Eine ganz allgemein unbestimmte Verwirrung zeichnet neben all der choreographischen Geschmacklichkeiten auch gerade die Geschichte dahinter bei Raging Phoenix, dem zweiten künstl[er]i[s]chen Werk der aufstrebenden, bereits mit dem Debüt Chocolate die Aufmerksamkeit erobernden JeeJa Yanin aus. Im seltenen Fall einer ganz eigenen Empfindung gegenüber allzu demütigen Erwartungen und ihrer vollkommeneren Umkehr dessen, einer speziellen Abtrünnigkeit in radikaler Einstellung vollzieht Rashane Limtrakuls Regie ihre Wechsel vom scheinbaren Standardrepertoire hin zu einer Mischung aus weltfremden Futurismus / gleichzeitig Postapokalypse bis schlussendlich einer surrealen Höhle, in der man keinerlei Rechenschaft gegenüber mancherlei Beschwerden mehr schuldig ist. Die Handlung zur selben Phase lachhaft bis sich hochpoetisch ernst nehmend und ernstzunehmend, die Action im Trommelwirbel schwankend sowohl in der Ausarbeitung als auch dem Einsatz. Der weitere Fortgang und seine wechselnden Stellenwerte so unsicher und parallel mit hochgradig geschärften Sinnen umherstreifend wie ein Taumel im Absinth.
Ganz und gar im Irrtum befindlich ist bereits der Vergleich von Yanin mit Baa-Ram-Ewes hauseigenem Zugpferd Tony Jaa; ein Marketingggag, der vielleicht im kleinsten gemeinsamen Nenner des psychischen Automatismus zutreffend ist, aber darüberhinaus in gravierender Weise in keinem weiteren Verhältnis zur Wahrheit mehr steht. Während Jaa schon den Zenit überschritten, wenn auch mit Ong Bak und Tom Yum Goong die Meßlatte in Bezug auf die cinematische Wirkung des Muay Thai unerreichbar hoch gestellt zu haben scheint, so setzt sich Janin in vielerlei Hinsicht von einem bloßen Nachfolgeprojekt ab. Wie auch in dem [überschwänglicher aufgenommenen] Vorgänger ist ihr Spiel und ihre Aura zwischen Verletzlichkeit, auch einer zeitweisen Wehrlosigkeit und der hier zumindest öfters angedeuteten Weiblichkeit mit größerer Berechtigung für die Erscheinung auch des gesamten Filmes ein Verdienst im Ausdruck, die auch eine verbindliche sensuelle Betrachtung knüpfen kann. Wo dort zweckfreie Demonstrationen der Kampf- und Körperkunst gefeiert werden, steckt hier der Gegensatz aus "Raging" und "Phoenix", aus ästhetischen und emotionalen Überlegungen, aus Maßregelung und Mutmaßung, die neben gleichfalls endgültiger Zerstörungswut auch die Allmacht eines ganz besonderen Traumes in sich führt:
Die junge Dew [ JeeJa Yanin ] ist nach dem Tod ihres Vaters auf sich gestellt, fühlt sich nicht zu Unrecht alleine gelassen, sucht Anschluss und Trost bei den falschen Leuten. Als sie ihren letzten Halt am selben Tag verliert, ihren jetzigen Freund erneut fremdgehend erwischt und wegen dem anschließenden heftigen Streit während eines Auftritts aus ihrer Band geschmissen wird, gibt sie sich voll Kummer dem Alkohol hin. Noch schwer im Rausch steht sie einer Attacke von professionellen Kidnappern vollkommen hilflos gegenüber, wird aber von dem erbittert einschreitenden Sanim [ Kazu Patrick Tang ] gerettet und nach einigem Bitten auch von diesem und seinen Kumpanen Kee Moo [ Nui Saendaeng ], Kee Ma [ Sompong Lertwimonkaisom ] und Kee Kwai [ Boonprasayrit Salangam ] im Meyraiyuth unterrichtet. Eine eigens entwickelte Technik, um im von der Realität losgelösten drunken fighting Stil der Gang der Mädchenhändler von Jaguar [ Roongtawan Jindasee ] auf die Spur zu kommen, sich der Übermacht stellen und die überall in der Stadt entführten Frauen befreien zu können. Dew lernt schnell, weiß aber noch nicht, worauf sie sich tatsächlich eingelassen hat.
"Welcome to the garden of flowers. Their tears are the pollen, so fragrant beyond description."
Dabei fügt und verfügt der Film ganz verschiedene Einflüsse und entsprechende Sprachwandlungen in ein Meer aus Blut, Schweiß und Tränen zusammen, wobei der dafür gebrauchte Genrebegriff "Action-Romanze" vielleicht im saloppen Umgang benutzt werden kann, die hiesige Welt aus ein ganz wenig verbürgter Wirklichkeit und viel in die Phantasie emigrierte Unwirklichkeit nicht zu beschreiben vermag. Die Geschehnisse um die im Untergrund agierenden Kriminellen und die aus durchweg persönlichen Motiven sich dem entgegen Stellenden ist über weite Phasen zeit- und ortlos, in späteren Ereignissen gar raum- bis schwerelos. Eine zwischen Gelehrtheit und Legendenerzählung durchwandernde Sinneserweckung, wie mit aus Einflüssen von Der Tanz des Drachen, Kickboxer from Hell und Das Parfüm.
Relativ traditions- und so auch an Konventionen gebunden ist der Einstieg mit dem Mentor / Protegé - Verhältnis, die sich da eventuell anbahnende, aber auch nur in Ansätzen vollzogene, dort aber auch ihre Wirksamkeit entfaltende Zuneigung zwischen Mann und Frau und das scheinbar einfache Gut gegen Böse - Schema. Da im Aufbau auch nur das Wesentliche in strenger Form und ohne weitere Umschweife ausgedrückt und der große Rest vom Chaos der Welt noch im Verborgenen dämonischer Reiche versteckt gehalten wird, hat die Action als füllender Ersatz da auch ihre besten Auftritte. Nicht nur, dass zu Beginn noch mit allerlei props, dem Hin und Her in der zerwuselten Ausstattung und dem Ereifern von schon beeindruckenden Kunststückchen abseits von später teils grotesk ruhmlosen wirework-Attacken gearbeitet wird, auch wird die insgesamt respektable Akrobatik in entweder voluminösen Montagen oder mit aller wahren Kraft skizzierenden Zeitlupen festgebannt. Ob nun stilecht auf einem dem Rost preisgegebenen Rummelplatz zwischen Metall, Draht, Stein und erodierender Verwesung mit maskierten Lumpen geprügelt und geschlitzt, oder unweit dessen in einer in den Achtziger Jahren vergessenen Spielhalle das Inventar und die Angreifer darin für visuelle Karambolagen zweckentfremdet wird, die verschieden fortschreitenden Bewegungen haben allesamt zu Beginn ihren entscheidenden Auftritt, aus bloßem Eigensinn dargebracht. Dort herrscht eine noch spielerische, in den besten Momenten mit Kraft und Nachdruck gezierte, um die Gewalt herum tändelnde Art rhythmischer Schläge vor, ein Rezitativ der zirkushaften Geschicklichkeit im mit mannigfaltigen Tanz übereinstimmenden Charakter.
Alles nach der voll Geschmeide strotzenden Ouvertüre verlässt die geschlossene Form, und läuft auch damit erst zu vollem Glanze in gieriger Rechtfertigung auf. Ist ein ausschweifendes Ungefähr, bezieht sich auf eine andere, eine tiefere Art der Attraktion, sucht sich eine gelb bis kränklich grün gehaltene Optik, ein Ventil für die Schmerzen, die zu Beginn noch verführerische Energie des Alkohols, den unwiderstehlichen Reiz von Abenteuer, Pheromonen und Aphrodisiaka. Eine leidenschaftliche, pathetische und zärtliche Reise durch Nebel, Rauch und Schwaden, durch Somnolenz und Delir. Ein betäubender Schlummertrunk, ein seltener Jahrgang mit viel Wein und Geist, dessen ungewohnter Genuss im falschen Stadium auch dicken Kopf und schwere Beine machen kann. Wohl bekomms.