Review

Anspruchsvolle deutsche Filme "Heaven" oder "Der Krieger und die Kaiserin" haben mir schon immer gefallen, auch von "Long Hello & Short Goodbye" war ich angetan. Ohne etwas vorher von ihm gehört zu haben, kam dann schließlich "Das weiße Rauschen" in die Videotheken. Auf den Film wurde ich über dessen Trailer, der sich glaube ich auf "Wie Feuer und Flamme" befindet, aufmerksam. Also hab ich mir "Das weiße Rauschen" auch sofort ausgeliehen. Und war von der ersten Sekunde an gefesselt! Von der Optik kann er als deutscher "Natural Born Killers" bezeichnet werden und die Schauspielerleistungen sind genial bis meisterhaft. Aufgrund derer wird der Film dermaßen intensiv und mitreißend, dass einem teilweise wirklich das Herz klopft, während man gebannt mitbekommt, wie Lukas gerade eine seiner vielen Vorstellungen durchleidet. Aber mal von vorn:
Lukas (genial: Daniel Brühl) ist neu in der Stadt und hätte keine Wohngelegenheit, wäre da nicht seine Schwester und deren Freund, die beide ein Hippiedasein pflegen. Drogenexzesse sind da natürlich an der Tagesordnung. Lukas, von Grund auf ein etwas extrovertierter Junge (siehe am Anfang die Szene im Zug), lernt eines Tages auf einer Party ein Mädchen kennen, mit der er sich auch verabredet. Alles scheint perfekt zu klappen, nur das Kino, in das die beiden gehen wollen, will nicht mitspielen, da an diesem Tag nicht der Film läuft, in den Lukas das Mädchen einladen will. Daraufhin flippt er völlig aus, beschimpft die Verkäuferin auf übelste Weise und ist kurz davor, handgreiflich zu werden. Er wird aber durch das Mädchen davon abgehalten, die völlig enttäuscht und fassungslos das Weite sucht. Lukas will sich bei ihr entschuldigen, jeder Versuch schlägt aber fehl. Von nun an nimmt "Das weiße Rauschen" fast die Züge an, die der Film besitzt, den sie sich ansehen wollten. Nämlich "Taxi Driver". Nur in Ersterem sind es die Wahnvorstellungen, die Lukas völlig konfus machen. Ständig flüchtet er sich in die Drogen, die ihm seine Schwester und deren Freund zur Verfügung stellen können, bis Lukas eines Tages andauernd Stimmen hört und er total geisteskrank ist. Nachdem er dann in eine Nervenheilanstalt gebracht wurde, er nach 6 Monaten wieder "auf freiem Fuß" ist, sucht er sich einen Job, durch den er aber bald wieder ins alte Stadium zurückfällt. Zufällig schließt er sich eines Tages ein paar Hippies an, die bald einen wichtigen Weg zu seiner Heilung darstellen werden...
Wie gesagt, die Szenen, in denen Lukas minutenlang irgendwelche Wahnvorstellungen ertragen muss, sind wirklich Nichts für schwache Nerven, wobei ich auch auf die FSK verweisen muss. Da fragt man sich die ganze Zeit, wieso irgendwelche Filme eine FSK 18 Freigabe bekommen, da doch so gut wie keine Gewalt vorkommt und "Das weiße Rauschen" wird dann für Jugendliche ab 12 Jahren freigegeben. Ich bin mir da nicht unbedingt sicher, dass 12-jährigen den Film einfach mal so ertragen, wenn überhaupt verstehen werden. Also eine 16er Freigabe hätte es auch getan. Aber zurück zum Thema. Das ist keinesfalls leicht zu bearbeiten. Der Regisseur jedoch versteht sein Handwerk fantastisch und inszenierte einen schwer zugänglichen und verdaulichen Film, der jedem einzelnen noch lange danach im Gedächtnis bleiben wird. Wirklich minutenlang muss Lukas, und damit auch der Zuschauer, da er ja auch die Stimmen hört, die Wahnvorstellungen ertragen, teilweise ist man kurz davor, die Stop-Taste zu drücken und eine kleine Pause zu machen, da wirklich eine beklemmende und bedrückende Atmosphäre entsteht. So ein 08/15-Drama aus deutschem Haus sollte man also nicht erwarten, da alles verdammt realistisch und somit sehr schockierend wirkt.
Die Kamera unterstützt das noch, denn es werden verdammt viele Bilder gezeigt, mal völlig farbig, dann mal ganz normal, schwarz-weiß, schief und und und. Auch die Kameraeinstellung schwankt zwischen normalem Kinofilm und Amateur- oder Homevideo, da die Qualität der Kamera teilweise aussieht wie die auf einer Kindergeburtstagsfeier. Das ist aber nicht aus Versehen, das wurde so beabsichtigt und unterstreicht das, was der Regisseur damit erreichen wollte. Ein Film, der mitnimmt, schockiert, aber vor allem zum Denken anregt. Die Sinnlosigkeit des Drogenkonsums steht dort im Mittelpunkt, sind es doch wieder einmal die Drogen, die einen Mensch fast psychisch ruinieren.
Jeder, dem der Trailer gefallen hat und wissen will, um was es in dem Film konkret geht, im Trailer wird das nämlich nicht ersichtlich, sollte sich "Das weiße Rauschen" ausleihen und sich auf ein Drama gefasst machen, das auf die Psyche geht. Man sollte sich aber bewusst sein, dass er Filmen wie "Crazy" oder anderen deutschen Dramen, in denen es um Jugendliche geht, überhaupt nicht ähnelt. Da ist "Das weiße Rauschen" viel abgedrehter, kränker, aber auch sozialkritischer und genauso realistisch wie z.B. eben "Crazy".
Ein schwer zugänglicher Film, der normalerweise jedem, der ihn sich angesehen hat, zum Denken anregt und mitteilt, wie sinnlos Drogen sind. "Das weiße Rauschen" ist kein Film, von dem man sagen kann, er ist kurzweilig und unterhaltsam und ist handwerklich perfekt inszeniert (auch wenn er das ist), er ist vielmehr ein Film der Sorte, die schwer und ungern angesehen wird, aber dennoch fesselt und auf voller Linie überzeugt.
Ansehen ist Pflicht. Das deutsche Kino wird immer besser! 9/10 Punkte

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