In letzter Zeit wird ja gemunkelt, dass alles, was Peter Jackson anfasst, zu purem Gold wird. Längst gehörte seine Trilogie "Der Herr der Ringe" neben "Star Wars" zu dem komplexesten, was die moderne Filmwelt zu bieten hat, selbst alten Klassikern verleiht er durch seine Liebe zum Film einen neuen Charme ("King Kong") - man weiß also, dass man es mittlerweile mindestens mit einem überdurchschnittlichen Film zu tun hat, selbst wenn Jackson nur als Produzent fungiert. Das der neue Streifen, bei dem er seine Finger im Spiel hatte, also nicht nur seelenloser Quatsch werden kann, dürfte klar sein. Und mit "District 9" wird man mal wieder verwöhnt.
Die Story verarbeitet das Thema rund um den "District Six" in Südafrika fantasievoll und - fast schon - augenzwinkernd. Waren es im District Six hauptsächlich ehemalige Sklaven und Arbeiter (später schlicht und einfach die völlige Unterschicht), die ihr Leben in den Slums verbrachten, werden in "District 9" daraus Außerirdische, die für lange Zeit in ein eigens für sie erbautem Gebiet leben dürfen, nur um später diskriminiert zu werden. Ein deftiger Schlag gegen Rassismus, diesmal in leicht abgewandelter Form, aber kaum unwirksamer.
Hauptperson des Films ist Wikus van de Merwe, äußerlich ein tollpatschiger Nerd, der durch den Film stolpert und ausgerechnet die Umsiedlungsaktion der District 9 Bewohner anführen soll. Wikus ist hierbei nicht etwa die typische, von Anfang an sympathische Hauptperson, sondern eher ein schmierig wirkender Vollidiot, der süffisant seinen Auftrag erfüllt. Zwar setzt er auf die friedlichen Methoden (Niemanden erschießen, keine Gewalt), bleibt im Kern aber ein - pardon - Arschloch erster Güte. Da ist es für den Zuschauer eigentlich recht schwer, gerade für so jemanden Gefühle aufzubauen, wenn man doch eher mit den zwar primitiv anmutenden, aber auch gequälten Aliens sympathisiert.
Gedreht im Pseudodokumentarischen Stil, weiß District 9 zudem mit diversen - natürlich unechten - Nachrichtenschnipseln zu gefallen, die die Vorgeschichte erzählen. Gespickt mit Kommentaren von "wichtigen" Forschern, Wissenschaftlern und Büromenschen, verkauft sich der Film wirklich fast als echte Dokumentation. Das ist Realismus, wie er dem echten Filmfan zusagt. Andererseits merkt man aber besonders ab der Mitte des Films, dass eben jene Vorgeschichte doch recht schnell runtergespult wurde. Fast nebenbei wird erwähnt, dass zwanzig Jahre vergangen sind, seit das Raumschiff über Johannesburg schwebt, während man als Zuschauer zuerst eher annimmt, dass der Film vielleicht ein Jahr behandelt und nicht etwa zwei Jahrzehnte.
Die ersten dreißig bis vierzig Minuten sind sehr humoristisch angehaucht, auch wenn das Thema nicht zum lachen anregt. Andererseits ist es aber dennoch ulkig, wenn sich die Aliens wie Menschen benehmen. Gerade hier hat der Film allerdings auch zwei Knackpunkte: Es ist schon ein sehr großer Zufall, dass die Außerirdischen praktischerweise die Atmosphäre der Erde vertragen, wirklich dürftig ist aber die Tatsache, dass sich Aliens und Menschen trotz völlig unterschiedlicher Sprache glasklar verstehen können. Zwanzig Jahre hin oder her, die Wesen aus dem All werden nun wirklich kein Wörterbuch an Bord gehabt haben, wodurch die Menschen die Sprache erlernen konnten, andersrum natürlich auch nicht. Das verstärkt wiederum eher den Eindruck, dass man hier einfach nur die Geschichte von District Six aufrollt und die Aliens nur lose Fassade bilden für die damaligen Sklaven und Arbeiter.
Sobald Wikus aber mit der undefinierbaren Flüssigkeit in Kontakt kommt, wird der Film zunehmend ernster und spannender. Wikus verwandelt sich langsam zu einem Hybrid aus Mensch und Alien, was optisch eine Menge hermacht und einer der größten Pluspunkte des Films ist. Sein Kampf gegen die sensationsgeile Menschenwelt lässt Wikus dennoch immer noch nicht wirklich nett in Erscheinung treten. Er bessert sich zwar, hat aber nur im Kopf, so schnell wie möglich wieder der normale Mensch zu werden, der er einst war, und geht dafür auch unschöne Wege.
Highlight bleibt Wikus Bündnis mit dem außerirdischen Bastler Christopher, was zu einer Menge gewaltlastiger Szenen führt. Wikus verspricht sich durch den DIebstahl der Flüssigkeit, die ihm zudem machte, was er nun ist, die erhoffte Heilung. Mit dieser Substanz will Christopher nämlich sein kleines Raumschiff Marke Eigenbau betreiben, um zurück zu seinem Planeten zu kommen, wo er Wikus helfen kann. Dumm nur, dass sich der Treibstoff in den Händen des Feindes befindet. Wikus greift also zu dem Mittel, was er vorher eigentlich verabscheute: Gewalt. Er will sich bei den Nigerianer eine gute handvoll Waffen kaufen, muss auch bei dem Clou ein paar Menschen töten und macht sich schließlich mit Christopher auf, in das Gebäude des Feindes zu gelangen. Hier baut man auf typische Ballerszenen, Menschen zermatschen in der Luft, allerhand Blut spritzt in die Kamera... soso, FSK 16?
Nachdem der lebensnotwenige Saft beschafft worde, geht alles relativ schnell und ein furiouser Showdown bildet sich, in denen fast alle mal mit der Waffe hantieren. Wikus und Christopher kämpfen gegen die Krieger der MNU (Multinational United), die Nigerianer mischen sich auch noch ein und ein riesiger, roboterhafter Kampfanzug bildet das gewaltige Finale der Schlacht. Es wird geschossen, was das Zeug hält. Die Ballerszenen bleiben Geschmackssache, versuchen sie doch auch, realistisch anzumuten (Blut spritzt gegen das Bild). Dennoch wirkt es mit der Zeit anstrengend, vor allem der glatzköpfige Anführer der MNU-Truppen zerrt mit seiner beinahe schon überzeichneten, arroganten Art an den Nerven. Da freut man sich am Ende glatt, wenn er von den Aliens auseindergerissen wird.
Das Ende lässt dann ein paar Fragen offen, und auch die Tür zu einer Fortsetzung wird nicht explizit geschlossen. So verspricht Christopher seinem Kumpanen Wikus, in exakt drei Jahren zurück zukehren, um ihm doch noch zu helfen. In einem merkwürdigen, wie genialen Schlussbild sehen wir dann Wikus im neuen District 10 - nun vollkommen zum Alien mutiert. Nun kann man sagen, dass District 9 eine erfrischen Abwechslung in Sachen Sci-Fi geworden ist. Die Handlung lehnt sich fast schon makaber an wahre Begebenheiten an, die Personen agieren durchweg realistisch und durch die interessante, visuelle Umsetzung bleibt der Film auch nach dem x-ten mal anschauen unterhaltsam, vor allem die eigentlich unbekannten Darsteller sind überraschend gut ausgefallen. Der Film ist weit entfernt von einem sinn-, zweck und hirnlosen Sci-Fi-Spektakel.
Fazit
Extrem sehenswerter Genuss für alle Cineasten, unterhält das unglaublich realistische Sci-Fi-Highlight doch einwandfrei mit seinen irgendwie sympathischen Aliens, der kernigen Action und seiner Kritik an Diskriminierung.
8/10