verdient. Als April Carson, Gigis Schwester, liefert die Kalifornierin eine ungemein coole, verschmitzte und sympathisch-naive Vorstellung ab, die für diese Art Film einfach perfekt ist. Die Spezialeffekte sind ausnahmslos handgemacht und wurden einfallsreich, heftig und schön blutig umgesetzt, wobei es einige Splattermomente sogar schaffen, sich wie ein hungriger Blutegel am Gehirn festzusaugen: die tote Gigi mit offenen Augen und blutgefüllter Kaugummiblase; "Krankenschwester" April mit schleimigen Augäpfeln in ihrer ausgestreckten Hand (die sie im Anschluß genüßlich zerquetscht); das "Melken" eines Gedärmestrangs; oder die immens spritzige Handamputation mit einem völlig überdrehten Whitman ("Your hands are bleeding, Alan! Your hands are bleeding!").
Smash Cut ist eine wunderbare Hommage an eine längst vergangene und niemals wiederkehrende Zeit, die das bluttriefende Herz am rechten Fleck hat und mindestens so viel Charme versprüht, wie sie den roten Lebenssaft spritzen läßt. All das macht Smash Cut zum vielleicht schönsten Genrefilm des Jahres 2009.