Mit den Mitteln den Science-Fiction-Films erzählt Regisseur und Drehbuchautor Neill Blomkamp eine intelligente, teils verstörende Parabel über die Bestie Mensch, über Rassismus, die Selbstverliebtheit des Menschen und den gedankenlos grausamen Umgang, den wir mit Lebewesen pflegen, die wir aufgrund einer anderen Artzugehörigkeit als minderwertig empfinden. So wird die Story über ein Raumschiff voll außerirdischer Flüchtlinge, die in einem Ghetto in Südafrika zusammengepfercht werden und ein chancenloses Dasein fristen, zur vielschichtigen Allegorie über den Umgang des Menschen mit seinesgleichen, aber auch mit anderen Tierarten.
Mit beeindruckender Authentizität entwirft der Film schon in den ersten Minuten das Bild einer Gesellschaft, die Flüchtlinge als bedrohliche Fremdkörper behandelt - was angesichts der interessanten Ausgangsidee durchaus noch nachvollziehbar ist: Die Aliens, die in so vielen Filmen als höhere Macht, die uns entweder zerstören oder uns den Frieden bringen wollten, auftraten, wirken hier ebenso schwach und hilfsbedürftig wie jeder menschliche Flüchtling. Das Gedankenexperiment, das hier durchgespielt wird, entwickelt eine Vorstellung davon, wie wir mit solchen extraterrestrischen Flüchtlingen umgehen würden - und dabei kommen wir selbst nicht sehr gut weg: Aus Angst vor dem Fremden werden die Außerirdischen in einem riesigen Ghetto zusammen gepfercht, wo sie alsbald der Armut und Kriminalität verfallen, wofür sie wiederum von den Menschen verachtet werden. Von Anfang an wird die unerträgliche Herablassung, mit der die Menschen - und insbesondere die Regierungs- und Militäreinheiten, die mit den Aliens in Kontakt treten - den Fremden gegenüber stehen, ungeschönt dargestellt. Als minderwertig wahrgenommen, geht es nur darum, die Aliens in Gewahrsam zu halten, ihnen keine Möglichkeit zur freien Entfaltung oder Eingliederung zu geben - und sie bei Gelegenheit als medizinische Versuchskaninchen zu missbrauchen. Schon lange vor Ende des Films wird hier deutlich, dass das eigentliche widerliche Monster keiner der Außerirdischen ist; es ist eindeutig der Mensch.
Dieses Bild des Menschen als feigen, egoistischen und unglaublich herablassenden Wesen, das seine Tendenz zur Grausamkeit hinter wissenschaftlichem Interesse oder politischer Notwendigkeit versteckt, wird freilich publikumswirksam aufbereitet, was "District 9" tatsächlich eine noch höhere Intensität verleiht. Ein wilder Stilmix, der (mitunter etwas willkürlich und inkohärent) zwischen Handkamera, Pseudo-Doku-Stil und klassischer Kameraführung wechselt, ein extrem hohes Schnitttempo, das kaum einmal für wenige Sekunden langsamer wird, und zahlreiche immer heftiger werdende Actionsequenzen machen aus der anthropologisch düsteren Hintergrundstory ein lautes, rasantes Kino-Abenteuer. Dabei bleibt die Intelligenz und Brisanz der philosophischen Überlegungen aber keinesfalls auf der Strecke.
Auch die erstklassigen Spezialeffekte überzeugen auf ganzer Linie: Dank modernster Technologie wirken die Außerirdischen ebenso real wie die menschlichen Darsteller - und mit der Zeit bei weitem menschlicher. Auch wenn die dramatische Story einige kleine logische Fragezeichen offen lässt (wie beispielsweise die Kommunikation zwischen Menschen und Aliens so schnell perfektioniert werden konnte, dass sie sich gegenseitig verstehen), beweist "District 9", dass man rasantes, explosives Action-Kino mit intelligenter Grundsatzkritik vereinen kann. Treibende Spannungsmusik, heftige Schießereien und derbe, punktuelle Gewaltszenen machen aus dieser düsteren, zum Nachdenken anregenden Kritik an der Bestie Mensch einen unterhaltsamen Blockbuster. Und ganz nebenbei wird auch noch das stimmige Porträt eines Charakters, der sich vom bürokratisch vorurteilhaften Spießer zum überzeugten Freiheitskämpfer entwickelt, gezeichnet. Von solchen Verbindungen dürfte es gerne mehr geben.